OSP-Chef Martin Lenz, Trainer Rüdiger Harksen, Eckart Würzner als Chef der Sportregion, Sprinterin Lisa Mayer, Judoka Nikolai Kornhaß und Rainer Arens, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Heidelberg (v.l.), rechnen fest mit Spielen im Jahr 2021. Foto: Dittmer
Von Claus Weber
Heidelberg. Rüdiger Harksen muss noch ein Jahr dranhängen. Ursprünglich wollte der Bundestrainer für den Hürdensprint nach den Olympischen Sommerspielen in Tokio in Ruhestand gehen. Dann kam Corona, dann die Verschiebung der Spiele auf 2021. "Ich kann meine Athletinnen jetzt nicht ein Jahr vor dem Karrierehöhepunkt hängenlassen", sagt der 65-Jährige.
Wir treffen Harksen im Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Heidelberg. Der OSP hat am eigentlich vorgesehenen Eröffnungstag von Tokio Trainer, Sportler und Funktionäre eingeladen, informiert über den Stand der Dinge, die neue Trainingsplanung – man macht sich auch gegenseitig Mut, dass die Spiele nur verschoben und nicht aufgehoben sind. "Wir gehen davon aus, dass sie in einem Jahr stattfinden werden", sagt OSP-Leiter Daniel Strigel. Basta!
Sportler brauchen Ziele, keine Zweifel. Schwimmer Philip Heintz beispielsweise liest erst gar keine Artikel, die Tokio 2021 infrage stellen. "Ich halte das alles von mir fern", sagt der Vize-Europameister aus Heidelberg, "sonst könnte ich nicht 100 Prozent im Training geben."
Eckart Würzner verbreitet Optimismus. "Ich glaube an die Olympischen Spiele", betont der Heidelberger Oberbürgermeister und Vorsitzende der Sportregion Rhein-Neckar, "die Japaner haben ein hervorragendes Hygienekonzept."
Eigentlich sollten die Spiele in Tokio seit Freitag laufen. Stattdessen wurde die Uhr um ein Jahr zurückgestellt. Foto: dpaHygiene ist seit Monaten auch im Neuenheimer Feld ein großes Thema. Der OSP in Heidelberg war eine der ersten Einrichtungen im Land, die noch während des Lockdowns ihre Pforten für Kaderathleten wieder öffnen durften – unter strengsten Vorgaben. Es sei fantastisch gewesen, wie der Olympiastützpunkt der Metropolregion Rhein-Neckar in vielen Bereichen vorangegangen sei und Vorbild war, erklärt dessen Vorsitzender Martin Lenz. Auch er macht Mut, dass der Sport die Corona-Krise gut überstehen wird. "Zum jetzigen Zeitpunkt sind keine Vereinsaustritte zu sehen", sagt Lenz, "der Vereinsbetrieb wird unter den Auflagen gerne wieder aufgenommen."
Die erste Depression ist überwunden. So hat jedenfalls Nikolai Kornhaß die Tage zwischen Mitte März und Mitte April wahrgenommen. "Für mich war in den ersten zwei, drei Wochen nicht an Sport zu denken", verrät der sehgeschädigte Judoka. Zumal seine Disziplin besonders von Corona bedroht ist. Judo und Distanz schließen sich gegenseitig aus. Und so trainierte er in den ersten Monaten nur Kraft und Ausdauer. "Ich habe die Uhr wieder auf Null gestellt." Seit 1. Juli ist auch wieder Mattentraining mit festen Partnern möglich. Bei den Paralympics 2016 in Rio war Kornhaß Dritter, bei der EM 2019 gewann er Gold. Die Spiele in Tokio sollten der Höhepunkt in der Karriere des 27-Jährigen werden.
Kornhaß ist einer von bislang sechs Athleten des Teams Tokio der Metropolregion, die das Ticket schon gelöst haben. Außer ihm sind noch Schwimmer Philip Heintz, Petrissa Solja (Tischtennis, Kandel), die Ringer Denis Kudla (Schifferstadt) und Eduard Popp (Heilbronn), Svenja Mayer (Rollstuhlbasketball, Wiesbaden) und Sonja Zimmermann (Grünstadt) als Mitglied der Hockey-Nationalmannschaft qualifiziert. In Rio waren 36 Sportler aus der Metropolregion am Start, das Team Tokio besteht aus 46 Athleten. Es sind die Besten der Besten, sie waren zuletzt entweder unter den ersten Acht bei einer WM oder unter den ersten Vier bei einer EM.
Während Kornhaß die Verschiebung der Spiele als Schock bezeichnete, kann Lisa Mayer ihr Gutes abgewinnen. Eine Verletzung hat die 24-jährige Sprinterin lange außer Gefecht gesetzt. Der letzte Freiluft-Wettkampf der Staffel-Vierten von Rio war 2017. "Ich bin dankbar, denn ich gewinne Zeit, um meinen Körper zu stärken und einige Dinge auszuprobieren." Der Schützling von Rüdiger Harksen ist überzeugt: "Ich kann nächstes Jahr in besserer Form an den Start gehen." Zweifel an Tokio 2021 blendet sie vollkommen aus: "Sonst würden mir im Training die letzten ein, zwei Prozent zum Quälen fehlen."
Ungewissheit setzt die Sportler unter Stress. Das war auch vor der Verschiebung der Spiele so, die viele als befreiend wahrgenommen haben. Das sagt ein Projekt des Uniklinikums Freiburg aus, an dem die frühere Weltklasse-Schwimmerin Petra Dallmann beteiligt ist, die sich inzwischen als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie auch um Sportler kümmert. Die Ärzte stellen paralympischen Athleten jede Woche vier Fragen. Ihre Feststellung: Während des Lockdowns war die Belastung höher, sobald die Verschiebung der Spiele bekannt gegeben wurde, ging’s den Athleten besser.
Zumal die Spitzensportler auch weiterhin finanziell gefördert werden. Programme wurden gestreckt oder erneuert. Dazu passt die Botschaft von Rainer Arens. Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Heidelberg kündigt an, auch das Team Paris 2024 zu unterstützen.
Dann ist Rüdiger Harksen wohl nur noch als Zuschauer dabei. Der Leichtathletik-Trainer-Guru vom Stützpunkt Mannheim freut sich, dass die DM in Braunschweig in 14 Tagen zwar ohne Zuschauer, dafür aber mit ARD und ZDF stattfinden kann, eine gewisse Normalität zurückkehrt und auch der Sport abseits des Fußballs wieder einmal in den Medien vertreten ist: "Wir haben aus der Situation noch das Beste gemacht!"