Raser hält sich nach Rennen mit Todesfolge für unschuldig (Update)
Bei dem Unfall im Mai 2020 war ein 23-jähriger Motorradfahrer gestorben. Ein 22-Jähriger wurde nun zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt.

Von Caspar Oesterreich
Mosbach. "Auch anderthalb Jahre nach dieser Tragödie kann ich mit reinem Gewissen sagen: Ich bin unschuldig!" Mit eindringlichen Worten wies Daniel W. zu Beginn des gestrigen Berufungsverfahrens am Mosbacher Landgericht erneut jede Verantwortung am Tod eines 23-jährigen Motorradfahrers von sich. Er sei am Abend des 28. Mai 2020 mit seinem Golf "ganz normal, vielleicht mit 60 km/h" auf der B27 unterwegs gewesen; die ihm folgende Suzuki habe er nicht bemerkt. "Auf gar keinen Fall bin ich ein Rennen gegen das Motorrad gefahren", beteuerte der 22-jährige Automobilkaufmann.
Das Gericht sah das anders. Nach siebeneinhalbstündiger Verhandlung verurteilte die Kammer unter Vorsitz von Richter Christian Trunk den Beschuldigten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 2000 Euro. Nach einer Frist von drei Monaten kann W. seine Fahrerlaubnis im November wieder beantragen; die Kosten des Verfahrens und des Berufungsprozesses (diesen zu zwei Dritteln) hat er zu tragen.
"Den Einlassungen ihrer Lebensgefährtin, die als Beifahrerin nichts von den riskanten Fahrmanövern mitbekommen haben will, ist kein Glauben zu schenken", erklärte Richter Trunk. Wohl aber den Aussagen der anderen acht Zeugen, die von "enormer Geschwindigkeit", "aufheulenden Motorengeräuschen" und "waghalsigen Spurwechseln" des Beschuldigten und seines Verfolgers berichteten. Eine Zeugin gab an, dass die Suzuki zwischen Jet-Tankstelle und "Wanne" (B 27/Abzweig Eisenbahnstraße) "noch ganz normal, wie alle anderen mit 50, maximal 60 km/h" gefahren sei und erst später, "nach dem Halt neben dem Golf an der Ampel in der Wanne" stark beschleunigt habe.
"Der Sachverständige hat anhand der verschiedenen Zeugenaussagen eindrücklich vorgerechnet, dass Sie auf der rund 800 Meter langen Strecke zwischen Wanne und Kreuzung Neckarelzer Straße im Mittel mit 103 beziehungsweise 105 km/h gefahren sein müssen – und das im dichten Berufsverkehr", fasste Trunk in seiner Urteilsbegründung zusammen. "Und Sie wussten dabei, dass das Motorrad dicht hinter Ihnen fährt. Das können Sie nicht nicht bemerkt haben. Sie haben sich auf das Rennen eingelassen."
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Zugunsten des Beschuldigten wirkte sich jedoch aus, dass der Motorradfahrer selbst als Teilnehmer des Rennes zu sehen sei. Der Straftatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge komme damit nicht mehr infrage, begründete der Richter die Herabsetzung des ursprünglichen Strafmaßes.
Update: Montag, 2. August 2021, 17.13 Uhr
Raser nach Straßenrennen mit Todesfolge verurteilt
Von Caspar Oesterreich
Mosbach. Einsehen wollte der Angeklagte das Urteil nicht. Während der Begründung schüttelte Daniel W. immer wieder den Kopf und schnaubte. Doch nach den Aussagen von elf Zeugen sah es Richter Hendrik Gaude als erwiesen an, dass der 22-jährige Automobilkaufmann im Mai 2020 ein illegales Straßenrennen auf der B27 in Mosbach initiiert und sich nach dem tödlichen Sturz seines Kontrahenten unerlaubt vom Unfallort an der Kreuzung zur Alten Neckarelzer Straße entfernt hatte. Sichtlich geschockt, deshalb zu einer Haftstrafe von 13 Monaten auf Bewährung verurteilt worden zu sein, stürmte der Beschuldigte nach Schließung des Verfahrens aus dem Gerichtssaal.
Schon zu Beginn der gestrigen Verhandlung stritt W. die Tatvorwürfe ab: "Ich mache mir jeden Tag Gedanken darüber, wie das passieren konnte, kann aber keinen Zusammenhang mit mir finden", erklärte er vor dem Amtsgericht. Er berichtete, am Abend des 28. Mai vergangenen Jahres "normal, vielleicht etwas zu schnell mit 60 km/h" in seinem Golf GTI auf der B27 unterwegs gewesen zu sein. Auch gab er zu, mehrmals zwischen dem Abzweig zur Eisenbahnstraße und dem rund 800 Meter entfernten Unfallort die Fahrstreifen gewechselt und dabei mehrere Autos überholt zu haben. Dass ihm dabei der später tödlich verunglückte 23-jährige Motorradfahrer dicht gefolgt sei, habe er allerdings nicht bemerkt. Eine Absprache zu einem Rennen habe es ebenfalls nicht gegeben. "Da bin ich mir zu hundert Prozent sicher", betonte der Angeklagte.
