Flüchtlinge in Schriesheim: Nur 40 statt 60 Menschen sollen kommen
Kreis will Familien in geplanter Unterkunft in den "Fensenbäumen" unterbringen - Kritik und konstruktive Ansätze bei Termin vor Ort

Bürgermeister Hansjörg Höfer, Familienheim-Chef Gerhard Burkhardt und Landrat Stefan Dallinger stellten sich auf Initiative von Georg Wacker (v. l.) den Fragen der Bürger am Grundstück für die geplante Flüchtlingsunterkunft im Wohngebiet. Fotos: Kreutzer
Von Carsten Blaue
Schriesheim. In Stuttgart findet gestern der zweite Flüchtlingsgipfel statt. In Schriesheim gibt es etwas Ähnliches auf lokaler Ebene. In der Straße In den Fensenbäumen 22, also am Grundstück der geplanten Flüchtlingsunterkunft, stellen sich Landrat Stefan Dallinger, der Vorstandschef der Baugenossenschaft Familienheim Rhein-Neckar, Gerhard Burkhardt, und Bürgermeister Hansjörg Höfer den Fragen der besorgten Bürger. Initiiert hat das Treffen der hiesige CDU-Landtagsabgeordnete, Georg Wacker, der es auch moderiert. Er wohnt ebenfalls im Wohngebiet "Fensenbäumen", in dem die Familienheim vier Doppelhaushälften bauen will, der Rhein-Neckar-Kreis möchte sie für zehn Jahre mieten. Wichtigste Ergebnisse des eineinhalbstündigen Termins vor Ort: Vertreter der Bürger sollen in die weiteren Planungsschritte einbezogen werden; das Bauvolumen werde laut Burkhardt von 750 auf 550 Quadratmeter reduziert; zudem sollen hier nur noch 40 statt 60 Personen untergebracht werden, und es sollen Familien sein. Das verspricht Dallinger und sagt: "Sie können mir vertrauen. Bislang hat der Rhein-Neckar-Kreis alle Zusagen eingehalten." Da geht ein Raunen durch die Menge.
Das Misstrauen der Bürger ist spürbar. Dennoch bleibt die Diskussion, die auch die Mitglieder des Ausschusses für Technik und Umwelt mitverfolgen, zumeist fair. Wacker mahnt eingangs an, dass neben den Flüchtlingen auch die Bürger einen Anspruch auf soziale Verantwortung ihnen gegenüber hätten. Für die "Fensenbäume" bedürfe es einer "vernünftigen Lösung".
Dallinger führt zunächst die Probleme seiner Behörde vor Augen und erinnert an die Flüchtlingszahlen, die dem Kreis monatlich zugewiesen werden - alleine 500 im Juli, wohl 600 im August: "Da ergreifen wir jeden Strohhalm". Also sei er der Familienheim dankbar für ihr Angebot gewesen. Burkhardt sagt, der Bauantrag sei eingereicht, "alles andere geht seinen rechtlichen Weg". Und er bekräftigt: "Die Pläne sind mit dem Rhein-Neckar-Kreis abgestimmt. Wir wollen möglichst schnell nach dem Kenntnisgabeverfahren beginnen. Schließlich brauchen wir acht Monate Bauzeit." Zum öffentlichen Disput mit Höfer über den Streitpunkt Veränderungssperre kommt es nicht.
Wohl aber sagt der Rathauschef: "Ich hätte mir früher ein Zugehen auf die Stadt gewünscht, dann hätten wir heute auch nicht auf der Straße diskutieren müssen." Ein Bürger moniert, die Kommunikation seitens des Kreises sei "voll in die Hose gegangen".
Dallinger begründet das bisherige Schweigen damit, dass die Unterkunft weder baurechtlich in trockenen Tüchern sei, noch gebe es einen Mietvertrag. Bei acht Monaten Bauzeit sei für die Bürger zudem noch genug zeitlicher Spielraum, sich auf die Situation einzustellen. Und für den Kreis, nach einer Lösung zu suchen, die auch im Sinne der Bürger sei, kontert ein Anwohner: "Im Moment machen Herr Burkhardt und Herr Dallinger die Lösung und nicht wir. Sozialen Frieden gibt es so nicht." Und wieder steht auch die Frage nach der Betreuung der Flüchtlinge im Raum. Dallinger sagt, ein Sozialarbeiter und eine Verwaltungskraft komme auf 120 Personen. Mehr Stellen seien da, aber immer schwerer zu besetzen.
Umso wichtiger sei das ehrenamtliche Engagement vor Ort. Für Schriesheims "Runden Tisch Integration" spricht Fadime Tuncer. Es gebe sie schon, die Strukturen der Hilfe. Sie lade die Anwohner der "Fensenbäume" ein, daran mitzuwirken: "Denn Integration muss vom ersten Tag an sein. Egal, welchen Status die Flüchtlinge haben. Außerdem kommen Menschen zu uns, keine Kriminellen." Wenn es Konflikte gebe, dann eher unter ihnen selbst. Außerdem habe es noch nirgends im Kreis eine gravierende Störung gegeben, so Dallinger. Was Bernd Hegmann die Zornesröte ins Gesicht treibt. Der Polizist des Postens Schriesheim ist in zivil als Bürger da.
An einem anderen Punkt lässt Manfred Falkenburg nicht locker: "Dieser Platz ist der falsche Platz", meint er. Der Wiesenweg sei besser. Dort stünden schon die Obdachlosenunterkünfte. Dallinger sagt, in fünf Jahren habe der Kreis noch nie den richtigen Standort gewählt, "denn betroffen davon ist immer jemand". Höfer ergänzt, die Idee mit dem Wiesenweg höre sich einfacher an als sie sei. Und dass die Stadt derzeit nicht über bebaubare Grundstücke verfüge, sagt er gleich dazu.
Die Entwertung ihrer Häuser, der Wunsch nach sinnvollen (und bezahlten) Beschäftigungen für die Flüchtlinge, die Angst um ihre Familien und die Sorge, dass es andere Bauträger der Familienheim gleich tun könnten, sind weitere Aspekte, die die Bürger umtreiben.
Schließlich ist es Wacker, der einen Koordinierungskreis anregt, um ein Beteiligungsverfahren der Bürger in Gang zu bringen. Er zieht das Fazit des Treffens, dass man zumindest Ansatzpunkte formuliert habe. Ab jetzt werde man den Landrat "im konstruktiven Sinne" nicht mehr in Ruhe lassen: "Das heute war der Anfang eines zielführenden Dialogs."



