"Dem Synodalen Weg fehlt wichtiges Thema"
Interview mit Joachim Dauer, Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg: Er will auch über "Weitergabe des Glaubens" reden.



Leiter der katholischen Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg
Von Diana Deutsch
Weinheim. Der Wunsch nach Veränderung ist allgegenwärtig in der katholischen Kirche. Die Frauen fordern Gleichberechtigung, die Pastoralreferenten Leitungspositionen. Queere Menschen wollen nicht länger ausgegrenzt werden, Geschiedene ein zweites Mal kirchlich heiraten. Und über alldem schwebt die quälende Frage, ob der Zölibat nicht doch Schuld trägt an all den furchtbaren Missbrauchsfällen. Eine Menge Themen, die seit 2019 in einem Synodalen Weg diskutiert werden. Was dieses neue Gremium ausrichten kann, hat bislang jedoch kaum jemand verstanden. Fragen an Dr. Joachim Dauer, den Leiter der Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg.
Herr Dauer, wozu braucht die katholische Kirche von Deutschland einen Synodalen Weg?
Angefangen hat alles mit der sogenannten MHG-Studie zu den Missbrauchsfällen in den deutschen Diözesen, die 2018 veröffentlicht wurde. Die Studie hat zutagegebracht und statistisch untermauert, dass unfassbare Verbrechen in unserer Kirche verübt worden sind. Das ist eine Katastrophe! Bloße Absichtserklärungen reichen da als Reaktion nicht mehr aus. Da braucht es echte Reformen. Der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken haben deshalb beschlossen, in einem Synodalen Weg auszuloten, welche Reformen nötig und möglich sind.
Ist "Synodaler Weg" nicht ein umständlicher Begriff? Warum sagt man nicht einfach Synode?
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Für eine Synode gibt es ein klares kirchenrechtliches Korsett, wie sie abzulaufen hat. Das lässt kaum Spielräume frei. Deshalb hat man ein offeneres Format gesucht, das paritätisch besetzt sein konnte: Den 69 Mitgliedern der Bischofskonferenz sitzen 69 Delegierte des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gegenüber. Dazu kommen noch die Vertreter der Orden, Verbände und weitere Personen. Im Januar 2019 ist der Synodale Weg in Frankfurt eröffnet worden. Dann kam Corona, was den Prozess etwas ins Ruckeln brachte. Eine Vollversammlung in Präsenz ist vom 8. September an wieder geplant.
Haben Sie Hoffnung, dass diese Gespräche die katholische Kirche wirklich erneuern können?
Ich finde es schon bemerkenswert, dass man in dieser Form miteinander spricht, berät und Voten erstellt. Es gab zuvor schon einen "Dialogprozess" nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle 2010. Der hat aber außer Gesprächsrunden faktisch nichts gebracht. Der Synodale Weg ist da deutlich profilierter. Wer allerdings glaubt, auf diesem Weg könnten der Zölibat abgeschafft, Frauen zu Priestern geweiht und gleichgeschlechtliche Ehen kirchlich geschlossen werden, täuscht sich. Das sind Themen, über die nur auf weltkirchlicher Ebene entschieden werden kann.
Papst Franziskus scheint nicht besonders glücklich zu sein über den deutschen Sonderweg?
Deutschland ist das Ursprungsland der Reformation und eine wichtige katholische Ortskirche. Wen wundert’s, dass Rom genau hinschaut, was hier geschieht? Schon seit Langem frage ich mich allerdings, wie unsere Anliegen in Rom zu Gehör gebracht werden. Immerhin sitzt Kardinal Marx im engsten Beratergremium von Papst Franziskus. Ich kann nur hoffen, dass man den Prozess in Deutschland in die derzeit laufende Vorbereitung für die große Bischofssynode 2023 in Rom einbindet. Es ist ja in der Kirchengeschichte einmalig, dass der Papst die ganze Weltkirche zu einem synodalen Zukunftsprozess einlädt. Da wird sich zeigen, ob das, was in Deutschland diskutiert wird, nicht auch für Südamerika oder Afrika von Relevanz ist.
Inzwischen werden die Kirchen leerer, die Austritte häufen sich, Neupriester gibt es praktisch keine mehr.
Angesichts dieser absolut prekären Lage erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass bei den vier Gesprächsforen des Synodalen Wegs fatalerweise ein Thema fehlt. Ich nenne es "Weitergabe des Glaubens" an künftige Generationen. Diese Glaubensweitergabe bröckelte schon ab, als die Kirchen in Deutschland noch voll waren, Austritte gesellschaftlich geächtet und die Zahl der Neugeweihten achtmal so hoch wie jetzt. Ich bin gespannt, wo sich christliches Leben in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten gestaltet.
Wird der Synodale Weg etwas verändern in der katholischen Kirche von Deutschland?
Er hat schon jetzt etwas verändert. Noch nie zuvor ist über all diese Themen so konkret und offen gesprochen worden. Hier im Erzbistum Freiburg hat Anfang Juli das Diözesanforum dafür votiert, dass Gemeinden vor Ort künftig auch von Frauen geleitet werden können. Und Papst Franziskus hat bekannt gegeben, dass er jetzt auch Frauen in das höchste Gremium beruft, das die neuen Bischöfe bestellt. Es wird also sehr wohl gearbeitet an der Verteilung der Macht. Auch wenn es manche nicht mehr hören können: Es braucht Geduld und langen Atem. Rom wird Voten, die aus Deutschland kommen, nicht mehr einfach ignorieren können. Aber einen deutschen Sonderweg wird es auch nicht geben.
Werden wir noch erleben, dass verheiratete katholische Priester am Altar stehen?
Ja. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die generelle Verpflichtung der katholischen Priester zur Ehelosigkeit aufgehoben werden wird.