Von Michael Wilkening
Kumamoto/Mannheim. Am Samstag starten die deutschen Handball-Frauen bei der Weltmeisterschaft in Japan mit der Partie gegen Brasilien ins Turnier. Das Team des Deutschen Handballbundes (DHB) möchte mit einer starken Leistung für Aufsehen sorgen und gleichzeitig die Hoffnung auf die Olympischen Spiele im nächsten Jahr aufrechterhalten. Als Leistungsträgerin soll die gebürtige Mannheimerin Julia Behnke, die als Mädchen für die HSG Mannheim und die TSG Ketsch spielte, mithelfen, im starken Teilnehmerfeld zu bestehen. Behnke ist als Kreisläuferin und im Innenblock gesetzt und wagte im Sommer einen ungewöhnlichen Weg – sie wechselte nach Russland.
Julia Behnke, wie viel WM steckt in Ihren Gedanken und wie viel Olympische Spiele, die acht Monate später in Tokio stattfinden werden?
Die Olympischen Spiele sind ein Traum, das ist gar keine Frage. Aber eine Welt- oder eine Europameisterschaft ist ebenfalls eine riesige Erfahrung. Es klingt vermutlich langweilig, aber ich denke im Moment nur von Tag zu Tag.
Was soll mit dieser Methode am Ende der WM herauskommen?
Wir wollen uns einen Platz für ein Olympia-Qualifikationsturnier sichern. Dafür müssen wir mindestens Siebter werden, das haben wir uns zum Ziel gesetzt.
Auf diesem Weg hatte die deutsche Mannschaft kein Losglück, in der Vorrunde warten schwere Brocken.
Ja, das ist eindeutig so. Schon das erste Spiel gegen Südamerikameister Brasilien wird sehr wichtig. Außerdem haben wir Weltmeister Frankreich, Dänemark und Asien-Champion Südkorea bei uns in der Gruppe. Ich würde sagen, dass wir die schwerste der vier Vorrundengruppen erwischt haben. Aber darüber lamentieren bringt nichts, wir müssen die Herausforderung annehmen.
Und einen der ersten drei Plätze belegen, um in die Hauptrunde einzuziehen.
Genau, das wird keine einfache Aufgabe. Aber die anderen Mannschaften haben sicher ebenso viel Respekt vor uns wie umgekehrt.
Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr landete das deutsche Team auf Rang zehn, bei der Heim-WM vor zwei Jahren kam das Aus im Achtelfinale. Woher der Optimismus?
Im vergangenen Jahr bei der EM stand am Ende der zehnte Rang, aber wir haben viele gute Spiele gemacht, unter anderem Norwegen geschlagen. Im entscheidenden Spiel in der Hauptrunde haben wir zu viele Fehler gemacht und gegen Ungarn knapp verloren, das hat uns eine Top-Platzierung gekostet. Diese Erfahrung wird uns diesmal helfen, ich denke, wir sind weiter als vor einem Jahr.
Apropos Erfahrung: Sie wechselten im Sommer in die russische Liga nach Rostow am Don. Wie sind Ihre Eindrücke in dieser neuen Welt?
Ja, das ist in der Tat eine neue Welt. Für mich ist das eine tolle Erfahrung, im Klub läuft alles sehr professionell ab. Das hat mir alles erleichtert, denn als ich zum erste Mal nach Russland geflogen bin, war da schon eine Unsicherheit, ob alles klappt.
Gibt es Anpassungsschwierigkeiten?
Mit dem Verein überhaupt nicht, aber es ist ein Wunder, dass ich bis jetzt ohne Unfall durch den Straßenverkehr gekommen bin. In Rostow herrscht mit dem Auto Anarchie. Man hat außerdem einzelne Tage, da fühlt es sich schon so an, als sei man am Ende der Welt. Insgesamt ist es jedoch eine tolle Erfahrung.
Und im Training?
Das ist vom Niveau jedes Mal wie ein Länderspiel. Da habe ich ein paar Wochen gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. In Rostow spielen neun russische Nationalspielerinnen und Russland ist aktueller Olympiasieger. Da geht’s richtig zur Sache, aber das hilft mir, mich weiterzuentwickeln.
Wäre es sinnvoll, wenn mehr deutsche Spielerinnen den Weg zu starken Klubs in Europa wagen würden?
Das bringt sportlich sicher etwas, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Da gibt es keine allgemeingültige Lösung.
Zum Abschluss noch eine Frage aus regionaler Sicht. Wie klappt die Verständigung mit Familie und Freunden aus Mannheim?
Das funktioniert gut, ich habe immer viel noch Kontakt in meine Heimat. Zum Glück gibt es in der heutigen Zeit Facetime. Mit Besuchen ist es schwierig, weil wenig Zeit ist. Und natürlich, weil es von Rostow aus sehr lange dauert, um nach Deutschland zu kommen.