So könnte eine Wiedereröffnung des Miramars aussehen
Marcus Steinhart geht im RNZ-Gespräch davon aus, dass sein Betrieb Lockerungen umsetzen könnte - wenn sie kommen

Von Philipp Weber
Weinheim. Seit dem 16. März hat das Miramar geschlossen. Der Chef dieses und weiterer Bäderbetriebe, Marcus Steinhart, erklärt im RNZ-Interview, wie er die Krise persönlich erlebt, wie eine verantwortungsbewusste Wiedereröffnung aussehen und in welchen Bereichen des Bads der Betrieb in Krisenzeiten wie laufen könnte. Aktuell stelle sich die Situation für ihn "mehr als schmerzhaft" dar, aber noch nicht bedrohlich.

Herr Steinhart, können Sie uns kurz schildern, wie Sie den ersten Tag erlebt haben, an dem Ihr Bad geschlossen war?
Das war erschreckend. Das Miramar ist, seit ich denken kann, jeden Tag geöffnet gewesen. Der 16. März 2020 ist ein historischer Tag, weil zum ersten Mal seit der Öffnung vor 47 Jahren kein einziger Gast im Bad war. Wenn ich ehrlich bin, war das für mich ein sehr trauriger Tag. Das Miramar ist für mich nicht nur mein Geschäft, sondern ein Angebot für "einen Tag Urlaub" an unsere Gäste, die hier Spaß haben, ob sie toben oder ausruhen. Tatsächlich haben wir die Entwicklung seit Januar verfolgt und uns auf diesen Moment täglich vorbereitet, obwohl wir gehofft haben, dass er nicht kommt.
Kinobesitzer, Gastronomen und Taxiunternehmer sorgen sich um ihre Existenzen. Als wie bedrohlich erleben Sie die Krise?
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Das Miramar gehört zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wir erwirtschaften normalerweise einen Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe, und das hat, was zum Beispiel die Gewerbesteuerzahlungen angeht, andere Dimensionen als die von Ihnen genannten Beispiele. Die Schließung bedeutet für uns aktuell einen erheblichen Verlust in noch einstelliger Millionenhöhe. Als wirtschaftlich erfolgreicher Betrieb im "Mittelsegment" sind wir glücklicherweise in der Lage, das eine gewisse Zeit auszuhalten, aber natürlich nicht über mehrere Jahre. Aktuell ist es für uns mehr als schmerzhaft, aber nicht bedrohlich – Richtung Jahresende würde es anfangen, sehr schwer zu werden. Und natürlich belasten diese Verluste mittelfristige Investitionen, die wir eigentlich immer zur Attraktivität des Angebots leisten. Um Ihre Frage "als wie" zu beantworten: Für viele kleinere Unternehmungen ist diese Krise eine Katastrophe. Für uns könnte es eine werden, und was die kleinen Unternehmen und uns eint: Wir haben keine wirkliche Lobby. Aktuell sind wir alle Bedingungen ausgeliefert, die niemand auf dem Schirm hatte.
Können Sie den wirtschaftlichen Schaden für Ihren Betrieb schon vage beziffern?
Nein – das lässt sich noch nicht beziffern. Zumal die Rückkehr zur Normalität vor der Krise noch lange dauern dürfte.
Hintergrund
Die meisten der rund 130 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, sie erhalten aufgestockt 80 Prozent des Gehalts.
Beim Wiederbefüllen der Becken müssen die Temperaturen stimmen, sonst fallen die Kacheln ab.
Aktuell erarbeitet das Miramar ein reduziertes Betriebskonzept
Die meisten der rund 130 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, sie erhalten aufgestockt 80 Prozent des Gehalts.
Beim Wiederbefüllen der Becken müssen die Temperaturen stimmen, sonst fallen die Kacheln ab.
Aktuell erarbeitet das Miramar ein reduziertes Betriebskonzept mit einer Höchstzahl von Besuchern, die gleichzeitig im Bad sein könnten. Die Zahl wird noch berechnet. Es muss eine deutlich umfassendere Aufsicht geleistet werden. Der Eintritt soll zudem nur mit "Buchung" möglich sein. web
Gab es staatliche Unterstützung, oder steht eine solche noch in Aussicht?
Es gab keine direkte "Soforthilfe", dafür sind wir als Betrieb zu groß. Viele Mitarbeiter sind aber in Kurzarbeit, was Entlassungen verhindert. Wir stocken das Kurzarbeitergeld übrigens freiwillig auf 80 Prozent auf, um unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Auch die Zusammenarbeit mit unserer Hausbank, der Volksbank Weinheim, klappt sehr gut, sodass wir momentan keine Liquiditätssorgen haben.
