Weinheimer OB empfiehlt Flüchtlingsstandort am "Steinbrunnen" zurückzuziehen
Der Hohensachsener Flüchtlingsstandort gefährde ein Neubaugebiet vor Ort.
Von Philipp Weber
Weinheim. Man kann es guten Gewissens einen Rückzieher nennen: OB Heiner Bernhard hat dem Gemeinderat jetzt empfohlen, seinen jüngsten Beschuss zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen in Teilen zu revidieren. Mehrere Stadträte bestätigten gestern einen entsprechenden Bericht in der Weinheimer Lokalpresse.
So soll sich die im November einberufene Standortfindungskommission bereits am 13. Januar ein weiteres Mal treffen, um neue Empfehlungen für das Gremium zu erarbeiten. Konkret geht es um den Hohensachsener Standort "Steinbrunnen". Hier befindet sich eine von fünf Flächen, die der Gemeinderat am 9. Dezember zum Bau von Mehrfamilienhäusern für je 40 bis 50 Flüchtlinge ausgewiesen hatte. Das Problem: Auf der Nachbarfläche steht die Erschließung eines Neubaugebiets bevor. "Auf dieses Problem hatte der Ortschaftsrat hingewiesen", so Hohensachsens Ortsvorsteherin Monika Springer.
Trotzdem ist das Kind jetzt in den (Stein-)Brunnen gefallen: Nach Angaben von Gemeinderatsmitgliedern hat der Bauinvestor eine Anwaltskanzlei in Heidelberg eingeschaltet, die Schadensersatzansprüche prüfen soll. Offenbar drohen dem Unternehmen große Schwierigkeiten bei der Erschließung, da einige Grundstückskäufer um die Rückabwicklung ihrer Verträge gebeten haben - nachdem der Ratsbeschluss bekannt geworden war. Probleme gibt es laut Springer aber auch mit dem Pächter des avisierten Unterbringungsgrundstücks: Dieser habe erst vor kurzem seine Pacht verlängert bekommen und in Rebflächen investiert.
Springer: "Vor dem 9. Dezember waren andere Unterbringungsstandorte vorgesehen, aber die wurden zerredet - und plötzlich war der Steinbrunnen ganz vorne. Andere Standorte - auch hier in Hohensachsen - wären geeigneter gewesen."
Ganz anders äußerte sich gestern Stella Kirgiane-Efremidis (SPD): "Ich warte zwar noch auf weitere Fakten, die uns der OB sicher vorlegen wird, aber heute bin ich sehr verwundert." Sie könne den Investor nicht verstehen: "Es handelt sich hier um ein einziges Mehrfamilienhaus. Es ziehen Menschen ein, die alle in diesem Land bleiben können und die ersten Integrationsschritte hinter sich haben." Der geplante Unterbringungsbau sei in keiner Weise mit den schlagzeilenträchtigen Erstaufnahmestellen des Landes oder diversen Containerstandorten zu vergleichen: "Als Störfaktoren sehe ich eher B 3 und die Feuerwache Süd." Auch Alexander Boguslawski (GAL) ist verwundert: "Vielleicht hätte die Verwaltung die Verträge mit dem Investor vor der Ratssitzung am 9. 12. lesen sollen", meint er.
Dennoch sehen Boguslawski, Springer und weitere Lokalpolitiker, die nicht namentlich genannt werden wollen, das städtische Konzept zur Anschlussunterbringung keineswegs als gescheitert an: Der Weinheimer Weg sei gangbar, weil die Findungskommission Flüchtlingshelfer und Ortsvorsteher einbeziehe. Außerdem sei schon im Dezember klar gewesen, dass die Kommission und der Gemeinderat 2016 weitere Standorte diskutieren müssen. In Hohensachsen sei jetzt eben eine "Ehrenrunde" fällig.
Umstrittener ist die Frage, wie es mit dem Standort Klausingstraße weitergeht, der ebenfalls am 9. Dezember ausgewiesen wurde. Während OB Bernhard einer Revision dieses Beschlusses sehr skeptisch gegenübersteht, will die GAL diesen Standort unbedingt verhindern: "Eine Bürgerbeteiligung, die diesen Namen verdient, hat für diese Fläche nicht stattgefunden", hält GAL-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kramer OB Heiner Bernhard als Reaktion auf dessen Interview-Äußerungen (RNZ vom 30.12.) entgegen: "Die Tatsache, dass eine Skizze des Standorts Klausingstraße auf der Bürgerversammlung vom 30. November an die Wand geworfen wurde, ersetzt keine qualifizierte Bürgerbeteiligung. Diese gab es aber an anderen Standorten zur Flüchtlingsunterbringung. Dort hatten die Anwohner Gelegenheit, auf Gemeinderat und Verwaltung einzuwirken."
Der OB solle, so Kramer, jetzt nicht so tun, als ob er standhaft alle beschlossenen Standorte verteidige. So seien auch die Standorte Sulzbach (Prinz-Friedrich-Anlage) und Friedrichstraße aus der "ersten Priorität" verschwunden. Und jetzt wolle die Verwaltung auch noch auf den "Steinbrunnen" verzichten. "Die GAL wird in der Findungskommission für den Verzicht auf den Standort Klausingstraße werben", so Kramer.
"Es macht keinen Sinn, diesen Standort durchsetzen zu wollen, wenn die Anwohner den Spielplatz erhalten wollen. Mit dem Kopf durch die Wand wird es keine Lösungen geben", so GAL-Stadtrat Uli Sckerl. Es müssten nun weitere Standorte wie der Parkplatz gegenüber dem Hallenbad "HaWei" geprüft werden. "Die GAL-Fraktion legt dabei großen Wert auf eine gerechte Verteilung der Standorte im Stadtgebiet", so der Grüne.



