Er ist nicht nur ein Künstler, sondern auch ein Kunstsammler
Neben Karlheinz Treibers Bildern befindet sich auch Historisches in seinem Fundus.

Von Marco Partner
Hirschberg-Leutershausen. Schönheit ist vergänglich, heißt es. In der Kunst aber sind Erinnerungen und Empfindungen – ob von zarter Anmut oder zerstörerischer Kraft – für ewig auf Leinwand gebannt. Bei der Entstehung von Gemälden sind ihre Schöpfer ganz in den Augenblick versunken. Karlheinz Treiber aber kann sich in diese Momente auch Jahrzehnte später wieder hineinversetzen. Hunderte von Gemälde haben sich in seinem Atelier in fast 40 Jahren Schaffenskraft angehäuft. Doch nicht nur eigene Bilder, auch Werke von befreundeten Künstlern hält der Hirschberger Maler in Ehren. Und stößt beim Stöbern auf so manchen Schatz.
Wenn der Künstler durch sein scheunenartiges Atelier läuft, und sich durch sein aufgereihtes Archiv an Großformaten wühlt, wird er schnell fündig. Ein frühes Bild aus den 1980er-Jahren? Ein vererbtes Gemälde, das aus dem 18. Jahrhundert stammt? In spätestens zwei Minuten hält Treiber es in den Händen.
Wie aber bewahrt man eigentlich Kunststücke? Musste auch der erfahrende Maler schon mal etwas nachbessern und restaurieren? Oder ging mal etwas auf dem Weg zur Vernissage zu Bruch? "Nein, gerade die Stücke, die auf Ausstellungen gehen, sind gut gesichert und in Noppenfolie verpackt", verrät er. Ab und zu werden die Leinwand-Rahmen vom Staub befreit oder auch nachgestrichen. Die Acryl-Werke selbst aber strahlen noch wie am ersten Tag. "Die nutzen sich nicht ab, ich habe gute Farbe benutzt. Aber der riesengroße Raum schrumpft immer mehr. So geht es vielen Künstlern, sie werden beengt von der eigenen Bilderflut", sagt Treiber lachend.
Beim Besuch ist Treiber frisch bei der Arbeit. Das weiße Achsel-Shirt ist voller Farbkleckse, und auch der Boden des Ateliers hat in den vielen Dekaden schon die ganze Palette von Rot bis Blau durchlebt. Wie ein gesprenkelter Farbkosmos wirkt das unbeabsichtigte Gesamtkunstwerk, das alle Stimmungstöne des Malers in sich aufgesogen hat. "Früher war hier einmal eine Brauerei", erklärt Treiber. Aber das ist sehr lange her. Der Beweis befindet sich ein bis zwei Etagen tiefer. Von 1580 stammt der vermutlich älteste Keller Hirschbergs. "Es ist der einzige, der den Pfälzer Erbfolgekrieg überlebt hat." Im Grunde sind es sogar drei ineinander verschachtelte Keller, die immer tiefer hinabführen, aber auch mit einer Öffnung versehen sind. "Damals wurde durch den Schacht Schnee reingeschaufelt, um die Fässer und das Fleisch haltbar zu machen", sagt Treiber über die Kühlmethode des Mittelalters.
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Auch einen Holzkühlschrank aus dem 19. Jahrhundert fand er bei der Übernahme des Gebäudes vor. "Im Grunde war es einfach ein Holzgestell mit Draht", sagt er. Doch leider hat er es nicht aufgehoben. Dafür wirkt die gute Stube fast wie ein Museum. "Ich bin kein Künstler, der die Räume mit sich selbst schmückt, aber ich bin Kunstsammler und habe in der Wohnung viele Bilder von Künstlerkollegen und Freunden hängen", verrät er. Besonders am Herzen liegt ihm die Porträt-Reihe "Metamorphose" von der viel zu früh verstorbenen Lynn Schoene. "Das bedeutet mir sehr viel", sagt Treiber und kann sofort jedes der gesammelten Werke den Künstlerfreunden zuordnen und eine Geschichte dazu erzählen.
Zum Beispiel, wie er zu zwei Werken des schwedisch-dänischen Malers Bertil Sjöberg gelangte, der in den 1960er-Jahren in einer Künstler-Kommune auf Ibiza lebte. "Ich kenne seinen Sohn Miguel. Er wollte Bilder von mir kaufen, aber nur, wenn ich welche von seinem Vater bekomme", verrät Treiber. Auch durchaus Historisches befindet sich in seinem Fundus. Wie ein französisches Landschaftsbild aus der Barbizon-Schule, einer Malerkolonie aus den 1830er-Jahren. Oder ein Druck von Heinrich Vogele aus der Jahrhundertwende. Kunst ist eben nicht vergänglich, aber die Blickwinkel ändern sich. "Ich brauche immer neue Themen, mit denen ich mich beschäftige, ein ständiger Szenenwechsel", erklärt Treiber. Corona und der Ukraine-Krieg habe zu einem Sinneswandel geführt. "Ich habe oft brachiale und materialistische Bilder gemalt", so der Künstler. Waldbrände in Kalifornien wurden 2019 noch mit kriegsähnlichen Schlachtenbildern verquickt. Doch dann wurden die Kriegsbilder von der Realität eingeholt. Seitdem malt Treiber friedvoller und zarter. "Konfliktfreier", wie er es nennt.
Im Mailänder Dommuseum hat er Gesellenarbeiten aus dem Mittelalter abfotografiert und den fast vergessenen Holzfiguren in Porträt-Gemälden Leben eingehaucht und einen Namen gegeben. Ein nachdenkliches, melancholisches Kind steht wie ein Symbol für den Ukraine-Krieg, schließlich hat die Familie Treiber auch zwei Ukrainerinnen bei sich aufgenommen. Gleich daneben hält der Künstler ein Porträt von Kumar, seinem Guide aus dem Himalaya-Gebirge, den er aufgrund der Pandemie schon lange nicht mehr gesehen hat. Wenn Treiber durch sein Atelier streift, kann er ganz behutsam Leinwand für Leinwand viele Geschichten wachrufen – und sich einfühlen. Auch die Kunst des Bewahrens von Erinnerungen will eben gelernt sein.