Sie drängen darauf, bei den aktuell laufenden Lockerungen der Corona-Beschränkungen berücksichtigt zu werden. Rechnen Sie angesichts der Anziehungskraft, die Bäder gerade in den warmen Monaten ausüben, mit einem Entgegenkommen der Politik?
Ich möchte kein Entgegenkommen im Sinne von herabgesetzten Sicherheitsmaßnahmen für unsere Gäste. Vernünftig wäre es, unsere Maßnahmen zum Schutz unserer Besucher zu prüfen und – wovon ich überzeugt bin – dann eine verantwortungsvolle Wiedereröffnung zu ermöglichen. Zu den möglichen Maßnahmen stehen wir im engen Austausch mit dem für uns zuständigen Gesundheitsamt in Heidelberg.
Gesetzt den Fall, Sie dürften bald wieder öffnen: Welche Schutzmaßnahmen könnten Sie sich vorstellen – abgesehen von der Beschränkung der Besucherzahlen?
Alle, die als notwendig erachtet werden. Es ist aber nicht so, dass unser Angebot im Miramar für die Gäste schädlich sein könnte. Das ist es nicht, sondern ganz im Gegenteil. Wir wissen, dass körperliche Betätigung, gerade im Wasser gut für das Immunsystem ist. Baden in unserem Heilwasser und regelmäßiges Saunieren stärken das Immunsystem enorm. Aktuell stehen wir ohne jede Begründung, ohne jeden wissenschaftlichen Beleg mit diesen seit Jahren anerkannten Angeboten auf der "roten Liste". Warum? Das hat mir noch niemand sachkundig erklären können. Ganz im Gegenteil hat das Bundesumweltministerium Gefahren in Bädern bis Mitte März als gering erklärt. Da bin ich wirklich fassungslos, wenn ich mir anschaue, was die Lockerungen angeht. Überall wird sich umarmt, Abstände werden nicht eingehalten. Im Miramar herrschen klare Regeln, das Personal setzt diese durch – besser als ich das aktuell im öffentlichen Raum beobachten kann. Bei uns geht es nicht um "Überwachung", sondern um gegenseitigen Respekt, und das wiederum wird von den allermeisten Gästen respektiert. Wer das nicht tut, der muss das Bad verlassen.
Sie können Ihre Kundschaft wohl am besten einschätzen. Würde den Leuten ein Urlaubstag mit Abstandhalten, Händedesinfizieren und einer Vielzahl an Hinweisschildern Freude machen?
Das muss man differenziert betrachten, und da wird es nicht ganz einfach. Wir haben einen Freizeit- und Spaßbereich, also das Wellenbad und die Rutschenwelt. Wir bieten eine der größten und schönsten Saunalandschaften in Deutschland an sowie einen weitläufigen Thermen-Bereich. Insbesondere die Saunalandschaft und die Thermen sind von Müßiggang geprägt – die Gäste wollen hier Ruhe und Erholung. Stress abbauen, relaxen. Eine sehr gute Hygiene ist gesetzlich vorgeschrieben, wird von uns umgesetzt und von den Gästen selbstverständlich beachtet – die sind alle sehr gesundheitsbewusst. Hier sehe ich überhaupt keine Akzeptanzprobleme bei den Gästen. Auch bei den Rutschen sehe ich, bei guter Organisation, keine Probleme, dass sich Kinder und Jugendliche austoben können. Schwierig wird das Wellenbad, wo viel getobt wird – hier werden wir das bekannte Angebot nicht in der bekannten Form in Zeiten der Krise anbieten können. Aber auch das können wir eingeschränkt vermutlich anbieten.
Eine Detailfrage: In Weinheim wurde das Wasser abgelassen, andernorts offenbar nicht, zum Beispiel in einem großen Betrieb in Sinsheim, so jedenfalls unser Kenntnisstand. Woran liegt das?
Sofern eine Schließung länger als drei Wochen dauert, ist es in der Regel wirtschaftlicher, die Becken zu entleeren. Relativ früh war klar, dass wir nicht von Wochen, sondern von Monaten ausgehen müssen. Letztendlich entscheidet das aber jeder Betrieb nach eigenen Vorgaben. Für uns bedeutet das: Wir brauchen rund zwei Wochen, um die Becken wieder zu füllen und zu beheizen. Deshalb habe ich die Erwartung, dass die Politik uns Signale setzt, damit wir uns vorbereiten können.