Stadtpfarrer Wolfgang Oser feierte seinen letzten Gottesdienst
Ein großer Menschenfreund nimmt Abschied - 45 Jahre im Dienst, 21 davon in Sinsheim

Von Tim Kegel
Sinsheim. Die Menschen lieben Wolfgang Oser. Wolfgang Oser liebt die Menschen. Dies zeigte sich am Sonntag, der letzten Station einer innigen Beziehung: des katholischen Stadtpfarrers und seinen Schäfchen. Nach 45 Jahren als Pfarrer, davon die mit Abstand meisten – nämlich 21 – in Sinsheim, hört der kleine, große Mann auf. Minutenlang dauerte der Stehapplaus in der Kirche St. Jakobus.
Geschenke, wenn sie gut ausgesucht sind, weil sie von Herzen kommen, erzählen bisweilen viel über den Beschenkten: Eine feine Druckgrafik von Marc Chagall – Motiv: ein Fenster mit einer kleinen Kirche im Hintergrund – gaben ihm die evangelische Dekanin Christiane Glöckner-Lang und Oberbürgermeister Jörg Albrecht mit. Wer Oser kennt, der weiß von seinem Kunstsinn und dass er gerne mit Kunstschaffenden zu tun hat. Ein Buch mit potenziellen Lieblingsplätzen der Region schenkte ihm Thomas Hafner – als katholischer Dekan inzwischen zum Freund Osers geworden – dazu ein Modellauto, "mit Spritgeld im Anhänger, für künftige Unternehmungen". Geldgeschenke, sagt Oser, will er spenden. Die Luxus-Variante eines Vogelhäuschens stellte Kirchengemeinderatsvorsitzender Martin Burger neben den Altar: Oser ist auch ein großer Tierfreund. Man kennt ihn mit Schoßhund, er hat eine Schildkröte. "Ihr seid doch verrückt", sagte Oser, "was ihr mir da für ein teures Bild schenkt."
Der 73-Jährige sei "eine Institution für die Herzen", beschreibt ihn Burger; der gebürtige Südbadener stehe für Herzenswärme, Bescheidenheit, Menschlichkeit, könne das Evangelium mit lebensnahen und komplizierte theologische Inhalte mit einfachen Bildern wiedergeben. Osers spitzbübischer Humor habe das Sitzungsklima immer wieder gerettet – auch als es 2015 an die Zusammenlegung der Seelsorgeeinheiten ging. "Obrigkeitshörigkeit ist nicht dein Ding", hieß es. Oser selbst sagt, dass die Kirche "immer mehr an Einfluss und Sympathie" verliere; er kennt die Kirchenaustritte, die leeren Gottesdienste, "weshalb es notwendig ist, dass wir zusammengehen". Ökumene habe man mit Oser immer "über den Gartenzaun" praktizieren können, auch ganz real-räumlich betrachtet, sagt Glöckner-Lang. Die beiden sind Nachbarn.

Gesangssolisten und Streicher zelebrierten die Abschiedsmesse mit – Oser hatte sich die feierlichen Lieder so gewünscht. Und er hat mit Markus Pytliks modernem geistlichen Lied "Möge die Straße uns zusammenführen" nach einem irischen Volkslied zum Schluss für einen echten letzten Gänsehaut-Moment gesorgt sowie für manch feuchtes Auge bei den 100 geladenen Schäfchen und Weggefährten, die Oser nun in Richtung Eppelheim verlässt. Den Gottesdienst – hauptsächlich gestaltet von Hafner und Diakon Lothar Schindler mit Hilfe des Arbeitskreises Christlicher Kirchen – durchzog das Motiv des Hirten.
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Eine Wohnung im vierten Obergeschoss ist Teil seiner neuen Heimat, wie er sagt: "Dann kann ich zu Euch rüberschauen und mir sagen: Dazwischen ist nur dieser kleine Berg." Sinsheim sei – nachdem er zuerst nicht habe glauben können, "dass das geht" – für Oser zur echten Heimat geworden. Die, wie er es nannte, "verrückten Heimattage", die im Corona-Jahr in Sinsheim hätten stattfinden sollen und dann schmerzlich abgesagt wurden, seien "einer von zwei Gründen gewesen, weshalb Oser so lange im Dienst blieb: "Manchmal bin ich nachts im Bett gelegen", sagte er in Richtung von Stadtchef Albrecht, "und dachte an Dich, Jörg, wie es jetzt für Dich sein muss, das alles abzusagen." Der wichtigste Grund, länger in Sinsheim zu bleiben, seien "so tolle Vorgesetzte und evangelische Freunde gewesen".
Sichtlich bedauerte er es, beim Gottesdienst unter den Zeichen der Pandemie "nicht singen zu können". Oser, der gesellig ist, der gern isst und gern ein Glas Wein trinkt, hatte sich sehr gefreut, wenigstens über einen Stehempfang und ein paar letzte Gespräche auf dem Vorplatz seiner bisherigen Wirkungsstätte. Man habe seit März schon "sehr oft Sekt gekauft und wieder eingeräumt". Oser hat zugesichert, gelegentlich wiederzukommen.