Wiesloch. (oé) Das abgelaufene Jahr war in der Weinstadt vor allem von einem Thema geprägt, das sich wie ein "roter Faden" durch das ganze Jahr zog - angefangen schon beim Neujahrsempfang 2018: Gemeint ist die Erarbeitung eines "Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts" (Insek), das den "großen Rahmen" abstecken soll, wohin die Reise für Wiesloch in der kommenden Dekade und darüber hinaus geht. Im Mittelpunkt stehen dabei die drei "großen Blöcke" Wohnen, Gewerbe und Verkehr, aber es geht auch um Fragen wie Stadtmarketing oder Tourismus. Dabei sollten die Ideen nicht "im stillen Kämmerlein" entwickelt werden, sondern in einem offenen Prozess unter möglichst intensiver Beteiligung der Bevölkerung.
OB Dirk Elkemann zeigte sich jetzt im Jahresabschlussgespräch "im Großen und Ganzen sehr zufrieden" mit dem Prozess und den Ergebnissen - besonders mit der Beteiligung der Bürger. "Die Wieslocherinnen und Wieslocher interessiert es sehr, was in ihrer Stadt passiert, und sie wollen auch mitbestimmen, in welche Richtung es geht", sagt der Oberbürgermeister. Dies sei auch von Anfang an die Intention des Konzepts gewesen. Kein Entscheidungsprozess "top-down", also von oben nach unten, sondern das genaue Gegenteil: "Wir wollten das Konzept mit den Bürgern entwickeln, die ja auch ihre Wohnquartiere am besten kennen und die tiefsten Einblicke haben", so Elkemann.
Allerdings muss man sich in einem solchen Prozess auch davor hüten, dass am Ende vielleicht Partikularinteressen überwiegen. Deshalb stand für den OB von Beginn an fest, dass das Konzept am Ende einer "Draufsicht durch das politisch gewählte Organ" - also den Gemeinderat - nach "möglichst objektiven Kriterien" bedarf. Das ist inzwischen in einer Klausurtagung geschehen, bei der die Verwaltung auch noch "einige Hausaufgaben" mit auf den Weg bekommen hat. Im Frühjahr 2019 soll es dann eine abschließende Beratung des Gemeinderats und schließlich eine Abschlussveranstaltung mit der Präsentation der Ergebnisse geben. Das fertige Produkt wird dem OB zufolge dann ins Netz gestellt und ist so für jeden einsehbar: ein "Leitfaden" für die Stadtpolitik der kommenden Jahre.
Gerade in der Stadtentwicklung wurde im abgelaufenen Jahr schon manches angestoßen, das auch in das Gesamtkonzept einfließt: Der OB nennt das Steinberg-Quartier in Altwiesloch (ehemals Biwu), das PZN-Gärtnereigelände, die Flächenkonversion der ehemaligen Wellpappe und nicht zuletzt die Arrondierung Frauenweilers, wo neben kleineren Wohnflächen auch neue Gewerbeflächen an der Landesstraße L723 entstehen sollen. Eine Machbarkeitsstudie für Letztere ist bereits in Auftrag gegeben - dies vor allem unter einem Aspekt: der Frage nämlich, wie sich die schwierigen Eigentumsverhältnisse mit vielen kleinen Privatgrundstücken dort so regeln lassen, dass eine städtebauliche Entwicklung angestoßen werden kann.
Vieles also ist dem OB zufolge "in der Pipeline". Aber er hat auch Verständnis dafür, wenn sich jüngst (nicht zuletzt im Gemeinderat) einige Ungeduld geregt hat - gerade auch, was den Abschluss des Wohngebiets "Äußere Helde" angeht. "Ich bin auch ungeduldig", sagt Dirk Elkemann. Aber gerade bei der "Äußeren Helde" gehe für ihn "Qualität vor Zeit". "Wir sind bestrebt, alles rechtssicher zu machen", so der OB. Damit es nicht erneut zu größeren Verzögerungen aufgrund von Rechtsunsicherheiten komme. Er wolle das Projekt "Äußere Helde" "in Bälde abschließen - aber nicht mit Hektik". Gerade bei der Erschließung von Wohngebieten seien "unheimlich viele Themen zu beackern".
