So lief K.I.Z.-Rapper Tarek Ebénés Auftritt in der Halle02
Musiker präsentierte in Heidelberg sein erstes Solo-Album - Gesanglich löst sich der Berliner vom Stil seiner Band

Von Matthias Kehl
Heidelberg. Schwarze Lederjacke, dunkle Kappe und Sonnenbrille: Rein optisch gleicht Tarek Ebéné dem Stereotypen eines Gangsta-Rappers, als er am Mittwochabend in der Heidelberger Halle02 die Bühne betritt. Über 800 Zuschauer sind zur Solo-Show des 34-Jährigen gekommen, der Gründungsmitglied des Deutschrap-Trios K.I.Z. ist. "Heidelberg, ich habe gehört, bei euch sind die Straßen aus Gold", scherzt der aus dem urbanen Berlin kommende Hip-Hop-Artist beim Tour-Stopp in der Bahnstadt.
Schon der sanft einsetzende Glockenspiel-Sound und das in roten Dunst getauchte Bühnenbild deuten an, dass Ebéné als Solo-Künstler musikalisch neu ansetzt. Statt mit gewohnt aggressivem Sprechgesang hört man den Rüpel-Rapper mit Kopfstimme singen. Im Song "Ticket hier raus" zeichnet er melodisch und mit düsteren Lyrics einen grauen Alltag nach, aus dem es scheinbar kein Entkommen gibt. Eine ähnliche Stimmung vermittelt "Kaputt wie ich". Ein Lied, in dem Ebéné von enttäuschter Liebe und dem einsamen Nachtleben erzählt.
Die Tracks aus "Golem", dem ersten Solo-Album des Berliners, das im Februar direkt auf Platz Eins landete, kommen nicht nur deutlich poppiger daher. Ebéné setzt auch inhaltlich, anders als in seinen oft sarkastischen K.I.Z.-Parts, eine deutlich persönlichere Note. Der Song "Frühlingstag" ist seinem verstorbenen Vater gewidmet, der ihn im Jahr 2000 in die Hauptstadt holte. Ebéné, der zuvor mit seiner Mutter in Valencia wohnte, verdanke seinen musikalischen Werdegang seinem aus Kamerun stammenden Vater. Der Mann, der ihn inspirierte und die ersten Auftritte von K.I.Z., "damals in besetzten Häusern", hautnah begleitete.
Die "Wurzel seines verkorksten Charakters" verarbeitet Ebéné im Song "Letzte Chance", welcher von häuslicher Gewalt durch seinen Stiefvater in Spanien handelt. Erfahrungen, die Ebéné – wie er sagt – bis heute prägen. Und dafür sorgen, dass er selbst "Fernbeziehungen auf 50 Quadratmetern" führt, wie er im Song "Liebe" zu verstehen gibt.
Dass Sound und Lyrics für viele eingefleischte K.I.Z.-Fans im Publikum noch ungewohnt sind, wird ebenfalls deutlich. Der harte Kern springt und pogt zu den melancholischen Melodien. Doch auch Anhänger der selbst ernannten Kannibalen in Zivil – eine der Abkürzungen für K.I.Z. – bedient Ebéné. A cappella bringt er Klassiker wie "Ein Affe und ein Pferd" – eine Rap-Persiflage auf die Pippi-Langstrumpf-Melodie. Auch bei "Glücklich und Satt", ein Lied aus dem jüngsten K.I.Z.-Album "Hurra, die Welt geht unter!" wippen die Hände der Menge zum Beat.
Bei einigen Tracks seines neuen Werks legt Ebéné die Schwermütigkeit ab, spielt mit Selbstironie und Wortwitz. Im Funk-Song "Nubischer Prinz" fragt der dunkelhäutige Rapper "Was ist ein Sonnenbrand? Was ist ein Konto-Stand?"und zeigt Unwissenden auf einem Dromedar reitend "das Morgenland". Die Folgen von übermäßigem Kokain-Konsum kommen in "Weißer Drache" zur Sprache. Halb Prolet, halb Poet. Ebéné spielt bewusst mit den Gegensätzen. Mit "Der Himmel brennt" präsentiert der Rapper dem Publikum sogar noch eine bisher unveröffentlichte Single.
Seine ganze Aggression packt der K.I.Z.-Rapper in den Song "Wenn du stirbst". Dafür lässt er in der Mitte der Halle einen menschenleeren Kreis bilden. Zum Refrain stürmen die hartgesottenen Fans wild aufeinander zu, rempeln und tanzen zum Beat. Ebéné gibt volle Energie. "Heidelberg, bei so viel Körperkontakt kann jeder Konzert-Besuch mit einem Coronavirus enden", ruft er, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Der Moshpit entzerrt sich wieder.
Nach gut 70-minütiger Bühnen-Show verabschiedet sich Ebéné mit dem Song "Freak" und einer beachtlichen Gesangsleistung. Feuerzeuge und Smartphone-Lichter leuchten dazu in der Menge. Ein Schlussakkord, der die Bandbreite des Abends zusammenfasst: Der Rüpel-Rapper hat sich neu erfunden.