Hirschberg-Leutershausen

Verfolgte Journalisten im Dritten Reich

Bei "Bücher aus dem Feuer" wurde diesmal Medienvertretern gedacht, die ihr Leben für ihre Wörter riskierten. Der Schreib-Drang war größer als die Angst.

12.05.2022 UPDATE: 13.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden
Bei „Bücher aus dem Feuer“ lasen unter anderem Friederike Toroczkay und Andrea Müller-Bischoff. Foto: Kreutzer

Von Max Rieser

Hirschberg-Leutershausen. Als am 10. Mai 1933 unter anderem deutsche Studenten begannen, an Hochschulen Bücher zu verbrennen, war dies ein drastischer Schritt auf dem Weg in die faschistische Diktatur. Die erklärten Feinde: Kommunisten, Sozialdemokraten, Pazifisten und allen voran Juden. Auch Journalisten waren betroffen. Zeitungen wurden verboten, und es durfte nur noch veröffentlichen, wer sich ideologisch integrieren ließ. Um ihrer zu gedenken, veranstalteten der Arbeitskreis Ehemalige Synagoge, der Förderkreis Olympia-Kino, die Gemeindebücherei, die Katholische Öffentliche Bücherei, das Klavierstudio Hirschberg und das Lernzentrum Capito am Dienstag eine Lesung mit dem Titel: "Bücher aus dem Feuer. Brennpunkt Journalismus". Zwischen den Lesebeiträgen in der Alten Synagoge spielte Pianist Jens Schlichting kurze Interpretationen auf dem Klavier.

Den Schwerpunkt Journalismus hatte man gewählt, da auch heute noch Journalisten von Verfolgung, Bedrohung und Arbeitsverboten betroffen seien, wie beispielsweise der Mord am saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zeige. Zudem bekomme das Thema durch den Krieg in der Ukraine und die starke Zensur sowie Gängelung russischer Journalisten traurige Aktualität, erklärte Renate Rothe eingangs.

Jens Schlichting spielte Interpretationen auf dem Klavier. Foto: Kreutzer

Vorgestellt wurden die Biografien und Auszüge aus den Werken der Journalisten und Autoren Maria Leitner, Milena Jesenská und Dr. Max Oppenheimer. Immer zu zweit gaben die Vortragenden einen Einblick ins Arbeiten und die sich immer mehr zuspitzende Situation der drei Protagonisten. Dadurch, dass ein Referent die Lebensgeschichte des jeweiligen Journalisten erzählte und der andere Passagen aus dessen Arbeiten zitierte, entstand der Eindruck eines Radio-Features. Andrea Müller-Bischoff und Friederike Toroczkay rollten das Leben der "sehr aktiven, antifaschistischen" ungarischstämmigen Journalistin, Schriftstellerin und Sozialistin Maria Leitner auf, die unter anderem Reportagereisen durch Deutschland machte, um die Situation während des erstarkenden Nationalsozialismus zu dokumentieren, zu analysieren und in Büchern zu verarbeiten. 1940 wurde Leitner ins Internierungslager in Gurs gesperrt, aus dem sie kurz darauf ausbrach und nach Südfrankreich floh, wo sie 1942 an körperlicher Erschöpfung starb.

Renate Rothe und Brigitte Sliwinski stellten den Werdegang der tschechischen Journalistin Milena Jesenská dar. Nach einer Scheidung musste sie sich selbst verdingen und begann schnell für große Prager Zeitungen zu arbeiten, wo sie zwar nur auf den "Frauenseiten" vertreten war, dort aber ein starkes und unabhängiges Frauenbild vertrat. Zu dieser Zeit lernte sie auch Franz Kafka kennen, mit dem sie einen weltberühmten Briefwechsel unterhielt. Nach der nationalsozialistischen Okkupation Tschechiens schloss sie sich dem antifaschistischen Widerstand an, schrieb für verbotene antifaschistische Zeitungen und versteckte Juden und Kommunisten. 1939 wurde sie von der Gestapo gefasst und in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Sie konnte wohl einige Menschen vor dem Gas retten, indem sie etwa Krankenberichte fälschte. Nach vier Jahren im KZ starb Jesenská an den Folgen einer Nierenoperation im Lager.

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Auch heute noch werden Journalisten bedroht, machte Renate Rothe deutlich. Foto: Kreutzer

Den Abschluss machte der Publizist und Historiker Max Oppenheimer, den Michael Penk und Helga Klein vorstellten. Der Sohn eines Tabakfabrikanten wuchs in der Heidelberger Landhausstraße auf und begann nach antisemitischen Anfeindungen in der Schule eine Schlosserlehre und wurde einen Tag nach der Reichspogromnacht 1938 nach Dachau deportiert. Dort begann er über den proletarisch geprägten Widerstand der Häftlinge in einer Art Tagebuchstil zu schreiben. Schweizer Verwandte erklärten sich bereit, ihn aufzunehmen, wodurch er später nach Großbritannien fliehen konnte. In England engagierte sich Oppenheimer in Gewerkschaften und trat in die KPD ein. Durch seine kommunistische Gesinnung war es ihm erst zwei Jahre nach Kriegsende möglich, zurück nach Deutschland zu reisen. Eine Tätigkeit bei der RNZ wurde ihm durch den amerikanischen Presseoffizier wegen seiner Mitgliedschaft in der KPD verwehrt. So begann er, für linke Zeitungen zu schreiben, promovierte im Fach Philosophie und wurde Verantwortlicher für Geschichtsforschung und -vermittlung beim Präsidium der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Zum Abschluss der Veranstaltung trug Müller-Bischoff das Gedicht "Wiegenlied" von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben vor.

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