Dielheim kann "nur kleine Brötchen backen"
Um das Maßnahmenpaket für 2022 kam es zu einer kontroversen Diskussion. Der Stau bei notwendigen Sanierungen werde empfindlich spürbar.

Von Sebastian Lerche
Dielheim. Zunächst fand Bürgermeister Thomas Glasbrenner in seiner Rede zur Einbringung des Dielheimer Haushaltsplanentwurfs für 2022 noch besonnene Worte: Es werde zur Herausforderung, Einnahmen und Ausgaben auszutarieren, sagte er. Als aber die CDU Kritik am Maßnahmenpaket fürs kommende Jahr übte, hatte er eine scharfe Erwiderung parat.
Es sei schlicht unmöglich, alles anzugehen, was eigentlich längst gemacht werden müsste. Ob Hallen oder andere Gebäude, Straßen, Kanäle, Wasserleitungen: An allen Ecken und Enden bestehe Sanierungsbedarf, von notwendigen Neubauten ganz zu schweigen, so Glasbrenner: "Über Jahre und Jahrzehnte hinweg wurde hier kein Cent ausgegeben, Dielheim hat sich totgespart. Das bekommen wir nun zu spüren." Nicht zuletzt sei die Aufgabenfülle auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die alles andere als saumselig seien, nicht zu stemmen, so Glasbrenner: "Luftnummern im Haushalt bringen nichts."
Die CDU hatte – wie Klaus Eberle betonte nicht zum ersten Mal – angemahnt, endlich die Sanierung der Leimbachhalle und des Lehrschwimmbeckens in der Kulturhalle zu starten, zumindest mit ersten Raten. Die 110.000 Euro für den Start der Planungen, die im Haushalt 2022 vorgesehen sind, waren ihm nicht genug. Fünf Millionen Euro könnten die Maßnahmen kosten, so Eberle, und später würden sie sicher nicht billiger.
"Das muss auch finanzierbar sein", betonte Glasbrenner. "Ich bitte um einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung." Kredite ließ er dabei nicht gelten, das sei leicht, so etwas zu sagen, aber die Gemeinde müsse die Schulden auch auf längere Sicht stemmen können. Bis Ende dieses Jahres bewegen die sich bei über sechs Millionen Euro, sie dürften bis Ende 2022 auf mehr als 8,7 Millionen und 2023 auf fast 10,4 Millionen ansteigen, ehe sie wieder sinken, wie Kämmerer Tino Becker darlegte.
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Als Eberle den notwendigen Ausbau der Mensa der Leimbachtalschule ansprach, weil ab 2026 die Ganztagsbetreuung an Grundschulen Pflicht ist, wollte der Bürgermeister die Notwendigkeit der Arbeiten nicht verneinen. "Aber wir wissen doch noch gar nicht, in welcher Form die Ganztagsbetreuung auf uns zukommt: In den Klassenzimmern der Schule? Oder in einem separaten Gebäude?" Schülerzahlen und Raumbedarf seien zudem noch völlig unklar, "da können wir doch nicht im Nebel stochern".
Was klar ist: Noch bis ins kommende Jahr hinein prägen zwei Großprojekte den Haushalt, die auch die vergangenen Jahre dominiert haben, die Modernisierung der Leimbachtalschule und die Umstellung der Wasserversorgung – für Glasbrenner "jeden Euro wert". Eine abschließende Rate von 2,3 Millionen Euro sieht der Gemeindehaushalt für die Schule vor, die ein Investitionsvolumen von insgesamt 15 Millionen Euro hat. Hinzu kommt neue Ausstattung im Wert von 180.000 Euro. Über drei Millionen Euro an Zuschüssen verbucht die Gemeinde für die Schule. Der Eigenbetrieb Wasserversorgung rechnet etwas über 500.000 Euro ein für den letzten Bauabschnitt der Umstellung auf die Bodensee-Wasserzufuhr.
Der Neubau des Horrenberger Kindergartens war mit zunächst 3,3 Millionen Euro für 2022 eingeplant, die Gesamtkostenschätzung belief sich ursprünglich auf mehr als 4,6 Millionen – später in der Sitzung wurde bei Auftragsvergaben aber deutlich, dass allein jetzt schon knapp 3,5 Millionen Euro fällig werden und die Gesamtkosten sich auf rund fünf Millionen belaufen dürften. Dabei rechnet Tino Becker Zuschüsse von 240.000 Euro für die Kinderbetreuung ein.
