Ein Professor aus Gaiberg löst 60 Jahre altes Problem
Die elektromagnetische Korrekturlinse von Maximilian Haider sorgt für schärfere Bilder in der Elektronenmikroskopie - Für Europäischen Erfinderpreis nominiert

Maximilian Haider zeigt die Position des Korrektors im Elektronenmikroskop. Foto: Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann
Gaiberg/Rhein-Neckar. Ob es um die Lebensdauer von Batterien für Elektrofahrzeuge geht oder um die Speicherung von Strom oder Daten - bei vielen aktuellen Themen spielt Forschung auf atomarer Ebene eine bedeutende Rolle. Dass sich molekulare Strukturen bis hin zu einzelnen Kohlenstoff- oder Lithiumatomen abbilden lassen, daran hat der österreichische Physiker Prof. Dr. Maximilian Haider maßgeblichen Anteil.
Er hat es geschafft, die Bildauflösung in der Elektronenmikroskopie um mehr als den Faktor fünf zu erhöhen. Damit löste Haider ein Problem, für das die Wissenschaft 60 Jahre lang keine Lösung gefunden hatte. Seine elektromagnetischen "Korrekturlinsen" finden sich in über 90 Prozent aller weltweit auf dem Markt befindlichen korrigierten Transmissionselektronenmikroskope und haben zu deutlich schärferen und besseren Bildern geführt. Für seine Lebensleistung wurde Haider jetzt für den Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert.
Hintergrund
Jeder kann einen Erfinder für den Europäischen Erfinderpreis nominieren. Das Auswahlverfahren beruht auf einer strengen Auslese von EPA-Experten und einer unabhängigen internationalen Jury, die Innovationen nicht nur nach der technologischen Originalität, sondern auch nach
Jeder kann einen Erfinder für den Europäischen Erfinderpreis nominieren. Das Auswahlverfahren beruht auf einer strengen Auslese von EPA-Experten und einer unabhängigen internationalen Jury, die Innovationen nicht nur nach der technologischen Originalität, sondern auch nach der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkung beurteilt.
Das Europäische Patentamt verleiht diesen Preis in mehreren Kategorien am 20. Juni in Österreichs Hauptstadt Wien. Bis 16. Juni kann sich die Öffentlichkeit beteiligen und über die Website des Europäischen Patentamtes Favoriten in der Kategorie "Publikumspreis" wählen. heb
Auch elektronenoptische Linsen haben einen Bildfehler, erläutert der gelernte Optikermeister, der in Gaiberg wohnt und in seiner ruhigen und freundlichen Art bescheiden wirkt. Allerdings sei dieser Fehler sehr viel schwerer auszugleichen als bei einer Brille oder einem Lichtmikroskop.
Die Herausforderung war, das System elektronisch so zu justieren, dass der Strahl elektrisch beschleunigter Elektronen exakt an der richtigen Stelle gebündelt wird. Lange funktionierte diese Korrektur nur in der Theorie - an der Umsetzung haben sich verschiedene Forscher jahrzehntelang die Zähne ausgebissen.
In den 90er Jahren arbeitete Haider mit dem Physiker Harald Rose und dem Materialforscher Knut Urban daran, den Abbildungsfehler der Elektronenmikroskope zu beheben. Er leitete ab 1992 ein entsprechendes Projekt am Heidelberger European Molecular Biology Laboratory (EMBL).
Mit dem Cs-Korrektor entwickelte Haider schließlich ein Set magnetischer Multipolelemente, die zusätzlich in den Strahlengang gebracht werden, um den Elektronenstrahl präzise zu verformen und wieder neu zusammenzusetzen. Erst 1997, sechs Wochen vor Ablauf des EMBL-Projekts, stellte sich der Erfolg ein. Dass die Finanzierung durch die VW-Stiftung eine sehr knappe Entscheidung war, hat er erst später erfahren.
Ihm liege "das Kleine und Feine", sagt der heute 69-Jährige, der als Zehnjähriger in der Uhrmacherwerkstatt seines Vaters mechanische Uhrwerke auseinander und wieder zusammengebaut hatte. Haider hat weder Abitur noch je ein Gymnasium besucht. Der akademische Weg war ihm nicht vorbestimmt.
Großvater und Vater waren Uhrmachermeister in Oberösterreich, der Bruder übernahm den Laden - und er sollte als Ergänzung Optiker werden. Dass das seine Sache nicht war, wurde ihm spätestens beim Besuch der höheren Fachschule für Augenoptik in Köln klar: "Da stand die Farbe der Brille im Vordergrund, und ob sie zu den Haaren passt. Das hat mir nicht gereicht." Er absolvierte die Berufsbegabtenprüfung in Österreich, die in Deutschland anerkannt wurde und studierte Physik in Kiel und Darmstadt.
Um den Cs-Korrektor auf den Markt zu bringen, gründeten Haider, Rose und der Physiker Joachim Zach 1996 die CEOS Corrected Electron Optical Systems GmbH. Im Gewerbegebiet Rohrbach-Süd in Heidelberg werden die Korrektursysteme aus Rohmaterialien hergestellt, getestet und weiterentwickelt und auch Kurse für Ingenieure angeboten. Haupteigentümer ist mit 55 Prozent Maximilian Haider, ein Teil der 50 Mitarbeiter ist mit neun Prozent beteiligt. Haider ist viel unterwegs auf Konferenzen und auch in universitäre Projekte eingebunden.
Zum Beispiel bei der Universität Ulm, die im niederenergetischen Bereich forscht. Es geht darum, dass molekularbiologische Strukturen empfindlich gegenüber dem Elektronenstrahl sind. Um sie nicht zu zerstören, muss die Dosis möglichst gering sein. Dank Haiders Vorarbeit war es 2015 gelungen, mit 0.043 Nanometern einen neuen Weltrekord in der Auflösung zu erreichen - kleiner als der Radius eines Wasserstoffatoms.
Von der Nominierung für den europäischen Erfinderpreis wurde Haider überrascht. "Ich weiß nicht, wer mich vorgeschlagen hat, beinahe hätte ich die E-Mail sogar gelöscht, weil ich dachte, es sei Spam", sagt Haider und spricht von einer "schönen Anerkennung". "Die Mitarbeiter freuen sich auch. Sie sehen, dass ihre Arbeit anerkannt wird."
Info: Abstimmen über den Publikumspreis können Interessierte noch bis einschließlich Sonntag, 16. Juni, im Internet unter www.epo.org/learning-events/european-inventor_de.