Sie nimmt dementen Menschen die Angst
Ein Anker im Krankenhaus-Trubel - Christiane Schneeweiß hilft älteren Patienten gegen den Stress nach einer Operation

Sandra Riechers (Pflegedienstleiterin), Demenzbegleiterin Christiane Schneeweiß, Martina Schildhauer (alwine), Dr. Florian von Pein (Chefarzt) und Friedhilde Walter (alwine, v. l.) zogen eine erste Bilanz der Demenzbegleitung an der GRN-Klinik. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. Unbekannte Menschen und ungewohnte Tages- und Nachtstrukturen, durch Druck und Anspannung hervorgerufene Unruhezustände sowie mangelnde Orientierungsfähigkeit: Selbst für junge Menschen kann ein Klinikaufenthalt stressig werden. Dennoch kann diese Altersgruppe solche Faktoren in der Regel besser und leichter ausgleichen als hochbetagte Menschen, die dadurch aus der Spur geraten können.
Mit ein Grund dafür: Ihre Kompensationsmechanismen sind möglicherweise durch Vorerkrankungen reduziert und münden deshalb oft in einer Verwirrtheit. Das Risiko, durch einen Krankenhausaufenthalt in einen derartigen Zustand zu geraten, steigt mit zunehmendem Alter.
"Gut 20 bis 30 Prozent der über 80-jährigen Patienten, die wegen einer Operation in die Klinik kommen, weisen Verwirrtheitssymptome wie Schlafstörungen oder Halluzinationen auf", sagt Florian von Pein, Chefarzt für Altersmedizin (Geriatrie) an der GRN-Klinik in Weinheim.
Das kann in vielen Fällen schnell zu Konflikten mit dem Klinikpersonal führen. Die Verabreichung von Beruhigungsmitteln aber sei weder im Sinn des Patienten noch der Mediziner.
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"Rooming-in" für Angehörige soll angeboten werden
Auf der Suche nach Lösungen, damit hoch betagte Menschen nicht in diesen Verwirrtheitszustand abrutschen, der gehäuft nach Operationen unter der Nachwirkung der verabreichten Betäubungsmittel auftritt, wurde von Pein vor einiger Zeit bei der "Alwine Stiftung - in Würde altern" vorstellig und fündig.
Gründerin Martina Schildhauer und der "Alwine"-Stiftungsvorstand mit Friedhilde Walter, Iris Rüsing (Freudenberg Initiative) und Hans Christoph Noack (Rotary Club Weinheim) ermöglichten im November vergangenen Jahres mit einer über zwei Jahre laufenden Anschubfinanzierung in Höhe von 50.000 Euro die Einstellung von Christiane Schneeweiß als Demenzbegleiterin.
Nach zweimonatiger Vorlaufphase sorgt die ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin seit dem 1. Januar dieses Jahres als zusätzlich in Altersmedizin und Angehörigenberatung zertifizierte Fachkraft in der GRN-Klinik dafür, dass ältere Patienten, die von der Situation im Krankenhaus überfordert sind, zur Ruhe kommen.
"Die verstandesmäßig zeitweise eingeschränkten Patienten erinnern sich zwar häufig nicht daran, wer genau ich bin", sagt Schneeweiß bei einer ersten Zwischenbilanz im Gespräch mit Vertretern der "Alwine"-Stiftung. "Aber ihr Lächeln und ihre meist offene und zugewandte Körperhaltung verraten mir, dass sie mich mit etwas Positivem in Verbindung bringen."
Auf der Basis verschiedener Kommunikationstechniken sowie Beziehungs- und Vertrauensarbeit gelingt es ihr, "brenzlige Situationen" bei der Behandlung und Pflege, in denen die Patienten schnell mit Angst und Abwehrverhalten reagieren, zu entschärfen. Je nach Bedarf besucht sie bis zu 15 Patienten auch mehrmals am Tag, um für sie als "verlässlicher Anker im Stationstrubel" des Klinikalltags zu wirken. Darüber hinaus gilt das Interesse von Schneeweiß den Angehörigen der Patienten. "Denn diese sind immer mit betroffen", sagt Pflegedienstleiterin Sandra Riechers.
Schneeweiß sensibilisiere auch das übrige Krankenhauspersonal für neue Denkweisen und eine der Demenz angemessene Kommunikation mit den Patienten. Außerdem steht sie in einem engen Austausch mit den pflegerischen, ärztlichen und therapeutischen Kollegen und ist auch für Angehörige Ansprechpartnerin bei allen Fragen zum Umgang mit geistig beeinträchtigten Menschen.
Als weitere Maßnahme plant die Klinikleitung, die Strukturen und Abläufe innerhalb der GRN-Klinik so zu überdenken und umzugestalten, dass die Stressoren für ältere Menschen verringert werden. Hierfür werden in verschiedenen Arbeitsgruppen mit den jeweiligen Abteilungen die Prozesse überdacht. Unter anderem sollen Orientierungshilfen wie Uhren und Kalender in den Patientenzimmern angebracht werden. Zudem soll ein sogenanntes "Rooming-in" angeboten werden, damit Angehörige als Begleitung zeitweise zur Übernachtung in der Klinik bleiben können.
Vor allem aber, so Florian von Pein, werden auch mit Blick auf die wertvolle Unterstützung durch den von Dieter Gerstner ins Leben gerufenen "Förderkreis Alzheimer Weinheim" und die dort vorgenommene Ausbildung von Demenzpaten ehrenamtliche Demenzbegleiter gesucht, die die Arbeit von Christiane Schneeweiß unterstützen und ergänzen möchten. Voraussetzungen dafür, so Schneeweiß, sind "Empathie, Interesse am Menschen, Lebenserfahrung sowie keine Scheu im Kontakt mit verwirrten Menschen".
Info: Wer Interesse daran hat, sich zum Demenzbegleiter ausbilden zu lassen, wendet sich an Pflegedienstleiterin Sandra Riechers, Telefon 06201/892900, E-Mail: sandra.riechers@grn.de