Plus St. Leon-Rot

Ein Wochenmarkt "nur für Eingeweihte"?

Diskussion um Standort Rot: Einige Marktbeschicker wollen lieber in die Dorfmitte zwischen Rathaus und Harres.

22.11.2022 UPDATE: 22.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 50 Sekunden
In Rot gebe es zu wenig Kunden, vor allem keine Laufkundschaft: Das beklagen einige Händler und würden den Wochenmarkt lieber nahe Rathaus und Harres haben. Foto: G.Hecker

St. Leon-Rot. (seb) Wo hat der Roter Wochenmarkt eher eine Zukunft? Wo wird er dringender gebraucht? Mit dem bisherigen Standort an der Kastanienschule in der Walldorfer Straße sind einige Marktbeschicker unzufrieden. Sie haben eine Verlagerung in die Gemeindemitte, auf den Dorfplatz zwischen Rathaus und Harres, beantragt – der Gemeinderat hat eine Entscheidung aber vertagt und will genauer bei den Marktleuten und auch der Bürgerschaft nachfragen.

"Wir können nicht klagen", sagte eine Angestellte des Putenspezialitäten-Stands von Irmelin Reinmuth auf RNZ-Nachfrage: "Wir haben unsere Kundschaft." Tatsächlich lohne sich die Anreise vom Hof bei Helmstadt und Reichartshausen her. Sie werde aber vermutlich keine Wahl haben: Wenn alle Händler in die Gemeindemitte wechseln, könne der Stand hier in Rot ja nicht allein bleiben. "Aber wir würden es sehr bedauern, es wäre schade um die Kundschaft hier: so viele ältere Leute, die zu Fuß oder mit dem Rad kommen, die gehen nicht an den Harres." Es sei fraglich, ob es auf dem Dorfplatz besser werde, ergänzte sie: "Es kann mehr Kundschaft vorbeikommen, das Ganze kann aber auch nach hinten losgehen."

Nach erst zweimaligem Einsatz auf dem Wochenmarkt zeigte eine Angestellte des Fisch-Stands von Samantha Gocht aus Oberhausen-Rheinhausen sich unsicher: Ihr Eindruck sei durchaus, dass es wenig Laufkundschaft und überwiegend Stammkunden gebe. Aber auf dem Dorfplatz, gegenüber den großen Supermärkten, werde es nicht notwendigerweise besser. Ihrer Erfahrung nach – aus Märkten im Mannheimer Raum – stellten Rewe, Aldi, Lidl und Co. eine Konkurrenz für einen Wochenmarkt dar.

Da ist Renate Biermann-Eppel vom Obst- und Gemüsestand des Fruchtkontors Biermann-Sonnenburg aus Speyer ganz anderer Ansicht: Wer den Wochenmarkt aufsuche, wolle die Qualität und das Einkaufserlebnis mit Beratung und Unterhaltungen mit Marktbeschickern und anderen Kunden. In den Supermärkten kaufe man dann die übrigen Dinge des täglichen Bedarfs. So habe sie es in Wiesloch beobachtet, erklärte Biermann-Eppel: Als der Wochenmarkt auf den Platz gegenüber der Stadt-Galerie mit Rewe und anderen Läden umgezogen war, "hat sich das gegenseitig befruchtet".

Das größte Problem am Roter Wochenmarkt: "Hier hinter der Kastanienschule wird er nicht gesehen", so Biermann-Eppel. Und damit entfalle das erwähnte Einkaufserlebnis, "hier hat man wenig spontane Unterhaltungen, weil keine Kunden da sind". Auf dem Dorfplatz sei die Chance auf zufällig vorbeikommende Kunden höher. Und: "Die Leute müssen eh in die Gemeindemitte": zu Post, Hausarzt-Zentrum, Sparkasse oder Rathaus und für alles, was sie auf dem Wochenmarkt nicht erhalten.

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Sie sei auch offen für längere Öffnungszeiten. Der Einsatz hier müsse sich rechnen, Anreise, Personaleinsatz, Gebühren. Dafür brauche man zusätzlich zur Stamm- auch Laufkundschaft, und Letztere "haben wir hier nicht", in Rot sei "ein Wochenmarkt nur für Eingeweihte".

"Der Ortskern stirbt aus", stellte Oliver Weber von der "Allgäuer Käsehexe" fest. Und damit lasse auch der Besuch beim Wochenmarkt nach. Er wohne selbst in St. Leon-Rot und beobachte seit Jahren, wie die Läden in Rot dichtmachen oder abwandern – vor allem in die Gemeindemitte, zuletzt der Schreibwarenladen. Das habe einen Grund, so Weber: keine Kundschaft. "Wir können doch nicht die Lückenbüßer sein": Zum eigenen Nachteil könne man die letzte Einkaufsmöglichkeit im Ort nicht aufrecht erhalten. Längere oder Nachmittags-Öffnungszeiten sind für ihn nicht machbar, er und seine Frau seien auch in Heidelberg, Ketsch und anderswo viel unterwegs.

Er wisse nicht, ob es bei Rathaus und Harres besser werde, so Weber, "aber schlechter als hier kann es nicht werden". Dort sei der Wochenmarkt sichtbarer, locke vielleicht mehr Spontaneinkäufer und eventuell auch Kunden aus St. Leon an. Dass die Supermärkte dem Wochenmarkt Kunden wegnehmen, hält Weber für unwahrscheinlich, die hätten kein mit beispielsweise seinen Käsespezialitäten vergleichbares Angebot.

"Der Markt ist launisch", hat Simon Beckhaus aus Mühlhausen, der Alpenspezialitäten anbietet, beobachtet. "Mal ist es gut, aber die meiste Zeit herrscht gähnende Leere." Von allen Wochenmärkten, an denen er teilnehme, sei Rot "der schwächste". Das meint auch Sinan Sulak aus Ludwigshafen, der mediterrane Feinkost verkauft: In der Gemeindemitte sei mehr Laufkundschaft zu erwarten. "Da am Harres wäre es definitiv besser", findet auch Michael Kuhn aus dem Raum Landau mit seinem Dampfnudel-Stand: Es könnte ähnlich wie in Rauenberg auf dem Kirch- und Rathausplatz sein, wo die Straße mittendurch laufe und der Markt auch wahrgenommen werde, "da gibt es Gelegenheitseinkäufer". In Rot habe die Kundenzahl in den letzten Monaten immer mehr nachgelassen – wenn die Leute wirklich auf diese Einkaufsmöglichkeit hier angewiesen wären, "würde der Markt besser laufen". Für Kuhn steht fest: "Ohne mehr Kunden müssen wir den Roter Wochenmarkt canceln."

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