RNZ-Umfrage in der Region

Siesta-Idee erntet Skepsis auf den Baustellen

Den Vorschlag einer langen Mittagspause für Hitzetage halten Unternehmer für schwer umzusetzen. Sie praktizieren bereits andere Strategien.

26.07.2023 UPDATE: 26.07.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 21 Sekunden
Hitze in Deutschland
Amtsärzte regen angesichts hoher Temperaturen im Sommer die Einführung einer Siesta-Arbeitsweise an. Foto: dpa

Region Heidelberg. (luw) Wird im Sommer hierzulande künftig gearbeitet wie in Spanien und anderen Teilen Südeuropas? Seit einigen Tagen wird über einen Vorschlag der Amtsärzte diskutiert, für besonders heiße Tage eine Siesta einzuführen.

Das würde bedeuten: Handwerker, Bauarbeiter und andere Betriebe würden früher am Morgen mit der Arbeit beginnen und dementsprechend den Feierabend nach vorne verlegen – oder sie würden wie im "spanischen Original" eine mehrstündige Mittagspause einlegen und dafür bis spät abends arbeiten.

Arbeitgeberverbände zeigten sich offen für die Idee, Gewerkschaften begrüßten sie ausdrücklich. Aber wie sieht es in den Betrieben selbst aus? Die RNZ hat in der Region bei vier Firmen, die vornehmlich draußen arbeiten, nachgefragt.


Walter Sailer vom gleichnamigen Bauunternehmen in Sandhausen

Salier glaubt nicht, dass es in Deutschland eine Siesta nach dem Vorbild südeuropäischer Länder braucht. "Aber wir haben in der Bauwirtschaft bereits Regelungen für den Winter, in dem es immer wieder vorkommt, dass wir witterungsbedingt nicht arbeiten können."

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So werde tatsächlich gerade in den Verbänden seiner Branche darüber nachgedacht, inwiefern man diese "Winter-Regelungen" auf den Sommer übertragen könnte. "Beispielsweise gibt es bereits durch den Tarifvertrag die Möglichkeit, witterungsbedingt ausgefallene Arbeit innerhalb von zwei Wochen ohne Zuschlag nachzuholen", erklärt der Geschäftsführer des knapp 100 Mitarbeiter starken Unternehmens für Tief-, Straßen- und Rohrleitungsbau.

Bei der Übertragung solcher Regelungen auf den Sommer könnte zudem helfen, dass die Winter immer milder werden: So würden in der "kalten Jahreszeit" Kapazitäten frei, die man an extremen Hitzetagen wieder "aufbrauchen" könnte. "Und wir haben in den Firmen ja schon Lösungen, um in Absprache mit der Belegschaft die Arbeitszeiten für solche Hitzetage flexibler zu gestalten – beispielsweise indem wir früher anfangen und damit auch früher am Nachmittag Feierabend machen können."

Was die Umsetzbarkeit einer Siesta angeht, gibt Sailer noch zu bedenken: "Wir sind ja teilweise auf Baustellen, zu denen wir eine weitere Anfahrt haben – wenn wir dann Siesta machen, müssten wir für diese Zeit zurückfahren, um Stunden später wieder an die Baustelle zu kommen: So hätten wir auch plötzlich das Doppelte an Anfahrtszeiten."


Jens Gralka von Gralka Gerüstbau in Wiesenbach

Gralka sieht für sein Gewerbe ebenfalls Probleme in der Umsetzung einer Siesta. "Was sollen wir machen?", fragt er schmunzelnd: "Wir haben teilweise Baustellen in Stuttgart und Mainz – sollen wir dann für eine längere Pause mit dem Wohnmobil anrücken?"

Zumal der Geschäftsführer und seine sechs Mitarbeiter auch im Laufe eines Tages verschiedene Baustellen anfahren, wie er betont. In der Regel geht die Wiesenbacher Firma um 8 Uhr morgens ans Werk.

Beim Gedanken an einen früheren Arbeitsbeginn meint Gralka: "Kein Mensch will morgens um 6 Uhr das Geklapper eines Gerüsts hören." Und mit Blick auf einen späteren Feierabend erinnert er an das Privatleben der Beschäftigten: "Man will ja auch noch nach Hause kommen, duschen und das Kind ins Bett bringen."

So sei eine Siesta für ihn privat "eventuell ein schöner Gedanke", wenn es etwa um die Arbeit im heimischen Garten gehe. "Aber beruflich wird es bei uns eher nichts mit einer Siesta", sagt er.


Sebastian Dages von Henn Garten- und Landschaftsbau in Neckargemünd-Waldhilsbach

Dages berichtet, dass die Mitarbeiter hier bereits eine gewisse Flexibilität in ihrer Arbeitszeitgestaltung haben: "Um 7 Uhr geht’s normal raus auf die Baustellen, aber wer möchte, kann auch schon früher anfangen."

Der unter anderem für Kundengewinnung und Bauleitplanung zuständige Landschaftsarchitekt würde persönlich "eine Siesta nicht präferieren" – und wenn es nach ihm ginge, würde er auch im Falle einer gesetzlich eröffneten Möglichkeit darauf verzichten, denn: "Man muss dabei auch das Privatleben der Beschäftigten mit beachten."

Zudem habe man an heißen Tagen bereits ein besonderes Augenmerk auf die Gesundheit der Mitarbeiter: "Dann stellen wir uns mal eine Viertelstunde in den Schatten und beschaffen uns etwas Abkühlung." Und noch einen anderen, ganz praktischen Haken hätte eine Verschiebung der Arbeitszeiten für seine Branche: "Man muss da auch auf den Lärmschutz achten – ich glaube, viele wären nicht begeistert, wenn wir um 18 Uhr noch mit der Rüttelplatte zugange wären."

Umgekehrt könnte aus den gleichen Gründen laut Dages auch ein früherer Arbeitsbeginn problematisch sein: "Es gibt ja teilweise jetzt schon Ärger, wenn wir morgens um 7.30 Uhr die erste Baumaschine starten."


Stefan Klaus Molzahn von Interbau Dächer in Eppelheim

Molzahn reagiert auf die Frage nach einer möglichen Siesta für Dachdecker zunächst lachend: "Für uns würde das überhaupt keinen Sinn machen." Denn ihren Höhepunkt erreiche die Hitze auf dem Dach zwischen 15 und 17 Uhr: "Die Mittagssonne ist zwar am stärksten, aber da brezelt sie noch nur von hinten auf uns runter."

Am schlimmsten sei es in den Stunden danach, wenn sich auch die Dachziegel und Folien aufgeheizt haben: "Dann strahlt die Hitze auch von vorne auf uns ab, da können es schon mal 60 bis 70 Grad da oben werden."

Daher fängt sein Betrieb mit sieben Mitarbeitern im Sommer teilweise bereits um 6 Uhr morgens mit der Arbeit an, um möglichst um 14.30 Uhr in den Feierabend zu gehen – bevor es auf dem Dach eben erst extrem heiß wird. "Und an den Hitzetagen bringe ich dann meinen Kollegen auch gerne mal eine Kühltasche mit Getränken und Eis vorbei", erzählt der Geschäftsführer.

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