Wieslocher Reallabor Asyl: Wie können Asylsuchende schnell integriert werden?

Der Arbeitskreis besteht aus über 150 ehrenamtlichen sowie einigen beruflichen Helfern.

22.01.2016 UPDATE: 23.01.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden

Sie stellten das "Reallabor Asyl" vor: (sitzend v.li.) Wieslochs OB Dirk Elkemann, Prof. Dr. Anne Berkemeier und Prof. Dr. Holger Bonin sowie (stehend) Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr und Ministerin Theresia Bauer. Foto: Pfeifer

Wiesloch. (aot) "Wir wollen weder Köln noch den rechten Mob", sagte Wieslochs Oberbürgermeister Dirk Elkemann bei der Vorstellung des "Reallabors Asyl" in einem Kreis von beruflichen und ehrenamtlichen Helfern im Alten Rathaus. Die Verantwortlichen der Stadt, genauso wie die über 150 ehrenamtlichen Helfer, treibe die Frage um, wie man die aufgenommenen Flüchtlinge umfassend und nachhaltig integrieren könne.

Das beschäftigt offensichtlich auch Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst und Landtagsabgeordnete der Grünen für den Wahlkreis Heidelberg, die auf Einladung des hiesigen Landtagsabgeordneten Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr (Grüne) extra nach Wiesloch gekommen war, um ein Projekt mit anzustoßen, das in bisher nicht gekannter Weise Wissenschaft zur Lösung konkreter Probleme einsetzt, um daraus wieder allgemeingültige und verwertbare Einsichten zu gewinnen. Es gehe hier wie bei anderen Reallaboren nicht darum, der Wissenschaft über die Schulter zu schauen, sondern um echte Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und den Aktiven vor Ort, es gehe darum, wie "das Neue in die Welt komme", denn Wegducken helfe nicht.

Beim "Reallabor Asyl der Rhein-Neckar-Region" gehen die Pädagogische Hochschule Heidelberg (PH) und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim zusammen mit Praxispartnern in Heidelberg, Sinsheim und Wiesloch der Frage nach, wie Asylsuchende möglichst schnell integriert werden können. Dies geschieht in drei Teilprojekten, wie Prof. Anne Berkemeier (PH) und Prof. Holger Bonin (ZEW) ausführten. Im ersten Teil werden an der Hubert-Sternberg-Gewerbeschule in Wiesloch sprachliche und mathematische Fähigkeiten von berufsschulpflichtigen Asylsuchenden festgestellt, um darauf aufbauend Arbeitsmaterial zu erstellen und zu erproben. Im Zentrum steht die Frage, wie sich das Erlernen der Sprache stärker mit beruflichen Inhalten verknüpfen lässt.

Im zweiten Teilprojekt sollen Faktoren bestimmt werden, die wesentlich für die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt sind. Dabei geht es einerseits um jugendliche Flüchtlinge ohne Berufsabschluss, die eine Ausbildung im dualen System benötigen, zum anderen um Erwachsene mit vorhandenen beruflichen Qualifikationen, die jedoch eine Nachqualifizierung benötigen. Dazu sollen den Flüchtlingen verschiedene Hilfen durch lokale Arbeitgeber oder im Rahmen von Sprach- und Integrationskursen angeboten werden.

Ein Teilnehmer der Gesprächsrunde wies darauf hin, dass viele Flüchtlinge Analphabeten seien, die selbst in der eigenen Sprache große Defizite hätten, und dass ganz besondere pädagogische Maßnahmen nötig seien, um diese Gruppe in das gesellschaftliche und berufliche Leben zu integrieren. Ein anderer ergänzte, dass man für diese Gruppe neue Arbeitsplätze schaffen müsse, die eigentlich vorhanden seien, aber aus Kostengründen nicht besetzt werden. Als Beispiel nannte er den Fahrkartenkontrolleur im öffentlichen Nahverkehr.

Das Teilprojekt III sammelt Daten zu Rahmenbedingungen und Auswirkungen des Zuzugs der Flüchtlinge und Asylsuchenden. Mit einbezogen wird hier die Arbeit der Verwaltungen, der Ehrenamtlichen und Sozialverbände, die beispielsweise dokumentieren, wie sich die Flüchtlinge selbst in den Gemeinschaftsunterkünften verändern und welche Veränderungen dadurch im deutschen Umfeld entstehen. Ziel ist es, über einen beständigen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis die Willkommenskultur weiterzuentwickeln.

Annegret Sonnenberg, Vorsitzende der Bürgerstiftung, berichtete über die Probleme vor Ort, die bei der Betreuung der in Wiesloch untergebrachten Flüchtlinge entstanden sind. Die jungen Männer in der Kreissporthalle lebten durch die Enge und die meist nicht geklärte Zukunft in einer psychischen Ausnahmesituation, die Maßnahmen für die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt kämen hier nicht an und es gebe nicht zu wenige, sondern zu viele Sprachkurse. Seit der Bund dafür Geld bezahle, "tummelten" sich die verschiedensten Anbieter, von denen man nicht recht wisse, was sie leisten. Die konkreten Probleme müssten von der Politik endlich einmal angegangen werden.