So teuer wird die Linie 5 für Weinheim
Der Hauptausschuss beriet über den 2,35 Millionen Euro schweren Zuschuss für 2023. Fraktionen forderten einen Systemwechsel bei "OEG-Finanzierung".

Von Philipp Weber
Weinheim. Der Zeitpunkt hätte unpassender kaum sein können, was aber niemandem persönlich anzulasten war: Während auch am Mittwoch uralte OEG-Züge zwischen Weinheim, Mannheim und Heidelberg verkehrten und selbst hart gesottene Straßenbahnpassagiere die Unregelmäßigkeiten an der Ringlinie 5 beklagten, verhandelte der Weinheimer Hauptausschuss über erhöhte Zuschüsse für das Angebot der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV). Die Geldbeträge, die die Zweiburgenstadt 2023 an die RNV zahlen soll, sind deutlich höher als in den Vorjahren.
Betrug der Ausgleichssatz 2020 noch 4,74 Euro pro Nutzzugkilometer (zurückgelegte Fahrplan-Strecke auf Weinheimer Gemarkung), waren es für 2021 schon 5,04 Euro und für das laufende Jahr 5,14 Euro (jeweils ohne Coronaeffekte). Nun erhöht sich der Ausgleichssatz um satte 77 Cent pro Kilometer: auf 5,91 Euro. Hierfür muss der Gemeinderat im kommenden Haushalt insgesamt 2,35 Millionen Euro abdecken.
Die RNV macht gestiegene Energiepreise, erhöhte Material- und Baukosten sowie den derzeit großen Mehraufwand im Reparaturbereich dafür verantwortlich. Auch die Beschaffung von Ersatzteilen sei angesichts der allgemeinen Lage schwieriger und teurer. Übrigens würden die Kosten noch stärker ansteigen, wenn es 2023 nicht zu Tariferhöhungen für die Fahrgäste käme: Diese stehen an, weil man in den Hochphasen der Coronapandemie auf Anpassungen verzichtet hatte.
Doch damit nicht genug: Denn das dicke Ende für die Kommunen kommt wohl erst 2024. Dann werden alle Daten für das Jahr 2023 vorliegen, und die Anteile der Gemeinden an den Aufwendungen und Erträgen beim Betrieb der Linie 5 werden "spitz" abgerechnet. Auf diese exakte Abrechnung hätten die "OEG-Kommunen" gedrängt, als Deutschland noch nicht von Energiepreisschock, Lieferengpässen und Ersatzteilmangel betroffen war, so OB Manuel Just. Aus diesem Grund sei es eine politische Unmöglichkeit, nun zum Pauschalsystem zurückkehren zu wollen.
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Die Fraktionen stimmten dem erhöhten Zuschussbedarf der RNV ebenso zähneknirschend zu wie schon vor knapp zwei Jahren. Eine Vielzahl an Anregungen gab es jedoch zum derzeitigen Finanzierungsmodell der Ringlinie, das Ende 2023 ausläuft. Für die Zeit ab 2024 wünschen sich die Stadträte Änderungen. Elisabeth Kramer (GAL) wies darauf hin, dass der Rhein-Neckar-Kreis (dieser gleicht mit einigem zeitlichen Abstand die Zuschüsse der Städte und Gemeinden zum Teil aus, Anm. d. Red.) und die darin befindlichen Kommunen die Linie 5 ebenso mitfinanzieren wie Heidelberg oder Mannheim; im Gegensatz zu den Großstädten habe man aber keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik der RNV. Sie plädierte dafür, das Land ins Boot zu holen. Immerhin sei die Rhein-Haardt-Bahn in Rheinland-Pfalz in Länderhand.
"Das ist ein dicker Brocken im Haushalt, den wir erst einmal verkraften müssen", so Doris Falter (Freie Wähler): "Die Spitzabrechnung wäre eine gute Sache, gäbe es die allgemeine Kostensteigerung nicht." Thomas Ott (CDU) schloss sich seinen Vorrednerinnen an und sah neben den möglichen Nachschlägen 2024 weitere Risiken: Noch wisse man nicht, was aus dem von der Bundesregierung angestrebten 49-Euro-Ticket wird, erinnerte er an die Kritik des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) an den organisatorischen Folgen des an sich gut angenommen Neun-Euro-Tickets vom letzten Sommer.
"Das reine Umverteilen der Aufwendungen auf Nahverkehrsnutzer, den Kreis und die Kommunen ist nicht akzeptabel", sagte Rudolf Large (SPD). Man müsse auf einem Verfahren bestehen, das aufseiten der RNV Anreize für Kosteneinsparungen und Kundenakquise setzt. Auch ein stärkeres finanzielles Engagement des Landes packe das Übel nicht bei der Wurzel. Die Verhandlungen für die Zeit ab 2024 müssten für eine Ringlinie sorgen, die für Fahrgäste wie Kostenträger finanzierbar ist.
Carsten Labudda (Die Linke), ein überzeugter Nutzer des Öffentlichen Nahverkehrs, regte an, auf ausfallende Züge zu achten. Wenn zu den vereinbarten Zeiten weder Schienen- noch Schienenersatzverkehr rollt, kämen Vertragsstrafen für die RNV infrage. Dass diese bei einem 100-prozentigen Ausfall von Verbindungen in Betracht kommen, konnte Stadtplaner Sven-Patrick Marx prinzipiell bestätigen.
Auch Karl Bär (FDP) bedauerte die "15-prozentige" Erhöhung des Zuschusses. Klaus Flößer (Freie Wähler) wollte noch wissen, ob in den RNV-Zügen genügend kontrolliert wird. Der hohe Anteil an "Schwarzfahrern" bei der Großkontrolle kürzlich an der Haltestelle Händelstraße hatte ihn hellhörig gemacht. OB Just erklärte sich bereit, dies an die RNV weiterzugeben. Angesichts knapp bemessener Kapazitäten bei der Polizei konnte er aber nicht garantieren, dass jede Großkontrolle von Polizeibeamten unterstützt wird.
Dem Zuschuss stimmte das Gremium zu: Die Ringlinie 5 besitzt im Öffentlichen Nahverkehr Weinheims Systemrelevanz. Die endgültige Entscheidung fällt der Gemeinderat am 16. November.