Von Roland Karle
Obrigheim. Keine Atempause, Gewichte werden gemacht, es geht voran: Die leicht abgewandelte Zeile dieses Hits, den die Gruppe Fehlfarben zu Zeiten der neuen deutschen Welle liederlich unters Volk brachte, hat Ivan Markov höchstwahrscheinlich noch nie gehört. Aber er hält sich streng daran. Anfang April will der Bulgare bei der Europameisterschaft in Albanien ganz vorne landen - und weicht deshalb keinen Deut von seinem Trainingsplan ab. Der sah am Wochenende eigentlich gar keinen Wettkampf vor, aber weil der SV Obrigheim im ersten von zwei Halbfinals gegen den Berliner TSC ranmusste, absolvierte Markov einen Teil seines Trainings auf großer Bühne.
Ganz zur Freude der rund 900 Zuschauer in der dicht besetzten Neckarhalle. Markov steuerte 190,2 Punkte zum ungefährdeten 867,4:700,8-Sieg der Gastgeber bei, die allenfalls noch durch äußere Gewalt vom Einzug in den DM-Endkampf abzubringen sind. Der Rückkampf am 2. März in der Hauptstadt, so viel darf man wagen zu sagen, wird ein sportlicher Spaziergang. Das "Finale dahoam" am 20. April - es ist angerichtet.
Als sich seine Kollegen nach getaner Arbeit ihr Feierabend-Bier gönnten, kämpfte Markov einen Stock tiefer im Trainingsraum schon wieder mit Gewichten. Kniebeugen standen noch auf dem Programm, und am Sonntagmorgen erneut eine Übungseinheit, ehe der Olympia-Fünfte von London zusammen mit seinem Trainer Rumen Teodosiev wieder zurück in seine Heimat flog. In zwei Wochen beim Rückkampf in Berlin wird Markov nicht dabei sein, erst wieder im Finale.
Am Samstag machte indes nicht nur der 84-Kilo-Mann den sportlich einseitigen Wettkampf zu einer kurzweiligen Angelegenheit. "Das war ein richtig guter Auftritt unserer Athleten. Sie heben bereits auf hohem Leistungsniveau und technisch stark", fasste der Sportliche Leiter Edmund Ehrmann seine Eindrücke zusammen. Seine Jungs mussten nicht ans Limit gehen, um ihr drittbestes Saisonergebnis zu erzielen. Da konnten es sich Nationalheber Jakob Neufeld und Alexander Oberkirsch sogar erlauben, im Stoßen am Ende höher zu steigern als ursprünglich vorgesehen. Neufeld bestellte gleich sechs Kilo mehr, Oberkirsch wollte im Schlussakkord um fünf Kilo zulegen. Beide Versuche gingen schief und so mussten die Obrigheimer Mittelgewichtler ihre Berliner Kontrahenten Robert Joachim und Michael Müller an sich vorbeiziehen lassen. Die EM-Kandidaten holten 152 beziehungsweise 149,8 Punkte und belegten in der Tageswertung hinter Markov Platz zwei und drei. Neufeld (146) und Oberkirsch (145) hatten das Nachsehen. Nun ja, ein Schönheitsfehler, den sich die dominierenden Obrigheimer locker leisten konnten. Ebenso wie das Fehlen der jungen Matthäus Hofmann (18 Jahren), der wegen Knieschmerzen geschont wurde, und des an der Schulter lädierten Nico Müller (19).
Schwer auf Zack war am Samstag der Leichteste. Knapp 63 Kilo brachte Adrian Müller auf die Waage, was ihn nicht davon abhielt, 110 Kilo zu reißen - persönliche Bestleistung. Im Stoßen setzte der mit 17 Jahren jüngste Obrigheimer noch einen drauf. 130 Kilo bedeuten für ihn Saisonrekord. Wie Müller und Markov präsentierten sich auch Marco Frick (118 Punkte) und Rene Horn (140,2) ohne Fehl(versuch) und Tadel. Was nicht selbstverständlich ist: Frick muss die Dreifachbelastung von Studium, Nebenjob und Sport bewältigen, während Horn krankheitsbedingt eine ganze Woche lang nicht trainieren konnte.
Eine knappe Autostunde entfernt standen sich im zweiten Halbfinale der West-Vizemeister AV Speyer und der deutsche Meister Chemnitzer AC gegenüber. 824,2:762,8 gewannen die Gäste, die mit Tom Schwarzbach (154,8 Punkte) auch den besten Heber des Wettkampfs in ihren Reihen hatten. Knapp dahinter kam Nationalmannschaftskollege Almir Velagic mit 152 Punkten ins Ziel. Trotz der Heimniederlage gibt es Grund zur Freude in Speyer. Jürgen Spieß, zweimaliger Olympia-Teilnehmer, meldete sich nach langer Verletzungspause zum Hanteldienst zurück. Sechs fehlerlose Versuche, 320 Kilo im Zweikampf und 121 Punkte sind für den 102-Kilo-Athleten ein ermutigender Wiederbeginn.
Die zwei Sieger und der punktbeste Verlierer aus dem Halbfinale werden zwei Wochen nach Ostern in der Neckarhalle den deutschen Mannschaftsmeister unter sich ausmachen. Nach den Ergebnissen vom Wochenende kann man die Glaskugel getrost beiseiteschieben und diese Prognose wagen: Beim Gewichtheber-Gipfeltreffen werden sich Obrigheim, Chemnitz und Speyer gegenüberstehen.