Erst als er schon an der Ampel gestanden sei, habe er circa 35 Meter hinter sich ein lautes Geräusch vernommen und den verunfallten Motorradfahrer bemerkt. Da er sich jedoch nicht als Unfallbeteiligter wahrgenommen habe, sei er der Aufforderung der Polizei, die Örtlichkeit zu verlassen, um Platz für die Rettungskräfte zu machen, gefolgt und davongefahren, ohne seine Personalien zu hinterlassen.
Doch je mehr Zeugen in ihren Aussagen von hohen Geschwindigkeiten und waghalsigen Überholmanövern eines Golf-Fahrers und des Bikers berichteten, desto stärker wurden die Zweifel an den Ausführungen des Beschuldigten. Auch die Tatsache, dass der Angeklagte bereits wenige Wochen nach seinem 18. Geburtstag wegen deutlich überhöhter Geschwindigkeit aufgefallen war und infolgedessen eine Nachschulung absolvieren musste, trug nicht zu der Strategie von Verteidiger Werner Meisenbach bei, der seinen Mandanten als verantwortungsbewussten und zuverlässigen jungen Mann darstellte. Zumal W. nur neun Tage vor dem tragischen Unfall bereits mit 71 km/h im Mosbacher Stadtgebiet geblitzt worden war.
Im Mittelpunkt der Urteilsfindung stand die Frage, ob W. und der verunglückte Motorradfahrer aus Sinsheim tatsächlich ein Rennen ausgetragen hatten oder doch unabhängig voneinander nur zügig Richtung Neckarelz unterwegs gewesen waren. Laut Verteidigung sei ein Straßenrennen "auf der kurzen Strecke überhaupt nicht möglich". Da der Motorradfahrer mehr als 34 Meter hinter dem Golf des Angeklagten verunglückt sei, sah Meisenbach keine Strafbarkeit seines Mandanten. Die Staatsanwaltschaft forderte dagegen 15 Monate auf Bewährung.
Aufgrund der Spurwechsel und vor allem der Aussage einer Zeugin, die die Fahrweise des Motorradfahrers zwischen der Jet-Tankstelle und der "Wanne" als "normal" beschrieben hatte ("erst als der Golf Gas gegeben hat, ist er hinterher"), könne und müsse man von einem Rennen ausgehen, so der Richter in seiner Urteilsbegründung. Da der Motorradfahrer selbst einen erheblichen Anteil am tragischen Ausgang des Rennes gehabt hätte, "ist das Strafmaß an der unteren Grenze anzusiedeln", erklärte Hendrik Gaude. Möglich wären bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe gewesen. Allerdings muss W. noch weitere fünf Monate auf seinen Führerschein verzichten und 2000 Euro als Bewährungsauflage an den DRK-Kreisverband bezahlen.
Update: Mittwoch, 3. März 2021, 18.28 Uhr
Angeklagter bestreitet Beteiligung an tödlichem Straßenrennen
Mosbach. (dpa-lsw) Im Prozess um ein mutmaßliches Straßenrennen mit einem Todesopfer in Mosbach hat der Angeklagte die Vorwürfe bestritten. "Ich mache mir jeden Tag Gedanken darüber, wie das passieren konnte, kann aber keinen Zusammenhang mit mir finden", sagte der 22-Jährige am Mittwoch vor dem Amtsgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Teilnahme an einem verbotenen Rennen mit Todesfolge und Unfallflucht vor.
Er soll der Anklage zufolge mit einem Motorradfahrer um die Wette gerast sein. Als der Autofahrer an einer roten Ampel bremste, musste der 23 Jahre alte Motorradfahrer demnach eine Vollbremsung machen, wobei er die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und gegen eine Laterne prallte. Er starb noch an der Unfallstelle. Der Angeklagte soll nach dem Unfall Ende Mai 2020 weitergefahren sein, ohne sich als Beteiligter zu erkennen gegeben zu haben.
Vor Gericht bestritt er, den Motorradfahrer überhaupt gesehen zu haben. Auch eine Absprache zu einem Rennen habe es nicht gegeben. "Da bin ich mir zu hundert Prozent sicher." Die Richter könnten einer Sprecherin zufolge bereits am Mittwoch ein Urteil sprechen.