Bildergeschichte über den "längsten Liebesbrief der Welt"
Autorin und Illustratorin stellten gemeinsam ihren Comicroman "Liebe ist ein Nashorn" vor - Dabei entsteht "live" eine Zeichnung

Stellten ihr Buch in Walldorf vor: Autorin Uli Leistenschneider (li.) und die Illustratorin Isabel Göntgen, die spontan eine kleine Zeichnung auf die Leinwand zauberte. Foto: Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann
Walldorf. Warum reden eigentlich immer alle von "Schmetterlingen im Bauch"? Als Lea sich zum ersten Mal verliebt, fühlt sich das für sie eher an wie ein Nashorn, nein, wie eine ganze Herde Nashörner, die durch ihren Körper jagen und sie mit einem Haufen zerwühlter Gefühle zurücklassen.
"Kennt das jemand?" Gemeint ist jetzt nicht dieses Gefühl. Autorin Uli Leistenschneider hält das Buch "Liebe ist ein Nashorn" in die Höhe. "Du hast es gerade zurückgegeben", bemerkt Barbara Grabl, Leiterin der Stadtbücherei Walldorf, mit einem Lächeln, als sich ein Mädchen zaghaft meldet. Designerin Isabel Göntgen steht mit gezücktem Edding neben einem Flipchart und beginnt, live zu zeichnen. Das putzige Nashorn und all die anderen Zeichnungen aus dem Buch, die während der Lesung als Projektionen an der Wand erscheinen, stammen von ihr.
Es ist ein Comicroman, erklärt Uli Leistenschneider den interessiert lauschenden Mädels und liest über Lea, die den längsten Liebesbrief der Welt schreibt. Weil die Zwölfjährige den Brief selbst dermaßen peinlich findet, will sie, dass Jan, der süße Junge aus der Klasse über ihr, ihn niemals zu lesen bekommt. Dafür kriegt ihn jemand anderes in die Finger. In krakeliger Kinderschrift schreibt ihr kleiner Bruder: "Ich will jeden Montag eine Tafel Marzipanschokolade und ne Tühte Gumibärschen! Sonst sag ichs Jan!"
Mit viel Humor und Einfühlungsvermögen beschreibt die Kinderbuchautorin die Bemühungen Leas, ihre Schüchternheit zu überwinden und mit Jan in Kontakt zu kommen, während sie gleichzeitig vergeblich versucht, sich gegen den Erpressungsversuch ihres kleinen Bruders zur Wehr zu setzen. Erzählt wird die Geschichte aber nicht nur durch den Text. Die ebenso liebevoll wie ausdrucksstark gezeichneten Bilder sind in dem Comicroman weit mehr als nur Illustrationen.
Doch wie schafft man es, Autorin zu werden oder Bücher zu illustrieren? Sie habe als Lektorin im Kosmos-Verlag in der Kinderbuchabteilung gearbeitet, verrät Uli Leistenschneider und erklärt, was ein Verlag ist und welche Aufgaben Lektoren haben. Bei der Arbeit mit den Autoren habe sie gemerkt, dass sie gern selber schreiben möchte, erzählt sie. 2016 habe sie sich dann selbstständig gemacht.
"Schreibt von euch jemand?", fragt Uli Leistenschneider. In der ersten Reihe melden sich Eva und Charlotte und erzählen, dass sie sich während einer Schreibwerkstatt kennengelernt haben. Seither treffen sie sich privat und schreiben gemeinsam an einer Geschichte, wobei sie sich kapitelweise abwechseln. Worüber sie schreiben, will die Kinderbuchautorin wissen. Da kichern die zwei Mädels nur und schweigen.
Die Illustratorin hat ihr Werk, eine verträumte Lea mit niedlichen Nashörnern, inzwischen beendet. Fällt es einem leicht, da vorn so spontan loszulegen, will die Leiterin der Bücherei von ihr wissen. Tatsächlich sieht Isabel Göntgen ihren Auftritt als Herausforderung. Wie die meisten Berufskollegen skizziere auch sie sonst am Rechner und daher sei es ungewohnt, vor einem senkrecht drapierten Papier zu stehen.
Die Arbeit am Computer habe Vorteile: Man könne günstig Aquarell, Öl oder Kreide einsetzen und Fehler per Tastenklick korrigieren. Dennoch mache es ihr viel Spaß, die Zielgruppe vor Augen zu haben, anstatt allein zu Hause zu zeichnen. Illustratoren seien fast immer selbstständig, berichtet sie. Sie seien Künstler, Kundenberater und Unternehmer in einer Person. Sie selbst habe Design studiert und könne sich vor Aufträgen kaum retten.
Für Schriftsteller gebe es keine Berufsausbildung, ergänzt Uli Leistenschneider. Es gehöre Glück, Talent und vor allem viel Übung dazu. "Das ist wie Klavierspielen, nur weil jemand Lust dazu hat, kann er es noch nicht." Schwierig sei es, einen Verlag zu finden. Sie empfiehlt den Mädchen, nach Wettbewerben für Kinder und Jugendliche Ausschau zu halten. Wer schon mal einen Preis gewonnen habe, könne etwas vorweisen.
"Auf jeden Fall würde ich dranbleiben", macht sie den jungen Zuhörerinnen Mut und schickt hinterher: "Ich empfehle jedem, seinen Traumberuf zu finden, weil es einfach glücklich macht."
Warum Nashörner, will dann doch noch jemand wissen. Für die Autorin stehen sie für Leas Gefühle. Sie will sie unterdrücken, sie reden manchmal mit ihr. Schließlich freundet sie sich mit ihnen an und erlebt einen "Himmel voller Nashörner".