Sinsheim

Comedy-Duo Mundstuhl zelebrierte die Grenzübertritte

Wie zwei Bulldoggen mit Nieten-Halsband: Die beiden Comedians führten gesellschaftliche Normen ad absurdum.

20.11.2023 UPDATE: 20.11.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden
Ande Werner und Lars Niedereichholz (v.l.) trieben als Comedy-Duo Mundstuhl ihre Späße in der Dr.-Sieber Halle. Foto: Christiane Barth

Von Christiane Barth

Sinsheim. Sie mokieren sich über Schwule, Frauen, Hartz-IV-Empfänger, "Liliputaner" und lassen keine Gelegenheit aus, ihre Späße auch mal mit Diskriminierungen zu treiben. Die beiden Comedians und Podcaster Ande Werner und Lars Niedereichholz setzen sich als Comedy-Duo aus Frankfurt am Main über Gepflogenheiten hinweg wie zwei Bulldoggen mit Nieten-Halsband.

Rund 500 Gäste mögen es gewesen sein, die in der Dr.-Sieber-Halle gut gelaunt "Lalala" skandierten und damit das in Dur vorgetragene Lied der beiden hessischen Kultkomiker "Gewalt gegen Frauen" begleiteten. "Gewalt gegen Männer" ging wahlweise auch. Sie traten nicht zum ersten Mal in Sinsheim auf. Nach eigenem Bekunden üben sie hier aber nur. Wenn sie ihr Programm "Kann Spuren von Nüssen enthalten" richtig beherrschen, spielen sie in "richtigen Städten."

Die Besucher machten abermals Bekanntschaft mit den abgerissensten Figuren, die auch aus den Vorgängerprogrammen bekannt sind: mit dem Grillschorsch ("Ich liebe Fleisch!"), den Friedensaktivisten Malte und Torben ("Kein Druck"), den ostdeutschen Müttern Peggy und Sandy ("Schon wieder schwanger") oder Dragan und Alder ("Voll konkret").

Die beiden Komiker zelebrieren die Geschmacklosigkeiten und halten sich mitnichten an die gesellschaftlichen Normen. Sie gehen mit den "Wort-Nazis" ins Gericht, zeigen geschlechterneutraler Sprache den Stinkefinger und führen aufweichende Grenzen zwischen den Rollen von Mann und Frau ad absurdum.

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Das Duo tritt seit den 1990ern auf Bühnen sowie im Fernsehen auf und hat eine große Fangemeinde. Als Malte und Torben beschäftigen sich Werner und Niedereichholz mit den "angesagten Problemen unserer Gesellschaft" und sind im Wald auf Lösungsfindung, in dem sie es mit so mancher Forstwegschranke mutig aufnehmen.

Lasch, wie sie sind, finden sie das Material für ihre Protestsongs in den Geschichten, die sich die Bäume erzählen. Dabei widmen sie sich auch "extrem schwierigen Situationen" wie etwa Homosexualität: "In ländlichen Gebieten wie hier werden diese Probleme ja noch durch ‚Hinter dem Traktor herziehen‘ gelöst."

Was sie zu Kinderarbeit meinen? "Viele Kinder in Bangladesch werden schon allein deshalb gemobbt, weil sie keine Markenklamotten nähen." Beim Thema Inklusion macht sich im Sprachgebrauch ein wenig Unsicherheit bemerkbar: "Die Bezeichnung ‚Menschen mit Behinderung‘ war vor Kurzem noch zulässig. Kann man natürlich tagesaktuell überprüfen."

Flott stimmten sie auf der Gitarre ein Lied an: "Downie". Doch sie räumten ein, dass "das Wort nicht unumstritten ist", und gestehen: "Ganz korrekterweise hätten wir sagen müssen: Menschen mit einer Chromosomenanzahl-Veränderung." 

Doch müssen sie feststellen: Der korrekte Sprachgebrauch lässt sich schlecht singen. "Das Lied ist nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gemeint", stellen die beiden dann klar. In Sachen Häusliche Gewalt gegen Frauen wissen sie, dass jeder dritte Haushalt betroffen sei. "Seit Corona hat sich das Problem noch verschärft, inzwischen ist sogar jeder vierte Haushalt betroffen."

Dragan und Alder hingegen feiern tiefer gelegte Autos und den Subwoofer darin. "Da kriegst du krass Gehirnerschütterung." Das Auto wird übrigens allein vom Schalldruck des Subwoofers angetrieben: ein richtiges E-Auto also. Wenn Dragan in Heidelberg losfährt, hört Alder ihn bereits in Sinsheim.

Und auch das Rappen soll funktionieren, meint Alder. Aber der andere tut empört: "Laber mich net voll." Doch sei’s drum, Alder rappt gleich los und tut dadurch stolz kund, dass er mit Vorliebe auf Behindertenparkplätzen parkt.

Man mag zu diesen Grenzübertritten stehen, wie man will – geschmacklos oder auch nicht: Die beiden bringen das recht witzig rüber. Das Publikum zeigte sich jedenfalls begeistert.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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