Wenn Freier Frauen beim Sexkauf als Ware betrachten
Was bezahlter Sex wirklich kostet: Im Rahmen der Themenreihe "Signal - Rot" sprach Sozialarbeiterin Kerstin Neuhaus mit fast 100 Freiern.

Mosbach. (brw/RNZ) Knapp 100 Interviews hat Kerstin Neuhaus mit Männern geführt, die für Sex Geld bezahlen. Im Rahmen der Reihe "Signal – Rot", mit der der Club der Mosbacher Soroptimisten das Thema Prostitution aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet hat, stellte die Sozialarbeiterin und Geschäftsführerin von "Augsburger:innen gegen Menschenhandel" im Rathaus die Ergebnisse ihrer Sozialforschung vor.
Dass Frauen unter falschen Versprechungen aus dem Ausland nach Deutschland gelockt und dann bewusst in finanzielle Abhängigkeit gebracht werden, um sie zur Prostitution zu nötigen, wurde im Rahmen der Vortragsreihe bereits aufgezeigt. "Sie wissen, was sie tun", betonte Soroptimist-Präsidentin Ulli Erne-Barth in ihrer Einführung mit Blick auf die Freier.

Dass Erne-Barth die Situation damit treffend beschrieben hat, machte Neuhaus in der folgenden Stunde klar. Dabei ließ sie es nicht unerwähnt, dass die Studie aufgrund der zu geringen Fallzahl zwar nicht repräsentativ sei, aber durchaus interessante Hinweise gebe. Im Durchschnitt waren die befragten 96 Freier 25 Jahre alt und kamen aus allen Gesellschaftsschichten. Die Gruppe deckt das gesamte Bildungs- und Einkommensspektrum ab.
85 Prozent haben die deutsche Staatsbürgerschaft und 56 Prozent sind entweder verheiratet gewesen oder lebten zum Befragungszeitpunkt in einer Beziehung. Ein erster "Sexkauf" fand mit durchschnittlich 22 Jahren statt und bei 41 Prozent geschieht das mindestens einmal im Monat. Die häufigsten Begegnungsorte sind das Bordell und die Straße.
Die Studie sei extrem kräftezehrend gewesen, berichtete Kerstin Neuhaus. Manche der Interviewerinnen in ihrem Team seien einen Großteil der Zeit damit beschäftigt gewesen, ihre Grenzen zu verteidigen – andere wurden sogar physisch angegriffen. Auffällig sei der "extreme Mangel an Empathie" bei den Freiern gewesen und die daraus resultierenden "menschenverachtenden Aussagen über die Frauen".
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Die Freier wissen sehr gut Bescheid über die zweifelhaften kriminellen Anwerbestrategien der Zuhälter, um Frauen gefügig zu machen. Dabei würden Zuhälter auch gegen die Familien der in Abhängigkeit gebrachten Frauen, die zu Hause meist Kinder haben, Drohungen aussprechen. Ein Leben in der Prostitution verändere die Frauen massiv, so Neuhaus. Freier betrachteten sie als Ware, für die sie bezahlt haben. Zudem zeigte ihre Studie, dass Männer, die die Prostitution nutzen, tendenziell eher gewaltbereit seien als andere.
Auch mit der Frage, welche Faktoren Männer vom Sexkauf abhalten könnten, beschäftigte sich die Sozialarbeiterin – und kam als Antwort wie einige ihrer Vorredner auf das "nordische Modell" zu sprechen: Dieser Ansatz wird in Schweden schon erfolgreich praktiziert, Freier müssen dort mit einer Strafverfolgung rechnen.
Ein potenziell wirksames Mittel stelle zudem die öffentliche Anprangerung dar, etwa durch den Eintrag in ein Register. Vorstellbar sind für Neuhaus auch Plakate mit Fotos und Namen der ertappten Freier. Prostituierten sollten dagegen flächendeckende Ausstiegsmöglichkeiten angeboten werden.
In der anschließenden Diskussion kam die Frage auf, warum in einem Land, in dem so viel reglementiert ist, ausgerechnet beim Thema Prostitution der Staat so völlig außen vor bleibe. Auch ihr fehle jedes Verständnis dafür, so Neuhaus. Seit etwa drei Jahren stelle sie jedoch eine veränderte Aufmerksamkeit, besonders seitens der Medien, fest. Und die CDU/ CSU-Fraktion habe immerhin ein Positionspapier zum Thema Prostitution veröffentlicht und sich darin für das nordische Modell ausgesprochen. Neuhaus forderte konkret dazu auf, Briefe an die politischen Mandatsträger im eigenen Wahlkreis zu schreiben, um diese auf die sich immer mehr zuspitzende Situation in der Prostitution hinzuweisen. Verbunden werden solle dies mit der Bitte, sich dafür einzusetzen, die katastrophale Lage für die Frauen dort zu verbessern.