Protest in Weinheim

Ziviler Ungehorsam statt Konfrontation bei Neonazi-Demo (Fotogalerie)

Rund 1000 bürgerliche und linke Demonstranten verhinderten den Marsch der Rechtsextremen über eine zentrale Straße. "Wehrmacht-T-Shirts" sorgten für besondere Empörung.

01.05.2025 UPDATE: 01.05.2025 18:45 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
Unter der Beobachtung gut trainierter Sicherheitskräfte protestierten Nazigegner am Busbahnhof (re.) gegen die Ankunft von Rechtsextremisten mit der Bahn. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Mit einem bunten Fest haben sich Gewerkschaften, politische Parteien, Kulturschaffende und Weinheimer Bürger am Donnerstag einer Kundgebung von Rechtsextremisten entgegengestellt. Die NPD und die "Kameradschaft Rheinhessen" hatten einen Demonstrationszug vom Hauptbahnhof an den Händelknoten angekündigt. Dies ist eine zentrale Verkehrskreuzung in Weinheims Westen.

Zu dem Kulturfest bei strahlendem Sonnenschein und schweißtreibenden Temperaturen hatte das überparteiliche Bündnis "Weinheim bleibt bunt" aufgerufen. Außerdem protestierten Aktivisten der "Antifa", die Partei Die Linke sowie Gewerkschafter auf den Straßen der Weststadt. Am Ende, so schätzte die Polizei, waren es rund 1000 Menschen mobilisiert worden. 

Gegen 12 Uhr riegelten Sicherheitskräfte die Mannheimer Straße ab. Neben der Verbindung vom Autobahnkreuz in die Innenstadt wurden weitere Straßen im Umfeld des Bahnhofs abgeriegelt. Landes- und Bundespolizei waren im Einsatz. Der Zugverkehr rollte jedoch weiter. Die RNV-Ringlinie 5 musste zwar Einschränkungen hinnehmen, es fuhren aber auch während der Kundgebungen Bahnen.

Zeitgleich begann am Zentralen Omnibusbahnhof die Kundgebung von "Weinheim bleibt bunt". Einer der Redner war Daniel Born (SPD), Vizepräsident des Landtags von Baden-Württemberg. Er verurteilte die rechtsextremistischen Aktivitäten unter anderem vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund: Am 8. Mai wird an die 80. Wiederkehr der Befreiung Europas vom Faschismus erinnert. 400 bis 500 Protestierende hörten ihm zu.

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Auch Birol Koca, Betriebsratsvorsitzender bei der Firma John Deere in Mannheim, war unter den Demonstranten. "Ich finde es wichtig, hier ein Zeichen zu setzen, und das nicht nur, weil ich lange in Weinheim gewohnt habe", sagte er: "Die NPD sieht Weinheim als einen wichtigen Standort an. Dem stellen wir uns entgegen."

Noch bevor die Demonstranten am Weinheimer Hauptbahnhof ankamen, hatten sich in der Nähe bereits zahlreiche Gegendemonstranten versammelt. Der Auftritt einer Blues-Band wurde gegen 13.15 Uhr jäh unterbrochen, als die erste Gruppe Extremisten aus der S-Bahn stieg. Sie wurde mit lauten "Nazis raus!"-Sprechchören empfangen.

"Ich möchte mir nicht eines Tages eingestehen, dass ich nichts getan habe", so die Weinheimer Bürgerin Annette Perk. Annette Lennartz, die für "Omas gegen Rechts" protestierte, warnte ebenfalls vor dem bundesweiten Rechtsruck. 

Dem bunten Bündnis aus 400 bis 500 Menschen standen 21 (von der Polizei gezählte) Rechtsextreme gegenüber. Ob tatsächlich alle angereist waren, ließ sich wegen des massiven Polizeiaufgebots nur schwer erkennen. Begleitet von zahlreichen Einsatzkräften zogen die Neonazis weiter in Richtung der Verkehrskreuzung "Händelknoten".

