Aus Nepal in den Rhein-Neckar-Kreis?
Eine neue Initiative vermittelt Auszubildende aus dem asiatischen Land nach Deutschland. Ein Infoabend in Wiesloch stieß auf großes Interesse.

Von Anton Ottmann
Wiesloch/Rhein-Neckar. Seit 2004 unterhält der Wieslocher Verein "Future for Nepal’s Children" (Funech) ein Kinderhaus in Nepal. Darüber hinaus unterstützt er die Bildung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen in den Schulen vor Ort, wobei auf die Förderung der Mädchen besonders Wert gelegt wird.
Inzwischen haben einige Schüler und Schülerinnen das nepalesische Abitur gemacht, das in etwa der Mittleren Reife in Deutschland entspricht. Große Sorgen macht sich Vereinsvorstand Manfred Brenneisen, dass die jungen Menschen trotz guter Schulbildung kaum Zukunftsperspektiven haben, weil es im Land einfach nicht genügend Studien- und Arbeitsplätze gibt. Selbst hoch motivierte junge Menschen mit sehr guten Mathematik- und Englischkenntnissen fänden keinen Job, sodass sie oft gezwungen seien, sklavenähnliche Lohnarbeit in reichen arabischen Ländern zu verrichten. Es fehle vor allem an einer qualifizierten Handwerkerausbildung, die auch einen wesentlichen Beitrag für die Entwicklung des Landes leisten könnte.
Nun macht eine neue Initiative, deren Start durch die nepalesische Industrie und dortige Unternehmerfamilien finanziert wurde, Hoffnung auf Veränderung. Sie will junge Menschen nach Deutschland bringen, damit sie im dualen System einen Beruf ihrer Wahl erlernen können. Für Brenneisen stellt dies eine "Win-Win-Situation" dar: Einerseits decke man den hier herrschenden Bedarf an Lehrlingen, andererseits fänden die Jugendlichen mit dieser Ausbildung in Nepal sicher gute Berufsmöglichkeiten.

Seine Idee stieß beim Wieslocher Oberbürgermeister Dirk Elkemann und der städtischen Beauftragten für Wirtschaftsförderung, Cornelia Schneider, auf offene Ohren. So konnte man jüngst zu einer Informationsveranstaltung in den Sitzungssaal des Wieslocher Rathauses einladen, zu der zahlreiche Interessenten gekommen waren, darunter Ärzte, Handwerker und Kleinunternehmer, Vertreter von Rewe und der Deutschen Bahn. Elkemann erinnerte bei dieser Gelegenheit an die Ausbildung von 25 jungen Menschen aus Amarante, der portugiesischen Partnerstadt Wieslochs, die mit einer Erfolgsquote von 99 Prozent abgeschlossen wurde. Dass alle anschließend in Deutschland bleiben wollten, sei allerdings nicht ganz im Sinne ihres Heimatlandes gewesen.
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Angesichts der Tatsache, dass die meisten Besucher seit Jahren händeringend nach Auszubildenden suchen, zeigten sie sich durchaus interessiert an einer Lösung mit Jugendlichen aus Nepal. Durch den Erfahrungsbericht eines Lehrherren und eines jungen Nepalesen wurde schnell klar, dass es neben dem nicht ganz einfachen Erlernen der deutschen Sprache auch Mentalitätsunterschiede gibt. So schildert der junge Mann, dass Deutsche für ihn ungewohnt laut und direkt sprächen, ein Verhalten, das in seinem Heimatland als unhöflich gilt.
Kathrin Junken von der Organisation "Nepal Secretariat of Skills and Training” (NSST) erklärte die Konzeption der Initiative. Im vergangenen Jahr sei man mit zehn Auszubildenden gestartet, in diesem Jahr könnten bis 100 aufgenommen werden, im nächsten bis 250 und im Jahr 2025 schließlich bis 500. Die Auszubildenden seien hoch motivierte junge Menschen beiderlei Geschlechts im Alter von 18 bis 25 Jahren und hätten meist die 12. Klasse abgeschlossen. Viele seien mehrsprachig aufgewachsen und kulturelle Vielfalt gewohnt, da in Nepal viele ethnischen Gruppen beheimatet sind.
Die Bewerber werden bis zu eineinhalb Jahre lang auf ihren Aufenthalt in Deutschland vorbereitet. Nach dem Auswahlverfahren mit Bewerbungsschreiben und Interviews werden sie über die kulturellen Gepflogenheiten im Gastland ebenso informiert wie über die zur Verfügung stehenden Berufsfelder. Zur Vorbereitung gehört auch der direkte Kontakt mit deutschen Firmen und ein Bewerbungstraining. Großen Wert wird auf die während der ganzen Zeit laufenden Sprachkurse gelegt, die die meisten mit dem B 2-Niveau abschließen, was eine Anfangsverständigung in Deutschland ermöglicht.
Der Ausbildungsbetrieb muss vor der Einreise für einen rechtsgültigen Ausbildungsvertrag sorgen und eine gut lesbare Ausbildungsordnung vorlegen, außerdem 3000 Euro für die Schulung, Flug, Gebühren, Fortbildung der Ausbilder, Betreuung der Auszubildenden und noch einiges mehr an NSST zahlen.
In Deutschland hat der Arbeitgeber weiterhin dafür zu sorgen, dass der Lebensunterhalt des Lehrlings gesichert ist. Dazu gehört eine Lehrlingsvergütung in Höhe von mindestens 927 Euro brutto und die Suche nach einer Unterkunft, was im Hinblick auf die geringe Vergütung wohl die größte Hürde sein dürfte.
Die Einreise erfolgt bis zu zehn Tage vor dem Start der Ausbildung, das dreimonatige Visum wird nach einigen Wochen in eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis umgewandelt. Den Auszubildenden wird ein Mentor zur Seite gestellt. Außerdem wird dem Betrieb wie dem Auszubildenden eine Hotline angeboten, falls Schwierigkeiten auftauchen.
Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Auszubildende feststellt, dass ihm der gewählte Beruf nicht liegt und er in eine andere Ausbildung wechseln möchte. Hilfe leistet auch Lisa Sieckmeyer vom "Welcome Center" des Rhein-Neckar-Kreises, das Unternehmen bei der Gewinnung und Integration ausländischer Arbeitskräfte unterstützt.