Alte Synagoge ist ein Schmuckstück der Erinnerungskultur
Vor 125 Jahren wurde sie eingeweiht - Fest am Samstag und Sonntag

Gilt als einzigartig: Die Schablonenmalerei an der Decke der Synagoge. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim-Steinsfurt. Die ehemalige Synagoge in der Dickwaldstraße ist aus dem Ortsbild nicht wegzudenken. Vieles hat sich in den vergangenen Jahren um sie herum getan. Heute steht sie als Kleinod, von allen Seiten sichtbar, am Synagogenplatz. Am Wochenende jährt sich die Einweihung zum 125. Mal.
Dr. Christhard Flothow, Historiker und Kassier des Vereins "Alte Synagoge Steinsfurt", führt ums Gebäude: Mit der in Teilen noch an den Wänden hängenden Haustechnik, dem frei im Raum stehenden emaillierten Kohlenofen und der feinen Schablonenmalerei an der Decke gibt es Momente, in denen das gerade mal zimmergroße Häuschen wie ein Loft im Vintage-Stil anmutet: Karg, sonderbar und doch anheimelnd. Wo der Zahn der Zeit genagt hat, das soll man erkennen. Nur sorgt der Verein dafür, dass das Nagen aufhört. Oder zumindest nachlässt.
Restauratorin Silke Böttcher - eine ausgewiesene Expertin, der es sogar gelungen ist, eine Synagoge in Rohrbach zum Wohn- und Arbeitshaus ihrer Familie umzunutzen - kümmert sich unter anderem darum. "Als wir hier reinkamen", erinnert sich Flothow, "hing die Decke in Fetzen und bröselte runter." Manchmal seien Vereinsmitglieder in den Raum gekommen "und dann lag da wieder ein Stück". Der Vorbesitzer, der die Räumlichkeiten zwar "zum Glück" nicht veränderte, ungeschickterweise aber Landwirtschaftsbedarf wie Dünger oder Rattengift in der Synagoge lagerte, sorgte nachhaltig für ungünstige Feuchtigkeitswerte vom Fundament übers Mauerwerk bis ins Dach, das noch dazu undicht war. Ein Teil des Bauwerks war in den sumpfigen Steinsfurter Auen-Lehm hinabgesackt.
Mit speziellen Bindern und Kanülen wurden die sich lösenden Putzstücke unterspritzt und dadurch abgefangen; aufwendig wurde der Riss im Gebäude ausgebessert. Hinzu kommen viele Dutzend weitere Kleinarbeiten, aber auch ein neues Dach. Gut 15 Jahre und geschätzte 200.000 Euro später, ist die Alte Synagoge ein Schmuckstück der Erinnerungskultur.
Auch interessant
Die reich verzierte Decke gilt als einzigartig. Noch nicht geklärt ist, warum die damalige jüdische Gemeinde in Steinsfurt die Stirnseite des Gebäudes, vor der einst ein Schrank mit den Tora-Rollen gestanden hat, mit einem barock anmutenden Vorhang bemalen ließ. Zumal, wie Flothow meint, der Schrein "mit Sicherheit mit einem echten Vorhang" verhängt gewesen sein muss.
Das spärlich nur mit einigen Stapelstühlen und einem Pult möblierte Gebäude - kürzlich mit einem Vorplatz versehen - steckt voller Details, die auf eine wechselvolle Geschichte deuten. Das silberne Kästchen am Türrahmen ist eine "Mesusa", ein kleiner Behälter, der eine Schriftrolle mit Worten des Propheten Mose enthält. "Nach Rücksprache mit einem Rabbiner" habe man sich dazu entschieden, die Mesusa im Hausinnern anzubringen, sagt Flothow, "da sie sonst vielleicht nicht lange hängen würde". Gegenüber stehen Bleistiftnotizen am Portal - Zahlenreihen, Dreisätze, einfache Rechnungen: Die Notizen des Vorbesitzers des Gebäudes, der Kaufmann war.
Vor 125 Jahren wurde dieses Gebäude eingeweiht: am 13. Juli 1894. Über das zweitägige Einweihungsfest berichtete nicht nur der örtliche Landbote, sondern auch die in Frankfurt erscheinende Zeitung "Der Israelit": Rabbiner Dr. Sondheimer war extra aus Heidelberg angereist, und hob in seiner Festpredigt hervor, wie "alle Bewohner Steinsfurths ohne Unterschied des Glaubens in seltener Einmütigkeit durch Beflaggen der Häuser und Betheiligung an der Feier wetteiferten. Sowohl der katholische als auch der evangelische Geistliche des Dorfes waren unter den Ehrengästen." Der Bericht von damals, sagt Vorsitzende Jutta Stier, habe den Verein nun dazu animiert, das 125. Jubiläum mit einem zweiten Einweihungsfest zu begehen.
"Begegnungen - Erzählungen und Lieder" heißt es am Samstag, 13. Juli, um 19.30 Uhr bei einem Konzert mit dem Künstlerduo Corinna und Bernhard Lorenz. Die Märchenerzählerin entführt die Zuhörer mit unbekannten Geschichten und Märchen für Erwachsene in eine andere Welt. Dazu spielt Musiker Bernhard Lorenz selten gehörte Volkslieder und Eigenkompositionen. Der Eintritt beträgt 12,50 Euro.
Der Stadtrabbiner von Heidelberg, Janusz Pawelczyk-Kissin, besucht am Sonntag, 14. Juli, - ähnlich wie vor 125 Jahren - die Synagoge. Er wird nach den Grußworten der Gäste eine kurzweilige Festrede halten. Die Feierstunde mit Rundgängen und geselligem Beisammensein findet um 15 Uhr statt.