Protest nimmt Fahrt auf
Rund 70 Menschen demonstrierten gegen Gewerbe in Hinterer Mult

Protestbanner zieren derzeit die Felder in der
"Hinteren Mult". Foto: Kreutzer
Von Karin Katzenberger-Ruf
Weinheim. Ist das geplante Gewerbegebiet "Hintere Mult" doch noch zu verhindern? Bei der ersten Aktion gegen eine Bebauung des rund zwölfeinhalb Hektar großen Geländes machten gestern um die 70 Gegner mobil und übten heftige Kritik an der Stadtverwaltung. Am deutlichsten wurde Fritz Pfrang vom Bauernverband.
Seinen Worten nach haben die "Schlossherren" im Rathaus weit weg von den Bürgern über ein Projekt entschieden, das Weinheim zu einer "austauschbaren Betonstadt" machen könnte. Diese "verfehlte Entwicklung" gefährde auf längere Sicht die Existenz der noch rund 20 landwirtschaftlichen Betriebe auf Weinheimer Gemarkung.
Würden sich nach dem Startschuss für das Bebauungsplanverfahren im April 2017 tatsächlich Handwerksbetriebe auf dem Gelände ansiedeln oder benachbarte Firmen die Fläche zur Erweiterung nutzen, hätte zum Beispiel der Milchbauernhof ganz in der Nähe das Nachsehen. Nach Schilderung von Iris Großhans nutzt der 1973 gegründete Betrieb fast zwei Drittel des gepachteten Bodens, um Futterpflanzen anzubauen. Das frische Grün auf dem Acker ist in der Tat eine Augenweide.
Bei der Kundgebung kämpfte sich für ein paar Minuten die Sonne durch die Wolken und tauchte die Landschaft in ein schönes Licht. Derweil sprach Iris Großhans im Namen der Anwohner und Eigentümer davon, dass eine Bebauung die Feldflur und das Klima stark beeinträchtigen werde - von der zu erwartenden Lärmbelästigung mal ganz abgesehen. Für den Satz "Wir sollten nicht nur miteinander reden, sondern miteinander denken" erhielt sie von den Umstehenden spontan Applaus.
Auch interessant
"Wir müssen den Flächenfraß stoppen. Boden ist ein endliche Ressource", lautet die Botschaft von Jürgen Kühn-Schneider vom Verein "Landerlebnis". Er weiß, dass viele Eigentümer sich weigern, ihre Grundstücke zu verkaufen. Er erinnerte an die 1960er-Jahre, in denen die Verschmutzung von Flüssen ein großes Thema war, sich auf Rhein und Neckar Schaumberge bildeten, Fische verendeten und es am Ufer übel stank. "Versiegelter Boden stinkt auch", sagte er über die aktuelle Form der Umweltverschmutzung.
Als Vertreterin der Bürgerinitiative "Breitwiesen" bekundete Ingrid Hagenbruch ihre Solidarität mit der Schutzgemeinschaft "Hintere Mult". Das klang so: "Wir sind ein überparteiliches Bündnis, das sich nicht nur für den Erhalt der Breitwiesen, sondern auch der übrigen Feldflur und den Grüngürtel rund um die Stadt einsetzt." Beim Bürgerentscheid vor viereinhalb Jahren habe die Mehrzahl der Weinheimer entsprechend abgestimmt.
"Offensichtlich nimmt man im Rathaus den Bürgerwillen nicht ernst, sonst hätte man nicht im Hauruckverfahren die Gewerbebebauung dieses großen, landwirtschaftlich genutzten Gebiets beschlossen. Wegen der Erweiterungswünsche eines Betriebes geht es drei anderen an die Existenz. Ein Naherholungsgebiet würde geopfert, die Luftzirkulation beeinträchtigt, der Wasserhaushalt ebenso", sagte sie. Dabei habe Weinheim den Anspruch, eine Stadt von hoher Wohn- und Lebensqualität mit attraktiven touristischen Angeboten zu sein. "Finger weg von der Hinteren Mult" hat sich auch die BI auf die Fahne geschrieben. Transparente mit der Aufschrift "No Landgrabbing" und der Botschaft, dass Boden das Erbe für die Kinder sei, sind auf dem Acker drapiert - samt herzförmiger Kartoffel, die allerdings nicht dort gewachsen ist.