"Der Wald kämpft ums Überleben"
Hitze, Trockenheit und Schädlinge setzen den Bäumen in Sandhausen zu - Ein 2,5 Hektar großes Gebiet ist bereits abgestorben

Von Sabrina Lehr
Sandhausen. Rot-braune Flecken inmitten von Grün: Der Blick auf den Sandhäuser Gemeindewald aus der Vogelperspektive macht keine Freude. Inmitten von Kiefern und Eichen mit leuchtend grünen Nadeln und Blättern fallen immer wieder Bäume auf, deren Kronen vertrocknet wirken. Besonders augenfällig ist das Phänomen an den Sandhäuser Dünen nahe der Bebauungsgrenze. Hier sind auf einer Fläche von circa 2,5 Hektar sämtliche Bäume vertrocknet, wie auf dem Foto des Nußlocher Hobby-Meteorologen Jürgen Scheuermann zu sehen ist.
"Die Kiefern an dieser Stelle sind abgestorben", erklärt Revierförster Robert Lang, der seit 1. Januar dieses Jahres für den Sandhäuser Gemeindewald zuständig ist. "Leider ist das keine rein lokale Sache, sondern ein Problem des gesamten Waldes." Das "Problem" kann Lang konkret benennen: In der Rheinebene sei seit einigen Jahren die Klimaveränderung am stärksten in ganz Baden-Württemberg zu spüren.

Mit drastischen Folgen für den Wald: "Seit 2018 ist es im Sommer extrem trocken und heiß. Für die Bäume bedeutet das, dass sie in der prallen Sonne Temperaturen von 40 Grad und mehr ausgesetzt sind", erklärt der Förster. Dem seien die hiesigen Baumarten buchstäblich nicht gewachsen. Hinzu käme ein weiteres Phänomen: "Die Wurzeln der Bäume reichen nicht ans Grundwasser und der sandige Boden ist extrem trocken, also müssen sie ihren Flüssigkeitsbedarf durch die Niederschläge decken", erläutert er. "Im Winter regnet es zwar deutlich mehr als früher, was aber nichts bringt, denn im Sommer regnet es immer weniger." Das schwäche den Baum nachhaltig.
Im Falle der Sandhäuser Kiefern bedeutet das, dass Schädlinge stärkeren Schaden verursachen als bei einem gesunden Baum. Ungeziefer gibt es im Sandhäuser Gemeindewald vor allem drei: Maikäferlarven – die sogenannten Engerlinge – Borkenkäfer sowie Diplodia-Pilze. "Die Engerlinge befinden sich im Boden und ernähren sich von den Feinwurzeln der Kiefern", so der Revierförster. Diese wiederum seien aber für die so dringend benötigte Wasseraufnahme zuständig. Durch die Erwärmung käme es weiterhin zu größeren Borkenkäfer-Populationen. "Sie legen ihre Eier unter die Baumrinde. Beim Schlüpfen der Larven zerbrechen die Leitungsbahnen der Bäume und die Wasserversorgung wird unterbrochen", erklärt der Förster. Der Diplodia-Pilz befällt wiederum die Nadeln der Kiefer und zerstört deren Fähigkeit, die Verdunstung von Flüssigkeit zu kontrollieren. "Die Bäume vertrocknen also von allen Seiten", fasst Lang zusammen.
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Dass das Schicksal der Dünenkiefern die umliegenden Bäume noch nicht ereilt hat, führt Robert Lang auf Standortunterschiede zurück: "An anderen Stellen ist es auch trocken, dort kann es aber sein, dass der Untergrund etwas nährstoffreichen Lehm enthält oder womöglich alte Bachläufe dort entlang führen." Die Kiefern am Waldrand sind knapp 70 Jahre alt und bieten eigentlich durch ihre Größe den jüngeren Exemplaren beim Heranwachsen Schutz vor der prallen Sonne. Dieser Schutzmantel würde aber gerade zerstört. "Der Wald brennt vom Rand her auf", so Lang und wagt eine Prognose: "Auch der Rest trocknet aus, wenn wir keine Lösung finden."
Deshalb kommt es zu einer ungewöhnlichen Maßnahme: Junge und vor dem Austrocknen bedrohte Bäume auf einer Fläche von rund drei Hektar werden gegossen. Dies könne aber laut Robert Lang nur eine kurzfristige Maßnahme sein: "Mittelfristig müssen wir Aufforstung mit Arten betreiben, die mit den Bedingungen zurechtkommen." Dabei ziehe man auch mediterrane Baumsorten in Betracht. Doch die Zeit läuft: "Die Bäume sind am Rande ihrer Existenz und der Sandhäuser Gemeindewald kämpft um sein Überleben", warnt der Förster. Wenn es noch trockener und heißer werde, gehe das massive Waldsterben weiter. Und zwar in sehr kurzer Zeit.