Nachbar stinkt der Geruch und das stinkt dem Besitzer
Blauer Dunst und blanke Nerven in der Innenstadt

Nach vollem Aschenbecher und kaltem Rauch riecht’s im Gästezimmer von Rentner Friedrich D. - liegt’s am Rauchercafé seines Nachbarn Idris V.? Symbolfoto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Dicke oder heiße Luft in der Wilhelmstraße? Oder beides? Was hat es auf sich mit den Vorkommnissen rund um ein Raucherlokal in der Wilhelmstraße? Dem Nachbarn stinkt’s jedenfalls gewaltig. Friedrich D. (Namen geändert) sagt: "Seit das Dach saniert wurde, ist der Rauchgeruch unerträglich." Übernachtungen der Verwandtschaft zu Weihnachten im Gästezimmer habe er wegen des Rauchgeruchs absagen müssen; er ging aufs Ordnungs-, aufs Landratsamt und auch zur Polizei: Dem Besitzer und Verpächter des Lokals stinkt’s allmählich auch. Idris V. sagt: "Wir werden terrorisiert." Eine neue Abzugsanlage sei längst bestellt, wovon auch der Nachbar wisse.
Friedrich D. führt in sein Dachzimmer. Es grenzt Giebel an Giebel ans Nachbarhaus. Es ist früher Nachmittag. In dem kleinen, frisch sanierten Raum in der Dachschräge riecht es wahrnehmbar nach kaltem Rauch von Zigaretten. Der Geruch werde stärker, wenn sich das Café gegen 15.30 Uhr mit Leben fülle, schildert der Rentner, und nehme bis zum späten Abend zu.
Idris V. führt ebenfalls in sein Dach: Ein großer Dachboden; die kalte Luft wirkt fast rauchfrei. Idris V. zeigt eine Wand aus Betonblöcken, hinter der das Zimmer von Friedrich D. liegt: "Und hier soll Rauch durchgehen?", fragt er ungläubig.
Es ist Nachmittag, die ersten Gäste sind gekommen; überwiegend ältere Männer, die hier Karten spielen, Tee trinken, fernsehen, reden. Keiner raucht heute; Friedrich D. hat ein vorübergehendes Rauchverbot bewirkt; das Ordnungsamt kontrolliert die Einhaltung stichprobenartig, schickt Leute auf die Straße, wenn diese Zigaretten rauchen.
Friedrich D. reicht das nicht; er bleibt hartnäckig, beruft sich aufs Immissionsschutz- und Gaststättenrecht: Er und seine Partnerin hätten "Verwandte mit Lungenkrebs erlebt". Seit der Dachsanierung im Nachbarhaus im Spätherbst, in deren Zuge die Entlüftungsanlage deinstalliert werden musste, rieche es im Obergeschoss und den Schlafräumen "stark nach Rauch". Und überhaupt: Er müsse sich "doch wohl nicht noch rechtfertigen", dass er auf seinen "Gesundheitsschutz" poche. Der sei doch immerhin ein höheres Rechtsgut, als "die Rauchpause", die er seinen Nachbarn auferlegen will, "bis eine vernünftige Entlüftung eingebaut" sei.
Idris V. reicht’s: Als Selbstständiger müsse er tags und nachts erreichbar sein. Nun bekomme er "Anrufe mitten in der Nacht aufs Geschäftshandy", schildert er: "Die Nerven liegen blank." Er versichert, dass im Lokal seines Pächters "zur Zeit nicht geraucht" werde, man den Gästen aber nun offenbar auch "das Rauchen auf der Straße" verbieten wolle. "Das geht zu weit", findet der Geschäftsmann. "Wer mitten in die Stadt zieht, muss mit so etwas klar kommen."
Friedrich D. bleibt unnachgiebig: "Es riecht nach Rauch." Auch die Behörden kennen den Fall nur zu gut, mahnen "die Verhältnismäßigkeit"an, das heißt: Rauchverbot im Innern des Lokals, bis eine genehmigungsfähige Abluftanlage installiert wird. Eine vorübergehende Schließung des gut gehenden Treffs - wie Friedrich D. sie gerne hätte - schieße übers Ziel hinaus, sei außerdem nicht durchsetzbar und würde den Betreiber über Gebühr schädigen.
Idris V. bringt einen Ordner mit Unterlagen - zusammen gekommen in den knapp sechs Wochen seit Beginn des Streits. Eines der Papiere zeigt die vor wenigen Tagen unterschriebene Auftragsbestätigung für eine Abluftanlage mit einer Leistung von 3500 Watt, nach Aussage von Idris V. "rund 10.000 Euro" teuer. Seine frühere Technik - nach aktuellem Gesetz nicht mehr genehmigungsfähig - hatte 2700 Watt Leistung.
Den Vorwurf, nichts zu unternehmen, will er nicht so stehen lassen. Das Gegenteil sei der Fall, schildert er: Binnen sechs Wochen Genehmigungs- und Auftragsverfahren abzuwickeln, dies sei sogar zügig, findet er. Der Nachbar müsse sich gedulden, es gebe keinen Schuldigen, findet Idris V: "Mehr als etwas dagegen unternehmen kann ich nicht."
Update: 30. Dezember 2018, 15.11 Uhr