Sechs Wahlen auf einen Streich
Die Unechte Teilortswahl ist echt kompliziert. Darum gibt es bei uns Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Die Stadt am Neckar steht vor einem Superwahltag. An diesem Sonntag, 9. Juni, findet in Neckargemünd nicht nur die Europa-, die Kreistags- und die Gemeinderatswahl statt, sondern es werden in drei Stadtteilen auch noch neue Ortschaftsräte gewählt. Sechs Wahlen auf einen Streich – das gibt’s in der Region sonst nirgendwo. Und es ist bei der Gemeinderatswahl wegen der unechten Teilortswahl – diese gibt es sonst nur noch in Lobbach und Meckesheim – auch noch echt kompliziert. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Wie sah die Vorbereitung aus? Stadtsprecherin Petra Polte berichtet, dass man gut gerüstet sei für den Wahltag und die Auszählung, die sich bis Mitte nächster Woche erstrecken könnte. Die Vorbereitungen hatten mit Schulungen im zweiten Halbjahr 2023 begonnen. Die Stimmzettel für die lokalen Wahlen wurden Anfang Mai gedruckt und bis Mitte Mai den Wahlberechtigten zum Ausfüllen zugeschickt. Dass Briefwähler die lokalen Stimmzettel doppelt erhalten, ist kein Fehler. Anders als 2019 ist der Stimmzettel für die Gemeinderatswahl nicht mehr faltbar. Stattdessen gibt es nun einen Stimmzettelblock.
Wie wird gewählt? Am einfachsten ist es bei der Europawahl: Hier hat jeder Wähler eine Stimme. Komplizierter wird es bei der Kreistagswahl. Hier können maximal vier Stimmen verteilt werden, wobei ein Kandidat bis zu drei Stimmen erhalten kann. Ebenfalls recht einfach geht es bei den Ortschaftsratswahlen in Dilsberg, Mückenloch und Waldhilsbach zu. Hier stehen jeweils zehn Stimmen zur Verfügung. Und auch hier gilt: Ein Kandidat darf maximal drei Stimmen erhalten. Richtig kompliziert wird es bei der Gemeinderatswahl. Denn hier gilt das Prinzip der unechten Teilortswahl.
Was ist die unechte Teilortswahl? Dieses Wahlsystem resultiert aus den Eingemeindungen der 1970er Jahre. Es sichert den einzelnen Ortsteilen eine garantierte Zahl an Sitzen im Gemeinderat zu. Somit soll gewährleistet werden, dass deren Interessen gewahrt bleiben. "Unecht" ist die Teilortswahl deshalb, weil die Kandidaten aus einem Ortsteil auch von Bürgern aus anderen Ortsteilen gewählt werden können.
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Was müssen die Wähler alles beachten? Zunächst gilt, was bei jeder Gemeinderatswahl gilt: Die Wähler können nur eine bestimmte Anzahl an Stimmen vergeben – in Neckargemünd sind es 22. Und auch hier gilt: Ein Kandidat darf maximal drei Stimmen erhalten. So weit, so klar. Doch dann wird es kompliziert: In Neckargemünd gibt es vier Wohnbezirke. Für die Kernstadt dürfen maximal 14 Bewerber gewählt werden, für Dilsberg vier sowie für Mückenloch und Waldhilsbach jeweils zwei. Bei den vergangenen Gemeinderatswahlen wählten viele Bürger mehr als die zulässige Zahl an Kandidaten pro Wohnbezirk. Die Konsequenz: Der Stimmzettel war zumindest in Teilen ungültig. Es kam jedoch auch vor, dass sie zum Beispiel für den Dilsberg nur vier Stimmen vergaben, obwohl sie vier Bewerber mit jeweils drei Stimmen hätten wählen können. Das Stimmenkontingent wurde also nicht voll ausgeschöpft. Der Anteil der sogenannten Fehlstimmen lag 2019 stadtweit bei 17,8 Prozent und in den Ortsteilen bei bis zu 28 Prozent – und damit viel höher als in anderen Orten, wo es etwa fünf Prozent waren. Fast 400 Stimmzettel waren komplett ungültig.
Wie kann man Fehler vermeiden? Nichts falsch machen kann man, wenn man eine Liste abtrennt und abgibt. Dann bekommt jeder Kandidat darauf eine Stimme. Das machen aber nur wenige Wähler, weil sie Kandidaten von mehreren Listen wählen wollen. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man markiert die Kandidaten und gibt den gesamten Stimmzettel ab oder man trennt eine Liste ab und schreibt darauf weitere Kandidaten von anderen Listen. Wichtig dabei: Die weiteren Kandidaten müssen in denselben Wohnbezirk eingetragen werden. Weil das eine Fehlerquelle ist, rät die Stadt dazu, lieber den ganzen Stimmzettel zu verwenden. Bevor man den Stimmzettel abgibt, sollte dieser doppelt kontrolliert werden: zum einen dahingehend, dass insgesamt nicht mehr Stimmen als zulässig vergeben wurden. Und zum anderen darauf, dass pro Wohnbezirk nicht mehr Kandidaten als zulässig gewählt wurden.
Was tut die Stadt gegen die hohe Fehlerquote? "Wir verweisen weiterhin auf die Landeszentrale für politische Bildung sowie bei der Einteilung der Wahlhelfer achten wir auf erfahrenes Personal in jedem Wahlbezirk, was unter Umständen noch Fragen zur unechten Teilortswahl beantworten kann", so Polte.
Wie werden die Sitze im Gemeinderat verteilt? Für jeden Wohnbezirk zieht eine festgelegte Zahl an Bewerbern ein. Doch der Gemeinderat kann wegen der Teilortswahl größer als 22 Sitze werden. Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Aktuell hat er 27 Sitze, maximal können es 44 werden. Im ersten Schritt wird nach dem Verhältniswahlrecht errechnet, welcher Partei beziehungsweise welchen Parteien in einem Wohnbezirk die Sitze zustehen. Diese gehen dann an die Bewerber mit den meisten Stimmen auf der jeweiligen Liste. Es kann durchaus passieren, dass ein nicht gewählter Bewerber in einem Wohnbezirk mehr Stimmen bekommen hat als ein gewählter Bewerber in einem anderen Wohnbezirk. Im zweiten Schritt wird – wie in jeder anderen Kommune auch – die Sitzverteilung nach den Parteien ermittelt. Und zwar bezogen auf die gesamte Stadt. Gibt es eine Diskrepanz zu dem Parteien-Verhältnis der gewählten Bewerber aus den Wohnbezirken, kommt es zu Ausgleichssitzen. Der Gemeinderat wird "aufgefüllt", bis das Verhältnis passt.




