Da kurbeln sie schon: Unmittelbar nach dem Start unter der Theodor-Heuss-Brücke lag das Teilnehmerfeld beim 15. Rollstuhlmarathon noch eng beisammen. Foto: Weindl
Von Christoph Ziemer
Heidelberg. Dänemark und Holland gelten nicht nur in Deutschland als wunderschöne Urlaubsländer. Aus Sicht der Rollstuhlfahrer haben sie zudem einen entscheidenden Vorteil: Sie sind wunderbar flach. Eine bessere Vorbereitung für den Heidelberger Rollstuhlmarathon als die Strecken in seiner Heimat könne er sich kaum vorstellen, sagt Michael Jorgensen. "Die ebenen Straßen rund um den Kurs in Heidelberg sind da natürlich kein Problem für mich", grinst der mehrfache dänische Meister.
Zum dritten Mal ist er heute an den Neckar gereist, mit einem neuen Weltrekord geht es für den 40-Jährigen zurück in die Heimat. 57:06 Minuten benötigte der Däne, um die alte Bestmarke des Niederländers Jetze Plat zu unterbieten. Nach der ersten der zwei zu absolvierenden Runden hatte es danach zunächst aber nicht ausgesehen.
Eine vierköpfige Spitzengruppe um Plat hatte sich von Beginn an abgesetzt, benötigte für die erste Runde bei äußerlich angenehmen Bedingungen und rund 20 Grad aber 29 Minuten. Er wolle eigentlich nur Spaß haben, ließ der Holländer noch kurz vor dem Start verlauten, den Weltrekord wollte er seinem Team dann aber doch bescheren.
Gemeinsam mit seinem Mannschaftskollegen Michael Jorgensen und dem Belgier Jonas Van de Steene wechselte sich Plat an der Spitze ab - bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h. Den Weltrekord überließ der holländische Meister großzügig seinem Teamkollegen, beim Gesamtsieg aber war Plat zu keinen Kompromissen bereit.
Nach 42,195 km wird die offizielle Marathonzeit gestoppt, doch das Rennen in Heidelberg dauert exakt 44 Kilometer. Genug Zeit also für Plat, noch für klare Verhältnisse zu sorgen. Im Schluss-Sprint hatte der 28-Jährige noch die Muße, kurz seinen Zeigefinger in den Heidelberger Himmel zu recken, bevor es nach einer Stunde und 40 Sekunden über die Ziellinie ging. Sieg-Mission erfüllt.
Vom Podium hatte eigentlich auch Jürgen Döringer geträumt. Der Kriminal-Beamte vom adviva-Team hatte sich wie immer akribisch auf sein Heimrennen vorbereitet, doch das Tempo der Spitzengruppe war zu hoch. "Ich konnte am Anfang noch mitgehen", berichtete der 53-Jährige. Dann aber musste auch er abreißen lassen. Fortan war der Heidelberger auf sich allein gestellt und fuhr ein einsames Rennen: "Auf dieser Strecke ist das tödlich, zumal der Wind noch ordentlich geblasen hat." Eine passable Zeit sei danach kaum noch möglich gewesen; lieber ließ sich Döringer etwas zurückfallen, um anschließend vom Windschatten der Verfolgergruppe zu profitieren. Was sich für den Lokalmatadoren durchaus lohnte: In seiner Startklasse H3 war Döringer am Ende der schnellste Deutsche, im Gesamtklassement landete der Kurpfälzer auf Rang zwölf. Erschöpft seien seine Arme nun, gab Döringer zu: "Das wird sich aber auch wieder relativ schnell legen."
Die 15. Auflage des Heidelberger Rollstuhlmarathons war temperaturmäßig eine der bislang angenehmsten. Keine Sahara-Party wie in den vergangenen Jahren, kein Aquaplaning, keine Unfälle. Dass das Teilnehmerfeld mit Startern aus 16 Nationen diesmal etwas ausgedünnt war, hatte seinen Grund.
Parallel zur Veranstaltung in Heidelberg fanden diesmal ausgerechnet die Deutschen Meisterschaften statt, bei denen man sich zudem für die Paralympics in Tokio qualifizieren konnte. Mit Vico Merklein fehlte deshalb gestern zudem der Titelverteidiger. Dem Wolturnus-Team spielte die Abwesenheit zahlreicher Top-Athleten in die Karten.
"Natürlich wäre es viel schwerer geworden, sich nach der ersten Runde abzusprechen", gibt Weltrekord-Mann Jorgensen zu. "Wenn dauernd jemand hinter dir fährt, musst du bei der Kommunikation höllisch aufpassen. Zu dritt war es wesentlich angenehmer. Das dauernde Belauern fällt weg, man kann wesentlich konzentrierter fahren."
Lob gab es auch vom Oberbürgermeister. Eine fantastische Sportveranstaltung auf internationalem Niveau sei der Rollstuhl-Marathon, findet Eckart Würzner, der gestern nicht nur den Startschuss abfeuerte, sondern vor einigen Jahren noch selbst mitgefahren ist: "Das sind körperliche Höchstleistungen, die hier erbracht werden. Mit welcher Geschwindigkeit man unterwegs ist, das war auch für mich eine irre Erfahrung. In den engen Stellen benötigt man höchste Konzentration." Diese hatten gestern alle Teilnehmer - Unfälle gab es keine.
Die Länder Dänemark und Holland drückten dem Rollstuhl-Marathon diesmal ihren Stempel auf. Laut internationalen Umfragen gehören die Einwohner dieser Länder regelmäßig zu den glücklichsten Menschen der Welt. So wie gestern Michael Jorgensen. "Ich bin einfach nur happy", sprach der Däne: "Toller Ort, gutes Wetter, gutes Rennen. Ich komme wieder."