Am Bedarf für die Tafel hat sich bis heute nichts geändert
Seit zehn Jahren gibt es die Einrichtung in Walldorf – Bis zu 100 Kunden pro Einkaufstag – 30 Geschäfte spenden die Waren

Zehn Jahre Tafel Walldorf: Das Team um den Vorsitzenden Hans Klemm (3.v.re.) machte mit dem 82 Kilo schweren Lebensmittelberg auf die Lebensmittelverschwendung in Deutschland aufmerksam. Foto: Pfeifer
Walldorf. (rö) Dass auch in einer reichen Stadt wie Walldorf eine Einrichtung wie die Tafel notwendig ist, sollte kein Geheimnis sein. 60 bis 100 Kunden versorgt die Tafel an jedem ihrer beiden Einkaufstage in der Woche mit Lebensmitteln, seit der Gründung vor zehn Jahren waren das fast 100.000 Erwachsene und rund 50.000 Kinder aus Walldorf, St. Leon-Rot, Sandhausen und Reilingen. 93 Mitarbeiter leisten 15.000 Stunden an unentgeltlicher Arbeit im Jahr (oder 290 Stunden in der Woche) beim Abholen, Sortieren und Verkauf der Waren. Ihnen, und ganz besonders den 27 Helfern, die von Anfang an dabei sind, wurde jetzt beim runden Geburtstag der Tafel ganz besonders gedankt. Gefeiert wurde mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem anschließenden Mittagessen im Pfarrsaal.
Schon in den achtziger Jahren habe er von der Tafelidee in den USA gehört, erinnert sich Hans Klemm, der Vorsitzende des Tafelvereins. 1993 wurde die erste deutsche Tafel in Berlin ins Leben gerufen. Als 2007 in Wiesloch die Tafel gegründet wurde, gab das den Ausschlag, auch in Walldorf aktiv zu werden. Das Sozialamt bejahte die Frage, ob es überhaupt Bedarf dafür gibt, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Zu den Kunden zählen Arbeitslose, Durchwanderer, Bafög-Empfänger, Rentner oder Flüchtlinge - viele von ihnen helfen auch selbst bei der Tafel mit. Die Bedürftigkeit, Grundvoraussetzung, im Laden in der Albrecht-Dürer-Straße einkaufen zu dürfen, wird in regelmäßigen Abständen überprüft. "Es kommt vor, dass wir jemanden wegschicken müssen", so Klemm. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, sei man dazu verpflichtet, "sonst verlieren wir die Gemeinnützigkeit". Grundsätzlich gilt zudem: "Die Mitarbeiter sind zum Datenschutz verdonnert", es sei wichtig, dass diese persönlichen Informationen nicht den Laden verlassen.
30 Geschäfte werden regelmäßig angefahren, vom Discounter über die Bäckerei bis zum Getränkehändler. "Wir waren erstaunt, wie bereitwillig die Ware abgegeben wird", hat man laut Klemm viele offene Türen eingerannt. Inzwischen müsse man sogar Geschäften absagen, "weil wir nicht die Kapazität haben". Die Waren reichten für den Bedarf, nur nach hohen Feiertagen wie Ostern oder Weihnachten seien die Lieferungen vergleichsweise mager, "das regeln wir dann aber durch die Ausgabe". Die Tafel bekommt Backwaren, die meist einen Tag alt, manchmal aber auch noch ganz frisch sind, Obst und Gemüse, das die "Sichtprüfung" im jeweiligen Markt nicht besteht ("bei uns wird das äußere Salatblatt entfernt, dann sieht’s wieder gut aus") oder Waren, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum sind. Auch über die Regio-Tafel in Mannheim landen Waren in Walldorf. Und die Tafeln helfen sich gegenseitig: Walldorf tauscht mit Schwetzingen und Wiesloch Waren und Erfahrungen. Lässt sich etwas gar nicht den Mann bringen, wird es an den Tierpark und das Tom-Tatze-Tierheim weitergereicht, Ungenießbares landet auf dem Komposthaufen eines Bauernhofs.
An Problemen beschäftigt die Tafel in Walldorf, dass sie kaum Molkereiprodukte, wenig Wurst und praktisch kein Fleisch bekommt. Auch das Mindesthaltbarkeitsdatum macht der Einrichtung zu schaffen: Viele Kunden wissen laut Hans Klemm nicht, dass damit der Produzent lediglich bis zum Ablauf für gleichbleibendes Aussehen, Qualität oder Geruch garantiert. Sei es erreicht, sei die Ware "nicht kaputt, bleibt aber trotzdem stehen". Ein weiteres Problem: Von den 93 ehrenamtlichen Mitarbeitern sind einige "in die Jahre gekommen", weitere Helfer wären gern gesehen. "Wir suchen vor allem Fahrer und Beifahrer", sagt Klemm, die Häufigkeit darf jeder selbst bestimmen. Fürs Engagement bekommt man auch etwas zurück: Klemm erzählt von einem "alten Mütterlein", das lange zu den Kunden zählte, und "jedes Mal in den Raum "gewunken" und "vielen Dank, Gott segne euch" gesagt habe. "Allein für diese Frau hätte es sich rentiert, die Tafel zu machen", so Klemm.
Zum Geburtstag machte man mit einem 82 Kilogramm schweren Lebensmittelberg auf die Lebensmittelverschwendung in Deutschland aufmerksam - so viel wirft durchschnittlich jeder Bürger pro Jahr in den Müll. Glückwünsche zum runden Geburtstag kamen unter anderem von Sonja Huth (Tafel Wiesloch) und Hubert Mitsch, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbands. Klemm selbst dankte dem Vermieter der Räume und den Nachbarn für ihr Verständnis, der Stadt, allen Spendern und Sponsoren und natürlich den Vereinsmitgliedern und Helfern. Klemm durfte zudem zwei Spenden entgegennehmen: Dietmar Sommer überreichte für die Stadt-Apotheke 750 Euro, Andreas Barth für die Volksbank Kraichgau 500 Euro.



