Edingen-Neckarhausen: Ehepaar unterstützt Flüchtlingsfamilie aus Syrien
"Einfach den Mut haben, Mensch zu sein" - Die Helfer berichten von belastenden, aber auch vielen schönen Erfahrungen

Deutsch-syrisches Familienglück: Jutta (2.v.r.) Neuwirth haben sich einer Flüchtlingsfamilie angenommen. Inzwischen sind die Neuwirths und die Somos ein Stück weit zusammengewachsen. Foto: Kern
Von Stefan Kern
Edingen-Neckarhausen. Klar ist es viel. Jutta und Gerhard Neuwirth haben sich einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien angenommen. Und was das an Verantwortung mit sich bringt und auch an Engagement erfordert, war ihnen am Anfang nicht ganz klar. Gerade die ersten Schritte zur Integration, zum Ankommen in Deutschland sind aufwendig und für Flüchtlinge, die kaum ein Wort Deutsch sprechen, schwer zu schaffen.
Und so hatten die vergangenen Monate schon etwas von einem Institutionenmarathon. Das war immer Mal wieder belastend und kompliziert. Aber von Überlastungen wollten die Neuwirths im Gespräch mit der RNZ nichts wissen.
"Deutschland braucht mehr Pragmatismus"
"Uns geht es so gut, und der Mensch ist weit belastbarer, als viele glauben." Unter dem Teilen von Zeit steht in den Augen der beiden jedenfalls ein dickes Plus. Denn nun ist nicht nur die Familie Neuwirth für die Familie Somo wichtig. Sondern auch die Somos für die Neuwirths.
Begonnen hat die Geschichte im März. Den Neuwirths kam zu Ohren, dass eine syrische Familie aus der Nähe von Aleppo eine Wohnung sucht. Der Vater von Gerhard Neuwirth besitzt in Edingen ein kleines Mehrfamilienhaus. Dort war gerade eine Zwei-Zimmerwohnung frei: "Wir haben dann gar nicht lange überlegt und uns dazu entschieden, die Wohnung an diese syrische Familie zu vermieten."
Für Kifarkis Somo, seine Frau Marta David, deren Sohn Ninos Somo, dessen Ehefrau Gehan Youkhana und deren vier-jährige Tochter Ninweh Somo das reine Glück. Doch es währte zu Beginn nicht lange. Aus Gründen, die im Nachhinein niemand mehr ganz nachvollziehen kann, musste die Familie nach Esslingen.
Gerade eben eingezogen, in der Nähe syrische Bekannte - und wieder in die Fremde: "Nicht wirklich optimal." Es hieß, die Familie sei in zwei bis drei Wochen wieder zurück. Gedauert hat es bis zum 19. Juli und die Rückkehr gelang wohl nur, weil die Neuwirths sich massiv für Familie Somo eingesetzt haben.
Kritisieren will das Paar die deutsche Bürokratie trotzdem nicht. Im Gegenteil, die Neuwirths fühlten sich durch die verschiedenen Ämter gut unterstützt. So gut, dass sie Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen Dankesbrief schrieben.
Immer wieder, so die Neuwirths in dem Schreiben, trafen sie in den verschiedenen Ämtern auf "hervorragende Mitarbeiter, die eine großartige Leistung erbrachten". Daher überrascht es auch nicht weiter, dass der ganze politische Wirbel aus ihrer Perspektive so nicht nachzuvollziehen ist. Natürlich gebe es Probleme, und diese würden auch nicht schnell gelöst, sagen die Beiden.
Sie plädieren aber für mehr Nüchternheit und Ruhe. Deutschland und die Deutschen ständen nicht an der Belastungsgrenze: "Etwas weniger Befindlichkeiten und etwas mehr Pragmatismus", empfehlen die Beiden. Darüber hinaus wünscht sich Jutta Neuwirth einfach auch etwas mehr Verständnis für die Flüchtlinge: "Die sind nicht freiwillig oder gar gerne gekommen. Die sind geflüchtet, um ihr Leben zu retten." Beide betonen, dass es um Anstand und Menschlichkeit gehe. Und wenn das in Europa und Deutschland nicht mehr gelte, sei etwas kaputtgegangen und etwas Gefährliches in Gang gesetzt.
Ganz privat gilt die Familie Somo für die Neuwirths mittlerweile als Teil der eigenen Familie. Es wird zusammen gekocht, Zeit verbracht, sich gegenseitig geholfen: So bringen die Beiden die vierjährige Ninweh in den Kindergarten oder führen Elterngespräche. Ninos Somo, von Haus aus Hoch- und Tiefbauingenieur, hat bei dem Schifferstadter Unternehmen "Heberger Bau" einen Praktikumsplatz ergattert. Vormittags Deutschunterricht und nachmittags in der Heidelberger Bahnstadt zur Arbeit: "Das läuft ideal." Auch seine Frau Gehan Youkhana nimmt Deutschunterricht, und die Eltern werden demnächst damit anfangen.
Trotzdem gebe es noch viele Schwierigkeiten zu bewältigen. Und mache müssen auch eher ausgehalten, denn gelöst werden. Aber für die Neuwirths ist der Satz, die Menschen aus Syrien seien eine Bereicherung, wahr: "Es ist ein wunderbares Gefühl, diesen Menschen helfen zu können." Und dieses Gefühl würden sie gerne mit mehr Menschen teilen. Jeder kann irgendwie helfen und sei es auch nur ein klein wenig. Deutschland würde es in den Augen des Ehepaares gut tun - und den Flüchtlingen sehr helfen.



