Murrend in die Maskenpflicht
Die Maßnahme an den weiterführenden Schulen soll der Quarantäne ganzer Klassen vorbeugen. Ein Lagebericht aus der Realschule.

Von Tim Kegel
Sinsheim. Die Aerosole des Kaffees sind eine Sache, über die Holger Gutwald-Rondot in den vergangenen Wochen öfter nachgedacht hat. "Wir können sie durch die Masken riechen", sagt der Leiter der Kraichgau-Realschule. Seit Montag müssen die 830 Schüler und 60 Lehrer im Unterricht Mund- und Nasenschutzmasken tragen.
Was die Maßnahme bringt, "werden die kommenden Wochen zeigen", hofft Rondot. Der Kaffee im Lehrerzimmer – dort kann das Personal noch ohne Maske am Tisch sitzen, aber nicht im Stehen das Heißgetränk brühen – gibt Hinweise, dass einiges durch den Maskenstoff durchschlüpft. Aber auch, dass sich die Schulgemeinde so "nicht mehr anspucken" kann, zeige die Maske, "weil sie feucht wird". Ob nun Aerosolen oder Tröpfchen die wichtige Rolle in der Pandemie-Ausbreitung zukommt, weiß Rondot auch nicht – aber immerhin müsse fortan "nicht mehr die ganze Klasse in Quarantäne, wenn ein Kind krank wird". Der Schulchef nimmt’s mit einem abwartenden "also müssen wir da halt durch". Grundschüler müssen es übrigens nicht: Ihnen käme – nach dem Ergebnis einer Studie unter 5000 Kindern – "keine Treiber-Rolle der Infektion zu", wie Rondot von der Politik erfahren hat.
Mit "einigem Murren" hätten viele Schüler die Anordnung am Freitag zur Kenntnis genommen; am Montag habe es aber reibungslos geklappt. Drei Kinder und zwei Lehrer seien von der Maske via ärztlicher Atteste befreit, die aber "nicht von fragwürdiger Herkunft" seien. Einige "freundliche Hinweise" musste Rondot dann am Montag noch Schülern geben, die Gesichtsschilder mitgebracht hätten: unzulässig. Für eine Verweigerungshaltung gebe es derzeit keine Anzeichen. Gäbe es sie bei Lehrern, würde diesen ein Zutrittsverbot ausgesprochen. Kinder würde Rondot dem Ordnungsamt melden müssen; sie dürften am Unterricht "bis zur weiteren Klärung teilnehmen", Eltern würde ein Ordnungsgeld auferlegt.
Das Maskentragen sei "sehr anstrengend", sagt Rondot und eine "riesen Herausforderung". Die 21 Fünftklässler in der 5e – ein breiter Querschnitt durch die Gesellschaft – sehen es am Montag ähnlich: "Danach tut der Hals weh", sagt ein Junge; Rondot erläutert, man müsse mit Maske "lernen, mehr zu trinken". Auch zwei Mädchen sprechen von "Kopf- und Halsschmerzen", weshalb es mittags womöglich anstrengend werde, "Hausaufgaben und Sport zu machen". Alle 20 Minuten klingelt bei der "Fünften" ein Wecker – Stoßlüften. Die Zehn- bis Elfjährigen hasten zu den Fenstern und reißen sie auf.
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In einer anderen Klasse war ein Kind am Montag mit Kreislaufproblemen kollabiert, vorsorglich kam der Rettungswagen. Rondot führt den Zwischenfall auf Wachstum, Pubertät und "nichts gefrühstückt" zurück.
Kann man so gut und konzentriert unterrichten? Mit Abstrichen: Das Sprechen und einander Verstehen falle schwer, und man sei nach dem Unterricht "entsprechend kaputt", sagt der Mathematiklehrer Sascha Menges, weshalb er mit dem gesprochenen Wort "haushalten" müsse, Kindern vieles nonverbal zeige und sich bei seinem Unterricht "auf das Wichtigste" konzentriere.
"Vier Wochen", hofft Rondot, "und wir wissen mehr". Wie lange der Zustand andauert, kann er nicht abschätzen. Fällt der Inzidenzwert "zurück auf 35" – so signalisierten ihm die Behörden – "dann können wir die Masken ausziehen". Andernfalls, ist seine Sorge, "dass wir in einem Monat wieder eine Schule ohne Schüler hätten" und der Heimunterricht wieder im großen Stil aufgenommen werden müsste. Die Schüler der 5e sind beim Thema "Homeschooling" gespalten: "Das Internet ist teuer", sagt ein Mädchen. "Nächstes Jahr müssen wir alles wissen und können es nicht nachholen", fürchtet die Klassenkameradin. "In der Schule ist es besser", hört man oft, "wegen der Freunde", während es zu Hause "sicherer" sei und "geschützter".
"Viele Kinder haben Sorgen", stellt Rondot fest. Während Teenager die Masken beim Verlassen des Geländes oft sofort ablegten, hätten Jüngere Angst. Durch "die Berichterstattung und die Präsenz" der Pandemie in allen Lebensbereichen nähmen viele das Corona-Virus "in letzter Konsequenz als tödliche Krankheit" wahr. "Wir müssen ihnen, wenn es mal besser ist, diese Angst auch wieder nehmen."