Sie machen kranke Vögel wieder fit
Die Wildtierretttung hilft. Doch nicht jeder scheinbar hilflose Vogel befindet sich in einer ausweglosen Lage.

Von Melanie Wricke
Angelbachtal. Von Mai bis Oktober werden viele Jungvögel flügge und unternehmen ihre ersten Flugversuche. Oft kann man jetzt scheinbar hilflose Vögel auf Wiesen, an Wegrändern oder in Gärten beobachten und ihre Rufe hören. Doch sind sie wirklich in Not?
Nicht jedes Jungtier befindet sich tatsächlich in einer ausweglosen Lage. Meist handelt es sich um junge Vögel, die noch mit ihren Eltern in Verbindung stehen. Was für menschliche Ohren jämmerlich klingt, sind Bettelrufe. Die Vögel einzusammeln und ihnen vermeintlich zu helfen, ist dabei oft der falsche Weg, denn entfernen sich die Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld, können sich die Vogeleltern wieder um den Nachwuchs kümmern.
Doch was tun, wenn ein Jungvogel tatsächlich von den Eltern verlassen oder in akuter Gefahr ist? Hier empfiehlt es sich, fachlichen Rat einzuholen und das Tier gegebenenfalls in eine anerkannte Auffangstation oder Vogelpflegestation zu bringen. Die private Wildtierhilfe Angelbachtal ist eine solche Anlaufstelle.
"Es gibt Tage, da gehen 30 bis 40 Anrufe bei uns ein", berichtet Anja Weis, die die Wildtierhilfe gemeinsam mit ihrer Tochter, Tierärztin Stephanie Weis betreibt. Seit etwa einem Jahr gibt es die private Initiative nun. Vieles lässt sich direkt am Telefon klären, oft müssen Tiere aber tatsächlich aufgenommen werden, darunter sehr viele Jungvögel. "Dabei ließe sich manches durchaus verhindern", erklärt Anja Weis. Sehr junge Vögel, die noch keine oder wenige Federn haben, könne man durchaus nach Rücksprache mit den Fachleuten behutsam ins Nest zurücksetzen. "Ja, man darf die Vögel auch anfassen. Es ist ein Irrglaube, dass Vogeleltern ihre Jungen nicht mehr versorgen, wenn diese nach Mensch riechen." Vollständig gefiederte, aber noch nicht flugfähige Jungvögel sind sogenannte Ästlinge. "Die verlassen ihr Nest, hüpfen herum und unternehmen ihre ersten Flugversuche." Einen solchen Jungvogel retten zu wollen, sei oft falsch verstandene Tierliebe, betont Weis. Besonnenes Beobachten aus sicherer Entfernung helfe da sehr viel mehr. Und bei Gefahr im Verzug, beispielsweise, wenn Katzen in der Nähe sind? "Katzen kann man durchaus auch mal mit etwas Wasser verscheuchen. Die Vögel halten sich ja auch nicht an einem Ort auf. Die hopsen dann schon wieder in Sicherheit."
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"Natürlich helfen wir immer gerne. Und wir nehmen auch jedes Tier auf, das uns gebracht wird", betont sie. Außer um Jungvögel, die tatsächlich von ihren Eltern verlassen wurden oder verletzt sind, kümmert sich die Wildtierhilfe auch regelmäßig um ausgewachsene verletzte Vögel und zahlreiche andere Tiere.
Die Pflege aller Tiere übernehmen Mutter und Tochter mit Unterstützung von Freundin Sabine Haas und Anja Weis’ Mutter Helga Rieger, finanziert aus eigenen Mitteln und Spenden. Im Garten der Familie stehen mehrere Außengehege. Die "Intensivstation" befindet sich im Keller des Privathauses. Hier reihen sich in langen Regalen neben den Käfigen, in denen die bedürftigsten Tiere sitzen, Medikamente, Käfig- und Gehegeausstattung und Spezialausrüstung wie Traumanester für Vögel, die durch einen harten Aufprall verletzt wurden, und Futter. "Wir verfüttern alleine 8000 bis 10.000 Heimchen pro Woche", erzählt Weis und lacht dabei. Der Fachhandelbetrieb "Zoo & Co." unterstützt die Initiative und spendet einmal pro Woche nicht verkaufte Futtertiere.
Oberstes Ziel ist immer, die Tiere wieder für ein Leben in der freien Wildbahn fit zu machen. Jede Auswilderung ist ein Erfolg. Nicht jedem Tier kann geholfen werden. "Tierschutz bedeutet notfalls auch einschläfern." Die Tierpflege ist ein Vollzeit-Job. Jungvögel werden alle ein bis zwei Stunden gefüttert, das verletzte Auge eines Igels wird regelmäßig mit Salbe versorgt. "Aus Leidenschaft", mache sie das, betont Weis. Umso wichtiger ist ihr, dass sie sich tatsächlich auch nur der Tiere annehmen muss, die ihre Hilfe dringend benötigen.