Die Gegendemonstranten blockieren den Weinheimer "Händelknoten". Angeblich sollte hier die Kundgebung der Demonstration stattfinden, die von NPD und einer südhessischen Kameradschaft angemeldet worden war. Die 21 Teilnehmer standen in einer Nebenstraße – abgeschirmt von der Polizei. Foto: Weber

Am Weinheimer Hallenbad versammelten sich 50 bis 60 Gegendemonstranten, um die Neonazis lautstark "zu begleiten". Für große Empörung sorgte dabei, dass auf T-Shirts der Rechtsextremen offenbar die Wehrmacht verherrlicht wurde.

Die Polizei hatte zuvor Teile des Hauptbahnhofs abgesperrt, da die Neonazis aus Worms kommend dort erwartet wurden. Betroffen waren vor allem die Zufahrtsstraßen, allen voran die Mannheimer Straße.

Sowohl am Zentralen Omnibusbahnhof als auch an den Zufahrten zum Bahnhof hatten Sicherheitskräfte Stellung bezogen. Auch die Bundespolizei war im Einsatz. Auf den Parkplätzen rund um den Bahnhof standen zahlreiche Polizeifahrzeuge. Zusätzlich waren Sicherheitskräfte auf Motorrädern unterwegs.

Die RNV-Linie 5 verkehrte regulär, wurde aber durch Sicherheitskräfte überwacht. Auf den Bahnsteigen der Straßenbahn waren Ordner im Einsatz. In Weinheim fanden Ansprachen mehrerer Kommunal- und Landespolitiker statt. Auch Schüler kamen zu Wort.

Zudem trugen mehrere Weinheimer Musiker mit künstlerischen Beiträgen zum Protest bei. Zum friedlichen Protest hatte das Bündnis "Weinheim bleibt bunt" aufgerufen.

Gegen 15 Uhr blockierten Gegendemonstranten die große Verkehrskreuzung "Händelknoten", wo laut vorläufigen Angaben der Behörden die Kundgebung der Rechtsextremen stattfinden sollte. Am Eingang zur Händelstraße standen Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken bereit und versperrten den Zugang. Auf dem Gelände der dortigen Shell-Tankstelle versammelten sich zahlreiche Gegendemonstranten. Kurz darauf entspannte sich die Lage wieder: Die Beamten setzten ihre Helme ab, einige Kräfte verließen die Kreuzung.

Für einen kurzen Moment kam Stimmung auf, als zufällig ein Tesla vorbeifuhr – er wurde von Teilen der Gegendemonstranten ausgebuht.

Mit Sitzblockaden, unter anderem in der Weststraße, versuchten Gegendemonstranten zu verhindern, dass der Zug der Neonazis auf eine Hauptverkehrsstraße gelangt.

Gegen 15.45 Uhr zeichnete sich ab, dass sich die 21 Demonstranten wieder auf dem Rückweg zum Bahnhof befanden. Begleitet von einem Lautsprecherwagen und Transparenten zogen sie über die Viernheimer Straße und schwenkten schwarz-weiß-rote Fahnen.

Gegen 16 Uhr erreichten die Rechtsextremen den Weinheimer Bahnhof und bereiteten sich auf die Abreise mit dem Zug vor. Mit diesem waren sie offenbar am frühen Nachmittag aus Worms angereist.

Unter den Gegendemonstranten herrschte Triumphstimmung. Viele Teilnehmer des "Bunten Bündnisses" machten sich ebenfalls auf den Heimweg. Auf der OEG-Brücke über dem Hauptbahnhofsgelände verabschiedeten einige von ihnen die gegen 16.30 Uhr abreisenden Teilnehmer der NPD-Demo. Diese verließen den Ort jedoch nicht mit der Bahn, sondern mit einem Bus.

"Ich bin beeindruckt, alle haben zusammengearbeitet, so muss eine Stadt reagieren", so Stadtsprecher Roland Kern. Mareike Merseburger (Die Linke) bestätigte dies. "Wir haben auf zivilen Ungehorsam gesetzt, nicht auf Konfrontation."

Ort des Geschehens

Update: Donnerstag, 1. Mai 2025, 18.50 Uhr

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