Ein "langer Kampf" war dem OB zufolge auch ein anderes kommunalpolitisches Großprojekt: der Neubau der Gemeinschaftschule am Schulzentrum, für den im abgelaufenen Jahr der Startschuss mit dem ersten Spatenstich gefallen ist. Für den OB "der Vollzug einer richtungsweisenden Entscheidung" und zugleich die Erfüllung einer Verpflichtung, welche die Stadt dem Land gegenüber schon 2014 eingegangen ist - nämlich geeignete Räumlichkeiten für die Gerbersruh-Gemeinschaftsschule zu schaffen.
Die Große Kreisstadt Wiesloch aus der Vogelperspektive: im Vordergrund das Neubaugebiet "Äußere Helde", dessen (reduzierter) zweiter Bauabschnitt (auf der Ackerfläche ganz rechts unten) derzeit in der Planung ist. Foto: Pfeifer
Auch die Standort-Entscheidung war dem OB zufolge goldrichtig - und zwar aus ganz pragmatischen Gründen. "Landesregierungen kommen und gehen. Schultypen werden mal mehr, mal weniger stark frequentiert und auch das Anmeldeverhalten der Eltern kann schwanken", sagt er. Da ist es gut, flexibel reagieren zu können. Das sieht der Rathaus-Chef mit dem Neubau-Standort Schulzentrum gewährleistet. Der Neubau kann sowohl von der Gemeinschaftsschule wie auch von der Realschule genutzt werden - je nachdem, wie sich die Schülerzahlen künftig entwickeln. Das Gebäude selbst wird in Modulbauweise errichtet und deshalb recht schnell stehen, wenn die Bodenarbeiten erst einmal abgeschlossen sind. Ziel ist die Fertigstellung im Herbst 2020.
Damit sind aber noch nicht alle Probleme gelöst. Viel diskutiert wurden im Vorfeld die Essens- und Hallenkapazitäten am Schulzentrum. Derzeit findet an der Mensa bereits ein Probebetrieb mit den Gerbersruh-Schülern statt und der OB ist optimistisch, dass der Betrieb funktionieren wird, wenn sich die Schulen auf ein Zeitraster einigen. Schwieriger wird es bei den Sporthallen-Kapazitäten. Da sehen die Fachleute im Rathaus und an den Schulen über kurz oder lang eine "Riesenherausforderung" auf die Stundenplaner zukommen, wenn sie für alle einen geordneten Sportunterricht garantieren wollen. Deshalb stellen sich die Fachleute dem OB zufolge auf den Standpunkt, dass zusätzliche Sporthallenkapazitäten gebraucht werden. Dies sei bislang im Gemeinderat aber "nur als These in den Raum gestellt" worden - "mit Finanzmitteln hinterlegt" sei ein eventueller Sporthallenbau noch nicht.
Schon jetzt sind die finanziellen Lasten für die Kommune enorm. Für die Gemeinschaftsschule (19 Millionen), die Sanierung der Realschule (10) und den Neubau des Postillon-Kindergartens am Standort der ehemaligen Kelterhalle (3,4) sind allein schon über 30 Millionen Euro fest verplant. Der Hochwasserschutz, das Baiertaler Feuerwehrhaus und weitere Projekte binden mittelfristig weitere Mittel in Form von Verpflichtungsermächtigungen - nochmals in einer Größenordnung von rund 30 Millionen Euro.
Ein Großteil davon muss über Darlehen finanziert werden. Dabei ist die Haushaltsentwicklung der Weinstadt aktuell gar nicht einmal so schlecht. 2019 weist der Etat unterm Strich ein Plus von 1,6 Millionen Euro aus. Für einen "doppischen" (kaufmännischen) Ergebnishaushalt (der auch Abschreibungen einkalkuliert) sei das keineswegs selbstverständlich, so der OB. Und auch bis ins Jahr 2022 werden positive Haushaltsergebnisse prognostiziert, schlimmstenfalls eine "rote Null".
Trotzdem reichen die Eigenmittel nicht, neue Darlehen werden erforderlich. Das geht, solange die aktuelle Zinslage anhält, wird aber zur "Herausforderung", wenn die Zinsen steigen. Darüber macht sich der OB keine Illusionen. Zudem wachsen mit den "gewaltigen Investitionen" künftig auch die Abschreibungen, die im Haushalt abgebildet werden müssen. "Sie drücken auf das Ergebnis." Fazit: "Mit den gleichen Einnahmen können wir den Haushalt langfristig wohl nicht ausgleichen."
