Sinsheim: Flüchtlinge in Halle 6 erleben Welle der Hilfsbereitschaft

Nach dem Organisationsmarathon kümmern sich viele um soziale Strukturen - Blut- und Kleiderspende - Es wird überlegt, kleine Unterrichtseinheiten einzurichten

28.08.2015 UPDATE: 29.08.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 47 Sekunden

Ob diese drei ohne Kleiderspende für die Flüchtlinge zu Blutspendern geworden wären? Man weiß es nicht. Klar ist jedoch: Viele Menschen wollen jetzt helfen. Foto: Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Alles hat gestaunt: Der Spendenberg türmte sich auf der Stiege der Alten Kelter in Weiler, wo die DRK-Ortsvereine Hilsbach und Weiler nicht nur zur Blutspendeaktion aufgerufen hatten, sondern auch zur Spende von Kleidern und Kinderspielzeug für die rund 1000 Asylbewerber in Halle 6. Am Ende waren es 154 Blutspender, darunter 20 Erstspender. "Die freuen uns besonders", sagt Walter Trendl, der Einsatzleiter.

Allen war klar, dass gerade die hohe Erstspenderzahl - normalerweise ist die eher einstellig - auf die aktuelle Welle der Hilfsbereitschaft zurückzuführen ist. Viele junge Menschen kamen in die Alte Kelter; Kleidersäcke, Kinderbetten, Kinderwagen, Schuhe und Ähnliches im Gepäck. "Sogar aus Waibstadt, aus Eppingen und dem Raum Heilbronn waren Leute da", hat Frank Sebastian Becker vom Rotkreuz Hilsbach beobachtet. Die Spenden gingen noch am selben Abend in die Halle 6. Nicht vor Ort benötigte Ware wird über das Zentrallager der DRK Heidelberg an andere Notunterkünfte und Aufnahmezentren verteilt.

Eingespielt sind inzwischen die Strukturen und Abläufe in der Messehalle. Schon jetzt kommt man auf 12 000 Helferstunden. Es sind Menschen wie Karina Wolf, Rotkreuzlerin aus Epfenbach, die nach ihrem sozialen Jahr auf den Studienbeginn wartet und sich hier einbringt, im Kinderspielbereich. Auch Maren Türwächter, Erzieherin in Sinsheim, bringt sich hier ein. Bilder werden gemalt, einfache Begriffe in deutscher Sprache gelernt. Einsatzleiterin Caroline Greiner schildert ihre Eindrücke: "Es kommen auch viele junge Erwachsene, die mitbekommen, dass es hier um Sprache geht." Manchmal sei sie ganz verblüfft, "wenn man zum Dienst kommt und Flüchtlinge dir plötzlich ’guten Morgen’ oder ’schönen Tag’ wünschen."

Jetzt wird überlegt, ob es möglich ist, kleinere Unterrichtseinheiten für Erwachsene und Sprechstunden einzurichten. Sofern sich die Situation vor Ort nicht ändert - und im Moment gebe es keinen Grund zur Vermutung - könnte man auch das einrichten, sind die Verantwortlichen von DRK und Messe guter Dinge. Die Zahl der Kraichgauer Bürger, die inzwischen ihre Mitarbeit angeboten haben, lag gestern bei über 100. "Ein richtig dickes Dankeschön", sagt Caroline Greiner. Die Anfragen würden jetzt sondiert. Sachspenden würden jetzt keine mehr gebraucht.

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Helfen lautet das Gebot der Stunde. Mit Kommentaren zur Politik, zum Verhalten von Landes- und Bundesregierung angesichts der Krise, zu dem anderer EU-Staaten will sich keiner der hiesigen Akteure gegenüber der Zeitung äußern. Seine Perspektive der Dinge schildert Daniel Schmitt, einer von permanent zwischen zehn und 20 Wachleuten eines privaten Sicherheitsdienstes, die rund um die Uhr auf dem Gelände sind: "Ich war am Anfang sehr skeptisch", sagt der junge Mann aus Sinsheim, "habe aber meine Meinung geändert." Das Gros der Neuankömmlinge erlebt er als "nett, dankbar und erleichtert." Außerdem: "Es gibt überall zehn Prozent, die sich nicht an die Regeln halten."

Die Zahl der Flüchtlinge liegt immer noch bei 989, sagt Messe-Chef Andreas Wittur. Die Erhöhung auf 1200 wurde vom Ministerium nicht durchgesetzt. "Um die 1000 Menschen können wir handeln, damit es für alle zumutbar bleibt."