Ladenburger Sebastianskapelle

"Dieses Bauwerk ist ein wirklicher Schatz"

Eva Maria Lackner forscht in der Kapelle, die als einer der ältesten Sakralbauten rechts des Rheins gilt.

01.03.2023 UPDATE: 01.03.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 52 Sekunden
Noch ist der Blick von außen auf die Sebastianskapelle durch ein Baugerüst verdeckt. Im Inneren läuft aber schon die Ausstellung „Eine Kapelle wird neu entdeckt“. Foto: Sturm
Interview
Interview
Eva-Maria Lackner
Kuratorin der Ausstellung "Eine Kapelle wird neu entdeckt"

Von Axel Sturm

Ladenburg. Eva-Maria Lackner ist nicht nur die Kuratorin der Ausstellung "Eine Kapelle wird neu entdeckt", sie ist sogar nur einige hundert Meter neben dem Ausstellungsort, der Sebastianskapelle aufgewachsen. Nach dem Abitur am Carl-Benz-Gymnasium studierte Lackner in Mannheim und München Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Ur- und Frühgeschichte.

Auslandserfahrung sammelte sie bei Studienaufenthalten in Rom und Pergamon. Ihren Doktortitel erwarb sie in Heidelberg in Klassischer Archäologie durch eine Arbeit zum Thema "Republikanische Fora: Eine städtebaulich historische Analyse".

Beruflich ging es dann ans Institut für Klassische Archäologie an der Uni Heidelberg, wo sie lehrt und die Bibliothek leitet. Im RNZ-Interview sprach sie über die komplexen Arbeiten in der Kapelle.

Frau Lackner, Sankt Sebastian wird als herausragendes Kulturdenkmal eingestuft. Ist diese Einschätzung aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?

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Die Einstufung als "Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung" nach den Richtlinien des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg ist zweifellos berechtigt. Schließlich ist die Kapelle einer der ältesten Sakralbauten rechts des Rheins. Als Hofkapelle der Bischöfe von Worms ist sie zentrales Element des Bischofshofs und bildet zusammen mit diesem den Kristallisationskern der frühmittelalterlichen und auch der heutigen Stadt. Darüber hinaus weist die Kapelle eine Reihe architektonisch und kunstgeschichtlich bedeutender Elemente auf. Dazu gehören Reliefs am Turm, Fresken im Langhaus, Pflanzenmalerei im Chor sowie das spätgotische Sakramentshäuschen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Umso erstaunlicher ist es, dass eine detaillierte wissenschaftliche Beurteilung des Bauwerks nicht vorhanden ist. Woran liegt das und warum ist es wichtig, dass mit der Dokumentation begonnen wird?

Archäologische Untersuchungen an der Kapelle fanden bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts durch den Mannheimer Altertumsverein statt. Die Veröffentlichungen hierzu entsprechen nicht dem heutigen Standard, und die in Mannheim archivierten Funde gingen im Krieg leider verloren. Tiefergreifende Forschungen fanden dann in den 1960er- bis 1980er-Jahren statt. Neben diversen Akteuren hat der Archäologe und Stadtbildpfleger Berndmark Heukemes die erschöpfendsten Arbeiten geleistet. Dazu gehören großflächige Grabungen innerhalb und außerhalb der Kapelle, die vor allem deren Frühgeschichte betreffen. Die Befunde wurden aber nie wissenschaftlich ausgewertet und publiziert. Sie befinden sich aber als umfangreiche Tagebuchaufzeichnungen und Planmaterial in seinem Nachlass. Das Fundmaterial befindet sich bis zum Jahr 1974 in Ladenburg. Alle später geborgenen Funde liegen im Zentralmagazin in Rastatt oder sind im Besitz des Kurpfälzischen Museums Heidelberg. So sieht sich eine Erforschung der Kapelle mit einer komplexen Archivierung konfrontiert. Dabei birgt sie ein enormes Potenzial, sich der weit zurückreichenden und wechselvollen Geschichte der Kapelle und ihres Kontextes nähern zu können. Einen wichtigen ersten Schritt unternimmt jetzt Eileen Purnama vom Karlsruher Institut für Technologie. Unterstützt durch einen aktuellen 3 D-Scan untersucht sie im Rahmen einer baugeschichtlichen Masterarbeit den romanischen Turm.

Sie sagten bei der Ausstellungseröffnung, bei Ihrer Recherche zur Ausstellung wurden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Können Sie einige Beispiele nennen?