Kanalsanierungen haben laut Plan ein Volumen von 250.000 Euro, im Wiesengrund soll der Kanal für 440.000 Euro saniert und aufgeweitet werden. Vorgezogen wurde laut Becker zudem die Neuanschaffung eines Bauhof-Fahrzeugs für 211.000 Euro. Der barrierefreie Umbau der Bushaltestellen geht weiter, 230.000 Euro sind 2022 dafür vorgesehen, Zuschüsse von fast 142.000 Euro gibt es dafür. Die Hangsicherung der Straße am Eichbaum in Horrenberg wird mit 450.000 Euro eingeplant, erste Brücken-Instandsetzungen sind mit 240.000 Euro eingestellt – fast 900.000 Euro könnten hier insgesamt investiert werden müssen. Eine weitere größere Investition sind 385.000 Euro für die naturnahe Gewässer- und Ufergestaltung der ehemaligen Fischzuchtanlage "Vogelsbrunnengraben".
Eingangs hatten Bürgermeister Glasbrenner und Kämmerer Becker noch gute Nachrichten: Das Minus im Ergebnishaushalt verbessere sich leicht. Gemäß den jüngsten Steuerschätzungen erhalte Dielheim mehr Zuweisungen und Zuschüsse und das Defizit betrage statt knapp 800.000 Euro nun 110.000 Euro. Das sei noch nicht ausgeglichen, so Glasbrenner, Dielheim könne nach wie vor "nur kleine Brötchen backen", aber die Situation sei "etwas entschärft".
Nicht, dass die Gemeinde da einen Einfluss gehabt hätte, wie ja gut drei Viertel der Einnahmen nicht ihrer Kontrolle unterliegen, gab Tino Becker zu bedenken. Er legte die maßgeblichen Posten im Haushaltsplan näher dar.
Einnahmen von knapp 22,5 Millionen Euro stehen fast 22,6 Millionen Euro an Aufwendungen gegenüber. Steuern mit 9,6 Millionen sowie Zuwendungen von 8,4 Millionen Euro machen den Löwenanteil der Einnahmen aus. Auf der Ausgabenseite fallen die Personalkosten mit über acht Millionen Euro – 4,6 Millionen davon allein für die Kinderbetreuung – ins Gewicht, ebenso die Sach- und Dienstleistungen mit 3,9 Millionen Euro. 1,4 Millionen fallen für Instandhaltung und Betrieb der gemeindeeigenen Liegenschaften an. Transferleistungen sind mit 3,3 Millionen für den Kreis und 2,6 Millionen fürs Land eingeplant. 800.000 fließen an den Abwasser- und Hochwasserschutzverband Wiesloch (AHW), der, wie Becker lobte, sehr effizient arbeite und daher kontinuierlich weniger verlange. Abschreibungen, also der Werteverlust des Gemeindebesitzes, sind mit über 2,2 Millionen im Plan enthalten.
Der Finanzhaushalt, wo die tatsächlichen Geldflüsse abgebildet werden, weist eine Investitionstätigkeit von insgesamt mehr als 9,6 Millionen auf: Schwerpunkte sind Becker zufolge wie erwähnt Schule und Kindergarten. Dem stehen nur knapp 3,6 Millionen an Einzahlungen gegenüber, daher müssen Kredite von bis zu drei Millionen Euro aufgenommen werden. Und überdies sollen aus der Rücklage rund zwei Millionen Euro entnommen werden. In den folgenden Jahren, mahnte Tino Becker, bestehe weiterhin "erheblicher Investitionsbedarf", die Gegenfinanzierung aber sei alles andere als gesichert.
Glasbrenner kam ebenfalls auf die neuen Kredite von drei Millionen Euro zu sprechen, auch mit Blick auf die im Januar anberaumte Verabschiedung des Haushaltsplans. "Schulden macht niemand gern", betonte er, "aber vor einem zu rigorosen Sparkurs müssen wir uns hüten". Die Gemeinde müsse mehr tun "als nur den Mangel zu verwalten", neben der Pflicht stehe auch die Kür auf dem Programm. "Mit Sparwillen allein sind die Probleme nicht zu lösen", so Glasbrenner: Wenn man die Infrastruktur sich selbst überlasse, Bürgerschaft und Gewerbe nichts biete, Kultur- und Sportstätten nicht lebendig halte, "dann begeht eine Kommune Selbstmord auf Raten".