"Fer umme" durch Walldorf

Nur ein Busfahrer kannte das kostenlose Angebot noch nicht

Die SPD-Fraktion hat den kostenlosen Nahverkehr beantragt und testet nun das neue Angebot.

07.01.2022 UPDATE: 08.01.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
Innerhalb der Stadt Walldorf können Fahrgäste seit 1. Januar kostenlos mit dem Bus fahren – und dafür auch Linien nutzen, die ihr Ziel außerhalb der Astorstadt haben. Wer über die Stadtgrenze hinausfährt, muss aber den normalen Tarif zahlen. Foto: Helmut Pfeifer

Von Timo Teufert

Walldorf. Seit genau einer Woche können die Busse in Walldorf und St. Leon-Rot kostenlos genutzt werden. Das haben die Gemeinderäte der beiden Kommunen im letzten Jahr beschlossen, nachdem der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) seine Tarifstruktur änderte und Kommunen ermöglichte, eigene Ortstarife zu entwickeln. In Walldorf folgte der Gemeinderat im Juli einstimmig einem Antrag der SPD-Fraktion auf kostenloses Busfahren. Nach dem Start des neuen Angebots machen vier Fraktionsmitglieder – Christian Schick, Andrea Schröder-Ritzrau, Petra Wahl und Manfred Zuber – nun mit der RNZ eine Testfahrt durch die Astorstadt.

Zusammen mit RNZ-Redakteur Timo Teufert (2. v.l.) teste die SPD-Fraktion mit (v.l.) Manfred Zuber, Andrea Schröder-Ritzrau, Petra Wahl und Christian Schick das neue kostenlose Busfahren in der Astorstadt. Foto: Pfeifer

Start ist an der Astoria-Halle im Norden der Stadt. Von dort geht es mit der Linie 720 bis zur Drehscheibe. Die Nutzung des neuen Tarifs ist dabei ganz einfach: Beim Einsteigen sagt man dem Fahrer sein Ziel innerhalb Walldorfs. Dieser druckt dann – um die Anzahl der kostenlosen Fahrten dokumentieren zu können – ein 0-Euro-Ticket aus. Für dieses Ticket kämpft die SPD-Fraktion laut Schröder-Ritzrau schon seit 2004: "Damals haben wir einen ersten Antrag gestellt, um den Nahverkehr in Walldorf kostenlos anzubieten. Er wurde aber abgelehnt."

Einen neuen Anlauf wagt man im November 2011 und beantragt, die Stadt solle Mehrfahrtenkarten bezuschussen. Beschlossen wird der Antrag allerdings erst im April 2013, im Mai 2013 startet dann das auf zwei Jahre befristete Konzept. Die Fahrkarten wurden nur im Rathaus ausgegeben. "Das Verfahren war schon sehr umständlich. Trotzdem ist die Nachfrage stetig gestiegen", so Wahl. Im Jahr 2015 konstatiert man einen Anstieg bei der Nutzung durch Erwachsene um 85 Prozent und bei Kindern um 98 Prozent. Die Förderung wird verlängert. "Die Dinge dauern manchmal unheimlich lange", bedauert Schröder-Ritzrau. Auch der Antrag, der nun zu dem kostenlosen Angebot geführt hat, wurde bereits im November 2019 gestellt.

An der Drehscheibe wechselt die Gruppe die Buslinie, weiter geht es mit der 749 zum Bahnhof. Unterwegs fallen den Gemeinderäten kleinere und größere Mängel ins Auge, die sie gerne beseitigen würden. Am Bahnhof stört sie zum Beispiel, dass vieles nur provisorisch ist: So findet eine Mitfahrerin die Haltestelle der neuen Linie 798 nach Speyer nicht, weil die Fahrpläne nicht bei den anderen an der Haltestellen-Säule hängen, sondern nur in Plastikfolie eingeschweißt an der nächsten Laterne. Die Gruppe setzt ihre Fahrt mit der neuen Linie bis zur Haltestelle "Campus/SAP" fort und wechselt dort noch einmal den Bus: Mit der 750 geht es zurück zur Astoria-Halle.

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Auf der Rundfahrt quer durch die Astorstadt gibt es keine Probleme. Nur ein Busfahrer kennt das Angebot der kostenlosen Tickets noch nicht, doch die vier Gemeinderäte wirken offenbar doch sehr überzeugend – er lässt die Gruppe trotzdem mitfahren. Die SPD-Fraktion zeigt sich am Ende der Tour zufrieden: "Wir freuen uns, dass unser Antrag einstimmig durchging. Und es ist wirklich hocherfreulich, dass der VRN eingesehen hat, dass es kostenlose Tickets geben kann", so Zuber. Er sieht die Stadt Walldorf mit dieser Aktion auch als Vorbild für andere: "So ein Beschluss strahlt natürlich aus. Es freut mich, dass in Heidelberg nun ähnliches überlegt wird."

"Was lange währt, wird langsam gut", findet auch Schröder-Ritzrau. Sie glaube fest daran, dass man in ein paar Monaten auch kostenlos mit dem Bus von Walldorf nach St. Leon-Rot fahren könne. Bislang muss man dafür – obwohl beide Kommunen den kostenlosen Ortstarif haben – 3,10 Euro zahlen. Sie hoffe auf die Zusage von Landrat Stefan Dallinger im Kreisrat, sich dieser Thematik annehmen zu wollen. Die Gemeinde- und Kreisrätin sieht Walldorf und St. Leon-Rot als Blaupause für den ganzen Rhein-Neckar-Kreis. "Für mich ist der Nahverkehr ,fer umme’ das Konzept der Zukunft", so Schröder-Ritzrau. Denn erst jetzt müssten die Nutzer nicht mehr über mögliche Tarife nachdenken, sondern könnten einfach einsteigen.

"Ich werde in Zukunft öfter mit dem Bus fahren und bin froh, dass es jetzt endlich soweit ist", sagt Wahl, in deren Bürgermeisterwahlkampf der kostenlose Ortstarif ein Kernthema war. "Nun müssen wir schauen, dass das neue Angebot auch gut angenommen wird." Doch es gebe noch viel zu tun, um den Nahverkehr weiter attraktiv zu machen: So müssten zahlreiche Haltestellen noch mit Überdachungen ausgestattet werden. Ein entsprechender Antrag der SPD fand vor Kurzem eine breite Zustimmung.

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