Da stellt sich unter anderem die Frage, wie der Ursprung der Kapelle im Zusammenhang mit dem Königshof steht. Offen ist auch die Datierung des Turms und die Rekonstruktion seiner ursprünglichen architektonischen Einbindung. Es gibt offene Fragen zur im 19. Jahrhundert abgerissenen, westlich an die Kapelle anschließenden Sala und ihrer Verbindung zur Kapelle. Fraglich ist, ob die Steinmetzzeichen den Baumeister des spätgotischen Chors identifizieren. Unbeantwortet sind die Datierung, kunstgeschichtliche Einordnung und Deutung der vielschichtigen Fresken, und auch bei der kunstgeschichtlichen Einordnung des Hochaltars als Gesamtkomposition gibt es Fragezeichen.

Der romanische Turm ist wohl eine Besonderheit – was ist so besonders an diesem Bauwerk?

Wegen seines Alters, der Reliefs, der karolingischen Spolien sowie wegen des "Wormser Huts" bestehend aus einem oktogonalen Aufsatz mit steinernem Pyramidendach ist dieses Bauwerk ein wirklicher Schatz.

Wie alt ist die Sebastiankapelle wirklich?

Das werde ich oft gefragt, aber eine exakte Antwort ist bislang nicht möglich, da eine wissenschaftliche Aufarbeitung der archäologischen Befunde aussteht. Erste Befunde setzen im 6. Jahrhunderts ein und könnten auf sehr frühe Vorgängerbauten hinweisen. Spätestens in karolingischer Zeit sind Baulichkeiten in diesem Areal anzunehmen, da mehrere Königsaufenthalte belegt sind. Zudem sind aus dieser Zeit einzelne Werksteine erhalten.

Sankt Sebastian wurde immer Mal wieder umgebaut und verändert. Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Veränderungen?

Zum einen die Maßnahme in der Spätgotik als 1474/1477 an das ältere Langhaus der Langchor mit seinen Maßwerkfenstern erweitert wurde. Zum anderen ist die Erweiterung in der Barockzeit zu erwähnen. Die Kapelle wurde außen überarbeitet, sie bekam ein neues Dach, den Chorreiter und Barockfenster und erhielt im Inneren eine neue barocke Ausstattung, wobei die Altäre natürlich eine Besonderheit darstellen.

Die Kapelle geht in absehbarer Zeit in den Besitz der Stadt Ladenburg über. Was wünschen Sie sich aus Sicht der Archäologie, damit das Bauwerk langfristig erhalten bleiben kann?

Ein Wunsch wäre die Sichtbarmachung des zweiten, südlichen Torturms des römischen Steinkastells in der Kapelle. Darüber hinaus sollten keine Maßnahmen getroffen werden, die den archäologischen Befund verunklären oder gar zerstören würden. Die Maßnahmen sollen in ihrer gestalterischen Qualität, durchaus zeitgenössisch, der bedeutenden historischen Substanz gerecht werden und die Geschichte der Kapelle fortschreiben. Dazu gehört auch, dass der angrenzende Außenraum ebenfalls gestalterisch bearbeitet wird und das Gebäude wieder in den ursprünglichen Zusammenhang des Bischofshofs einbindet.

Wie stellen Sie sich die zukünftige Nutzung von Sankt Sebastian vor?

Aufgrund der herausragenden Bedeutung dieser Kapelle für die Geschichte von Ladenburg, ist eine dem Objekt angemessene Nutzung anzustreben. Primär sollte sich das Gebäude und seine Geschichte selbst darstellen. Auf dieser Grundlage kann die Kapelle auch Raum für kulturelle Veranstaltung sein. Dabei ist die nutzbare Grundfläche von rund 115 Quadratmetern nur für Veranstaltungen in kleinerem Rahmen geeignet.

Sie sind "Ladeberjerin" – wie erfüllend ist es für Sie, eine solche Ausstellung zusammen mit Dr. Hensen konzipieren zu können?

Ich habe die Aufgabe sehr gerne übernommen, da diese Kapelle zusammen mit dem Areal des Bischofshofs der Kristallisationspunkt für die nachrömische Stadtgenese und die weitere Stadtgeschichte ist.

Gestatten Sie noch eine persönliche Frage: Ihr Vater Egon Lackner wurde jüngst zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Wie hat er das aufgenommen und hat sein Wort nun in der Familie noch mehr Gewicht?

Ort des Geschehens

(lacht) Seine Meinung hat je nach Inhalt schon immer Gewicht gehabt, aber manchmal auch nicht. Daran wird der Ehrenbürger nichts ändern.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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