Walldorf

Vogel-Kurator befürwortet den Katzen-Lockdown

Simon Bruslund engagiert sich weltweit für bedrohte Vogelarten und begrüßt die Allgemeinverfügung.

16.05.2022 UPDATE: 17.05.2022 13:44 Uhr 2 Minuten, 14 Sekunden
Gefährdet: Die Haubenlerche. Foto: dpa
Interview
Interview
Simon Bruslund
Vizevorsitzender der Singvogel-Beratungsgruppe des Europäischen Zooverbandes

Von Timo Teufert

Walldorf/Rostock. Simon Bruslund, ehemaliger Kurator für Vögel des Heidelberger Zoos und mittlerweile im Zoo Rostock tätig, befürwortet den Erlass der Allgemeinverfügung durch den Rhein-Neckar-Kreis. Der 44-Jährige engagiert sich über seine Arbeit hinaus seit langer Zeit weltweit für Vogelarten, die vom Aussterben bedroht sind. Er ist Vizevorsitzender der Singvogel-Beratungsgruppe des Europäischen Zooverbandes und ist daher mit der Katzen-Problematik für Singvögel, zu der auch die Haubenlerchen gehören, vertraut. Außerdem war Bruslund Ansprechpartner für Haubenlerchen-Maßnahmen in Baden-Württemberg.

Herr Bruslund, zum Schutz der Haubenlerche soll Katzen bis Ende August in Walldorf der Freigang verwehrt werden. Was halten Sie davon?

Das ist bahnbrechend und eine großartige Entwicklung. Der Schutz der Biodiversität geht uns alle an. Wir haben eine Verantwortung für diese isolierte Haubenlerchen-Population im Rhein-Neckar-Gebiet. Und wenn wir keine drastischen Maßnahmen ergreifen, droht den Haubenlerchen die Ausrottung. Der Kreis ist nicht nur moralisch in der Verantwortung, er hat auch nach europäischem Recht eine Verpflichtung, die Vögel zu schützen. Tut er es nicht, muss er dafür gerade stehen. Aus Sicht des Artenschutzes ist es wichtig, Katzen einzuschränken. Denn sie gehören – neben dem Insektensterben und Anflügen auf Oberflächen – zu den Hauptgründen, warum Vögel sterben.

Warum ist dem so?

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Viele Studien haben nachgewiesen, dass Freigänger-Katzen einen Einfluss auf die Population von Vögeln, Reptilien und Kleinstlebewesen haben. Sie nehmen wild lebenden Tieren die Beute weg, sind aber meist keine eleganten Jäger und nicht sehr geübt im Töten. Oft spielen sie mit ihrer Beute nur herum. Man vermutet, dass eine Freigänger-Katze pro Jahr 60 bis 100 Tiere tötet – konservativ geschätzt. Aber konservative Berechnungen sagen auch, dass in Deutschland 18 Millionen Katzen leben. Die meisten Besitzer wissen gar nicht, was ihre Katzen in der Nacht draußen machen und welchen Schaden sie anrichten.

Was bedeuten denn Katzen für die Haubenlerchen?

Die Haubenlerchen sind eine Pionierart, die sich auf aufgebrochenen Feldern und Baustellen zum Brüten niederlässt. Leider sind diese Flächen oft in der Nähe zu besiedelten Arealen, wo auch Katzen leben. Allein, dass eine Katze unterwegs ist, kann dazu führen, dass die Haubenlerchen dort nicht mehr brüten. Aber sie können meist auch nirgendwo anders hin.

Kann man Katzen aber über fünf Monate hinweg einsperren?

Als Kurator kann ich sagen, dass wir Katzen im Zoo sehr gut auf begrenztem Raum halten und sie alles bekommen, was sie brauchen. Ich denke, ein erfülltes Leben für eine Hauskatze ist auch möglich, wenn sie kein Freigänger ist. Denn die Katzen sind ja nicht nur Jäger, sondern auch Gejagte. Von daher ist die Maßnahme ein Gewinn für den Tier- und nicht nur für den Artenschutz.

Gibt es denn auch anderswo solche strikten Regelungen?

In Neuseeland wurde ein Freigänger-Verbot für Katzen vor einiger Zeit durchgesetzt, wobei es eine Schonfrist gab. Weil viele Arten primär durch Katzen gefährdet sind, sind sie dort nun sogar zum Abschuss freigegeben, wenn sie sich draußen aufhalten. Und schon nach so kurzer Zeit kann man dort einen erheblichen positiven Effekt erkennen.

Und in Deutschland?

Seit Jahrzehnten gibt es Gespräche darüber, durchgesetzt wurde so etwas aber nie. Meist ist es kaum umsetzbar, weil die Menschen das Problem nicht erkennen wollen. Doch die Allgemeinverfügung könnte wirklich etwas für die Haubenlerchen bringen. Wenn man eine Art verliert, gibt es dafür immer viele Gründe. Doch wenn man schon einen dieser Gründe ausschließt, gibt es Hoffnung, dass die Art überleben kann. Von daher ist das großartig.

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