Was bleibt zu tun? Die Antwort des OB lautet: Mehr Gewerbe, mehr Einwohner. Außerdem werde weiter jede Ausgabe auf den Prüfstand gestellt und es gelte der Grundsatz: "Wenn wir ein neues Gebäude schaffen, wollen wir dafür ein altes aufgeben." Beispiel Gerbersruhschule: Hier müsse man entscheiden, ob man das Areal nach dem Umzug der Schule verkaufe oder aber für eigene Zwecke nutze und dafür anderswo Nutzungen aufgebe.
Ein Diskussionsthema war 2018 auch die rege Bautätigkeit in der Innenstadt, wo gleich mehrere Großprojekte laufen. "Keine rosige Zeit" für den Einzelhandel, der es wegen der damit verbundenen Einschränkungen (Baulärm, Verlegung der Wochenmärkte) schwer hat, seinen Umsatz zu halten, wie der OB freimütig einräumt. Er spricht von einer "Durststrecke", aber "mit Perspektive": nämlich einer "weiterhin sehr attraktiven Innenstadt", von der alle profitieren würden. Dies werde auch schon sichtbar - etwa beim neuen Ärzte- und Geschäftshaus am ehemaligen Schlecker-Gebäude. Auch, dass der künftige "Kubus am Adenauer" (ehemals Dannheimer) allmählich Form annimmt, freut den OB sehr. Für ihn ist dieses Projekt ein "Kernthema für die Innenstadt", bis zum Frühjahr 2020 soll es fertig sein.
Beim Verkehr konzentrieren sich aktuell alle Bemühungen auf den Ausbau der L723: zunächst des Kleeblatts B3/L723, für das die Stadt das Planungsrecht schafft (das Problem Hochwasserschutz ist inzwischen "weitgehend gelöst"); dann des vierspurigen Ausbaus der L723 (alte B39) bis nach Rauenberg. Im Rahmen des regionalen Mobilitätspakts besteht Einigkeit mit dem Land, dass die Beseitigung dieses "Nadelöhrs" sein muss. "Wir treiben das mit Hochdruck voran", sagt der OB, "wohl wissend, dass für die Pendler jeder Tag einer zu viel ist." Aber es handle sich hier um "langwierige Prozesse".
Das gilt erst recht für eine Umgehung Altwieslochs, die im Rahmen des städtebaulichen Entwicklungskonzepts wieder ein Thema werde - allerdings eines, für das es "einen ganz langen Atem" braucht. Selbst dann, wenn er "heute den Auftrag bekäme und alle sich einig wären", wie der OB sagt. Er sei grundsätzlich dazu bereit, doch dürfe man nicht glauben, dass nach einem Beschluss "die Straße binnen fünf Jahren da ist". Viel eher wird es 20 Jahre dauern, fürchtet der OB. Umso wichtiger seien Alternativen für eine Entlastung vor allem Altwieslochs. Wie das gehen könnte, darauf gebe es allerdings noch keine "schlüssige Antwort", räumt Dirk Elkemann freimütig ein.
Anderswo ist man schon deutlich weiter: etwa bei der Komplett-Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende LED-Leuchten, die praktisch abgeschlossen ist (inklusive der Radwege nach Dielheim und Schatthausen). Oder bei der Versorgung Baiertals mit schnellem Internet. Zumindest für das Ortsnetz sollen die Arbeiten dieser Tage abgeschlossen werden, sodass man dank der "Brückentechnologie" Vectoring "vernünftig arbeiten kann", so der OB. "Einen Tick zu verzögern" scheint sich zwar der Anschluss des Baiertaler Gewerbegebiets an die Glasfaser-Infrastruktur. Und zwar wegen der Auslastung der Tiefbaufirmen. Trotzdem ist für den OB die Verbesserung der digitalen Infrastruktur in Baiertal "ein wirklicher Erfolg".
Für Dirk Elkemann gab es 2018 noch mehr Grund zur Freude, wie etwa der Umzug des HDM-Innovationszentrums nach Wiesloch mit 1000 hochwertigen Arbeitsplätzen. Oder das große bürgerschaftliche Engagement in der Weinstadt, das den OB mit Stolz erfüllt. So etwa im "Bündnis für Demokratie und Toleranz", das im September mit seiner Kundgebung auf dem Adenauerplatz ein "starkes Zeichen" gegen Rechts setzte. Beim Neujahrsempfang am 11. Januar wird sich der neue Verein vorstellen.