Von Rainer Kundel
Mannheim. Die Adler erweisen sich immer mehr als Aufbaugegner. Personell arg gebeutelt, holten nacheinander die schlecht gestarteten Iserlohn Roosters und Grizzlys Wolfsburg die volle Ausbeute gegen die Mannheimer. Und die Fischtown Pinguins Bremerhaven, immer noch ein Synonym für den typischen Liga-Underdog, kamen nach vier Niederlagen in Serie schon zum zweiten Saisonsieg gegen die Blau-Weiß-Roten.
Die Situation ist vertrackt, fünf bis sieben verletzte Leistungsträger verkraftet in der (noch) ausgeglichenen Liga kein Klub. Aber auch eine solche Situation ist schon mal da gewesen, wenn auch nicht in der absehbaren Langwierigkeit. Die Älteren unter den Fans werden sich erinnern: Am 25. Januar 1998 hatte Trainer Lance Nethery noch sieben Verteidiger und sechs Angreifer zur Verfügung - und es ging gegen die Frankfurter Löwen. Prestige pur im Friedrichspark, ein Kampf auf Biegen und Brechen. Der Meistertrainer griff damals in die große Taktikkiste, ließ mit vier Verteidigern spielen und beorderte je einen gelernten Abwehrmann zu zwei Stürmern. Mit derart formierten Blöcken gab es nach einem 0:2-Rückstand einen 3:2-Sieg. Weil Rollenspieler wie Mario Gehrig (2) und Ole Dahlström auch Tore schießen konnten.
Damals einer der Protagonisten war der Belgier Mike Pellegrims (49). Inzwischen bei Pavel Gross in Wolfsburg in die Trainer-Lehre gegangen und seit Sommer Coach mit harter Hand beim heutigen Gegner Düsseldorfer EG (19.30 Uhr, SAP Arena), wird sich Pellegrims womöglich noch an diesen Sonntag kurz vor den Olympischen Winterspielen in Nagano erinnern.
Am Sonntag hat er mit der DEG Tabellenführer Nürnberg Ice Tigers gestürzt (2:0), mit einer beherzten Offensive und dem ehemaligen Jungadler Lukas Laub als Center der ersten (!) Reihe. Ein Kontrahent, gegen den die Adler einen Plan B brauchen. Der könnte heißen: Statt eines laufintensiven, aggressiven Forechecking ist in einer personellen Notlage eine defensivere Spielweise erlaubt. Auch wenn sich Trainer Sean Simpson bisher weigert, zu seinem Matchplan Stellung zu nehmen und beharrlich Vorstellungen wie ein 2:5 gegen Iserlohn und ein 2:6 in Wolfsburg schön redet ("Ich war zufrieden mit der Leistung der Jungs, zwei Tore trotz 0:5-Rückstand waren ein kleiner Sieg"). Das nimmt dem erfolgsbesessenen und bis auf eine Station auch stets erfolgreichen Trainer niemand mehr ab. Auch wenn er sich damit schützend vor einige verbliebene und teilweise ebenfalls angeschlagene Leistungsträger stellen will. Torhüter Dennis Endras redet Klartext. "Nach zwei Niederlagen müssen wir jetzt endlich mal wieder voll punkten."
Wer auf dem Eis dabei helfen kann, wird sich kurzfristig herausstellen. Mit den vom Klub herausgegebenen Prognosen über eine Ausfalldauer ist das so eine Sache. Gefährlich wird es, wenn Statements wie "von Tag zu Tag" abgegeben werden, es kann dann auch durchaus vier Wochen dauern. Und mit jedem Spieler, der sich zurückmeldet, wird ein neuer abgängig, siehe Neuzugang Andrew Desjardins nach nur einem Einsatz.
Wer in der aktuellen Lage auch immer das Wort "Mentaltrainer" in den letzten Tagen ins Spiel gebracht hat, es wäre ein falsches Zeichen. Weder Chris Hamilton (November 2007 bei Greg Poss) noch der von vielen so geschätzte Sportpsychologe Dr. Saul Miller, den Harold Kreis während der desaströsen Playoff-Serie 2013 gegen Wolfsburg via Skype in die Kabine schalten ließ, haben etwas bewirkt, nicht einmal kurzfristig.
"Wir brauchen einen Sieg, der hilft uns am meisten", sagt Manager Teal Fowler und fordert: "Wir müssen unser System der Situation anpassen." Was nicht ganz einfach ist, denn der 46-Jährige gesteht ein, dass die Kader-Zusammensetzung im Bestreben, attraktives Eishockey zu bieten, nicht dazu geeignet ist, ein 1:0 zu verteidigen.
Es gibt genügend Beispiele in der Liga, dass bei einer "kurzen" Bank jeder fünf Prozent mehr gibt, um enge Spiele auf seine Seite zu ziehen. Damit sind nicht Gegner wie München oder Berlin gemeint, aber solche Klubs, bei denen selbst der verbliebene Mannheimer Kader bei gehöriger Arbeitseinstellung und Konzentration noch auf Augenhöhe sein muss. Und dazu zählt allemal die DEG.
Deutsche Eishockey Liga, heute, 19.30 Uhr: Adler Mannheim - Düsseldorfer EG.