Zweite Chance für die Krebsbachtalbahn?
Das "Mobi"-Netzwerk sieht Kreis und Land in der Pflicht und schlägt weiteres Betriebsjahr für touristischen Zugverkehr als Gnadenfrist vor.

Bad Rappenau/Neckarbischofsheim/Heilbronn. (zy) Nach dem durch die Mehrheit des Bad Rappenauer Gemeinderat herbeigeführten Aus für eine Reaktivierung der Krebsbachtalbahn reißt die Kritik an der Entscheidung nicht ab. Am Montag hat sich das "Mobi"-Netzwerk Heilbronn-Franken, ein Zusammenschluss zahlreicher Organisationen, Verkehrs- und Bürgerinitiativen und der Gewerkschaft DGB, in einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet und einen weiteren Anlauf für das Vorhaben gefordert.
Die Tragweite der Entscheidung über die Bahnstrecke erstrecke sich auf 100 Jahre: "Eine Verkehrsverbindung wischt man nicht einfach zur Seite – schon gar nicht angesichts der Klima- und Energiediskussion." Und der Schaden, wenn die Strecke verschwände, sei irreparabel: "Weg ist weg", verdeutlicht DGB-Regionsgeschäftsführerin Silke Ortwein im Namen das gesamten Netzwerks. Daher müsse die Entscheidung noch mal auf den Tisch. Man begrüße und unterstütze deshalb auch ausdrücklich das angekündigte Bürgerbegehren für die Reaktivierung, stellte Ortwein klar.
Hintergrund
Im Gegensatz zur Krebsbachtalbahn nimmt nach dem Ratsbeschluss vom 19. Mai das bereits im Vorfeld angekündigte Bürgerbegehren an Fahrt auf. Wie Initiator Jürgen Haffelder auf RNZ-Nachfrage bestätigte, sind die Planungen im vollen Gange. Voraussichtlich "in den nächsten Tagen"
Im Gegensatz zur Krebsbachtalbahn nimmt nach dem Ratsbeschluss vom 19. Mai das bereits im Vorfeld angekündigte Bürgerbegehren an Fahrt auf. Wie Initiator Jürgen Haffelder auf RNZ-Nachfrage bestätigte, sind die Planungen im vollen Gange. Voraussichtlich "in den nächsten Tagen" will er sich zusammen mit einem großen Unterstützerkreis von rund 60 Mitstreitern auf Unterschriftensammlungen begeben.
Bis es soweit ist, gebe es aber noch "einige Dinge zu klären", um auch die "entsprechenden Formalien einzuhalten". Dafür habe man sich mit dem Verein "mehr Demokratie" Hilfe ins Boot geholt. Geplant ist, im Stadtteil Obergimpern von Haus zu Haus zu gehen und das Bürgerbegehren vorzustellen. Dafür wurde der Stadtteil bereits in Sektoren untergliedert. Aber auch in den weiteren Stadtteilen sowie in der Kernstadt wolle man Unterschriften sammeln. An Hilfe mangelt es Haffelder nicht: "Wir haben von allen Seiten Hilfsbereitschaft erfahren", erzählt er.
Rund 1250 Unterzeichner werden benötigt, um die mehrheitliche Ablehnung des Gemeinderats, die Strecke der Krebsbachtalbahn zwischen Neckarbischofsheim und Bad Rappenau zu reaktivieren, zu kippen. Sollte dies gelingen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder akzeptiert das Gremium das Bürgerbegehren und korrigiert seine Entscheidung, oder der Rat verneint weiterhin eine Reaktivierung. In diesem Fall kommt es zu einem Bürgerentscheid.
Voraussichtlich am 10. August wollen Haffelder und seine Mitstreiter die Unterschriften an die Stadtverwaltung übergeben, sodass die Krebsbachtalbahn nach der Sommerpause am 29. September wieder im Mittelpunkt einer Gemeinderatssitzung stehen könnte.
Das Netzwerk signalisiert zwar am Rande Verständnis – "die Rappenauer Räte hätten rein aus Rappenauer Sicht zu entscheiden, daher dürfe man sie jetzt nicht kritisieren" –, spart in dem Schreiben jedoch nicht an Kritik und versucht zugleich, eine Brücke zu bauen: Um Zeit zu gewinnen, schlägt Ortwein ein Moratorium als praktische "Zwischenlösung" vor: ein weiteres Betriebsjahr des Freizeitverkehrs auf dem Schienenstrang nach Hüffenhardt, also bis Ende 2023. Bis dahin gebe es dann vielleicht nicht nur neue, günstigere Wirtschaftlichkeitsberechnungen für die anderen angedachten Zubringerlinien der Stadtbahn Heilbronn aus dem Zabergäu und dem Bottwartal als zuversichtliche Signale. Zudem setzt das Netzwerk darauf, dass in der Zwischenzeit "auch die Bewusstseinsbildung bei den Verantwortlichen in Bad Rappenau bis hin zur Landesregierung noch weiter Richtung Schiene reift". Denn der Gemeinderat in Bad Rappenau solle sich "auch der Mitverantwortung fürs große Ganze bewusst sein", fordert das Netzwerk, denn die Entscheidung betreffe immerhin mehrere Kommunen.
Deutlicher wird Johannes Müllerschön, Mitglied im Regionalverband Heilbronn-Franken: Er bemängelt einen "Systemfehler", weil "eine Gemeinde mitbezahlen soll und mitentscheiden kann, obwohl sie ja bereits an einer direkten Stadtbahnlinie liegt". Das sei "unglücklich" und erfordere eine Sonderlösung. "Wenn das Land sowieso schon fast alle Kosten des Neubaues tragen würde, warum macht man dann das Wohl oder Wehe der gesamten Strecke mit rund 8000 Anliegern davon abhängig, dass für die restlichen wenigen Prozente jede einzelne Gemeinde zustimmt?" wird Müllerschön in dem Schreiben zitiert.
Ortwein sieht dabei auch das Verkehrsministerium in der Pflicht, vergleichbar dem Straßenbau: "Denkbar wäre, dass das Land das Planungsrecht für interregionale Schienenstrecken – wie hier – in die Hand nimmt!" Bei Landesstraßen trete schließlich auch das Regierungspräsidium als Bauherr auf.
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Müllerschön warnt ebenfalls davor, den Fahrbetrieb schon Ende des Jahres einzustellen. Seine Befürchtung: Dann werde die Infrastruktur sofort an vielen Enden zweckentfremdet. "Wenn die Schienen erst mal zuwachsen, erwächst auch für einen etwaigen künftigen modernen Bahnverkehr zu viel Ablehnung."
Der Regionalrat erinnert an den massiven Vorteil der Krebsbachtal-Linie vor allen anderen Projekten: "Das Gleis ist da und die Bahn steht in Betrieb." Außerdem brauche das Stadtbahnnetz Heilbronn einen ausgreifenden nördlichen Ast. Und was an Potenzial nicht per Schiene in die City Heilbronn getragen werde, könne dort bei Handel und Gastronomie auch nicht ankommen. Schon weil jetzt die Eilzugverbindung Öhringen – Innenstadt Heilbronn – Kraichgau – Karlsruhe wegfalle, müsse dieser Verlust für das Heilbronner Stadtbahnsystem kompensiert werden. Da bilde die Linie nach Neckarbischofsheim die ausgewogene Ergänzung: "Ohne diese Linie wird künftig was fehlen." Ähnlich Ortwein: "Wir sind sicher, dass alle Beteiligten es am Ende sehr bereuen würden, wenn 2023 der Abrissbagger käme – selbst in Bad Rappenau."