Waibstadt/Aglasterhausen

Eine Geburt zwischen Lastwagen und Bundesstraße

Auf dem Parkplatz an der B292 kam Antonia auf die Welt. Schwester Sophie hat es auf dem Rücksitz miterlebt.

01.02.2023 UPDATE: 01.02.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 19 Sekunden
Dieses Foto entstand rund vier Stunden nach der Geburt der kleinen Antonia, die 2760 Gramm schwer war, als sie das Licht der Welt auf einem Parkplatz erblickte. Foto: privat

Von Anjoulih Pawelka

Waibstadt/Aglasterhausen. Dass Theresa Grünberger Töchterchen Antonia so auf die Welt bringen würde, damit hat die 31-Jährige nicht gerechnet. Anstatt im Sinsheimer Krankenhaus wurde das Mädchen auf dem Parkplatz zwischen Waibstadt und Sinsheim an der Bundesstraße B292 geboren.

Die Familie hatte wie schon bei Tochter Sophie eine ambulante Geburt geplant. Grünberger wollte ins Krankenhaus, dort entbinden und einige Stunden später wieder zurück ins Zuhause nach Aglasterhausen gehen. Am vergangenen Donnerstag am frühen Morgen hätten die Wehen begonnen, erzählt die Heilpädagogin, die aber auch sagt, dass es am Anfang nur ein "leichtes Ziehen" gewesen sei. Eigentlich waren es ja auch noch fast drei Wochen bis zum errechneten Geburtstermin. Also hat sie ihren Partner Philipp Förster geweckt. Der sollte aber erst noch etwas essen und sich dann langsam richten. 45 Minuten später waren die beiden startbereit. Doch da hatte Grünberger schon seit rund fünf Minuten sehr starke Schmerzen. "Die Wehen kamen alle zwei Minuten." Davon war das Paar ziemlich überrascht. "Es hat sich doch schnell gesteigert", sagt die Zweifach-Mama.

Also haben sie Tochter Sophie schnell in den Schneeanzug gepackt und zwei Saunatücher mitgenommen. Das war Grünbergers Idee, die Bedenken hatte, dass sie möglicherweise einen Blasensprung bekommt. Dann ist die Familie von Aglasterhausen aus in ihrem Kombi losgedüst. Förster am Steuer, Grünberger neben ihm und Sophie auf dem Rücksitz hinter ihrer Mama. Die eineinhalb-Jährige sollte im Krankenhaus von ihrer Oma abgeholt werden und Grünberger dann entbinden – so war zumindest der Plan.

Kurz vor Waibstadt war allerdings klar: Das wird nicht funktionieren. Die Schmerzen waren so intensiv, dass Grünberger wusste, dass sie es nicht mehr ins Krankenhaus schaffen werden. "Ich wollte es nicht wahrhaben", erzählt Förster. Doch Grünberger wusste genau, wie es sich kurz vor der Geburt anfühlt. "Ich konnte mich einfach noch verdammt gut an ihre Geburt erinnern", erzählt die 31-Jährige, und meint damit die Geburt ihrer ersten Tochter. Förster fuhr am Donnerstag indes weiter. "Sorry an die Leute, die ich um fünf Uhr morgens überholt habe", sagt der Ingenieur scherzhaft, denn an die Geschwindigkeitsbegrenzung hat er sich nicht ganz so sehr gehalten. Er betont aber auch, dass er niemanden gefährdet habe.

Auch interessant
Bahn: Geburt im ICE Paris-Stuttgart: Sonderhalt für kleinen Félix

Und dann kam der Kopf raus. Als Grünberger das ihrem Partner sagte, konnte der das gar nicht glauben. Da war das Paar ungefähr auf der Höhe von Waibstadt. Also habe er erst einmal einen Blick zu ihr geworfen, um zu kontrollieren ob das stimmt "was die mir erzählt", berichtet der 32-Jährige und lächelt dabei seine Partnerin an. Die machte indes den Sitz des Subaru Outback so gut wie möglich nach hinten und legte ihre Füße aufs Armaturenbrett. Förster fuhr dann auf den Parkplatz an der B 292 in Nähe der Mülldeponie, stieg aus, rannte ums Auto, machte die Beifahrertüre auf und hatte wenig zu tun, denn Grünberger wollte nicht, dass er das Köpfchen rauszieht, sondern sie das kleine Mädchen langsam herausdrückt. Das ging alles ganz schnell. Wie "in einem Fluss", erzählt Förster.

Dann war Antonia auf der Welt. Nachdem klar war, dass das kleine Mädchen atmet und auch noch einen Laut von sich gegeben hatte, wickelten sie die beiden in eines der Handtücher und drehten die Lüftung voll auf. Vieles, was um die jungen Eltern geschah, haben sie gar nicht richtig mitbekommen. So wissen sie zwar, dass auf dem Parkplatz mindestens ein Lastwagen stand, doch gesehen haben sie niemanden. Laut sei es auch nicht gewesen, denn vor Schmerzen geschrien habe Grünberger auf dem Parkplatz nicht. "Auf Höhe von Waibstadt haben wir ganz Waibstadt beschallt", sagt Förster scherzhaft. Und auch wie Sophie reagiert hat, ging in dem ganzen Trubel unter. "Was Sophie getan hat, wissen wir bis heute nicht", sagt das Paar. Am Ortseingang von Aglasterhausen habe sie kurz geweint, ließ sich aber gut beruhigen und während der Geburt der kleinen Schwester sei sie wach gewesen, habe aber nichts gemacht.

Die frisch gebackene Familie hat dann den Notruf gewählt. Man sei aber schnell zur Übereinkunft gekommen, dass es schneller gehe, wenn kein Krankenwagen kommt, sondern die vier ins Krankenhaus fahren. Denn zum einen musste die Nabelschnur noch durchtrennt werden und auch die Plazenta war noch in Grünbergers Unterleib. Im Sinsheimer Krankenhaus wurde die Heilpädagogin in einem Metallstuhl und nacktem Unterkörper in den Kreißsaal gebracht. Rund vier Stunden später war die Familie wieder zu Hause. Auf der Geburtsurkunde steht allerdings nicht B292, sondern Sinsheim, denn es zählt der Ort, an dem die Nabelschnur durchtrennt und die Plazenta ausgeschieden wird.

Wenn Philipp Förster und Theresa Grünberger von der Geburt erzählen, dann sei es für die Zuhörenden immer eine ungewöhnliche Geschichte, doch die beiden empfinden das nicht so. Für sie war es natürlich und spontan. Grünberger nimmt sogar die Worte "berührend" und "schön" in den Mund. Sie habe sich ja auch eine schnelle Geburt gewünscht. "Im Nachhinein war’s gut, so wie es lief", erzählt Grünberger. Und was ist mit dem Auto? Die zwei Handtücher hätten fast alles aufgefangen. Die seien "Trumpf gewesen", findet Förster. Und auch die Ledersitze des Autos waren von Vorteil. Er sagt aber auch: "So extrem blutig war es auch nicht."

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.