Neckar-Odenwald-Kreis

Wie Glasfaser in die Häuser kommt (plus Fotogalerie)

Der BBV hat mit dem Netzausbau im Landkreis begonnen. Immobilienmakler sehen Wertsteigerung durch Zukunftstechnologie.

24.11.2021 UPDATE: 30.11.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
Bauleiter Artur Bakowski zeigt, wie die einzelnen Hausanschlüsse im Kabelverteiler-Kasten ankommen. In den weißen Disketten werden sie mit dem Hauptkabel verbunden. Foto: Caspar Oesterreich

Von Caspar Oesterreich

Neckar-Odenwald-Kreis. Mit einer großen, in der kalten Morgenluft verführerisch dampfenden Kanne Kaffee in der Hand sucht sich Gustav Grabisch vorsichtig einen Weg über die kleine Baustelle in seinem Vorgarten. "Die Herren wollen sich doch bestimmt ein wenig aufwärmen", sagt er an die vier jungen Männer in leuchtend gelben Jacken gewandt, die auf seiner niedrigen Gartenmauer sitzen und kurz verschnaufen. Dankend nehmen sie an, obwohl keiner von ihnen zu frieren scheint.

Schweißtreibend waren die vergangenen anderthalb Stunden für den Bautrupp allemal, haben sie doch eine 60 Zentimeter tiefe Schneise durch Grabischs Vorgarten gegraben, ein kleines Loch in die Kellerwand gebohrt, ein dünnes Plastikröhrchen hindurchgeschoben und sogleich die Außenwand wieder abgedichtet. "Dafür benutzen wir einen speziellen, chemischen Schaum", betont Artur Bakowski, Bauleiter des Glasfaser-Ausbaus in Schwarzach im Auftrag der BBV Deutschland. "Das muss zu hundert Prozent dicht sein, da darf kein Tropfen Wasser, kein Feuer und vor allem kein Gas durchkommen", macht er deutlich.

Denn manchmal ("selten, aber es kommt vor") seien die Gasleitungen unter den Straßen an ihren Verbindungsstellen nicht vollständig dicht. "Weil Gas schwerer als Luft ist, sammelt es sich dann nach und nach am beziehungsweise im Boden, und könnte im schlimmsten Fall in den Keller sickern", warnt der Experte, stellt aber sofort klar: "Das wird hier nicht passieren, wir passen immer auf, dass das Loch ordentlich abgedichtet ist."

Hintergrund

> Vom Prinzip her funktioniert der Glasfaser-Ausbau in jeder Gemeinde gleich: Am Ortseingang gibt es immer einen Übergabepunkt, der die Verbindung mit dem Backbone in Aglasterhausen bzw. Buchen schafft.

> Im sogenannten Multifunktionsgehäuse (MFG) werden die

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> Vom Prinzip her funktioniert der Glasfaser-Ausbau in jeder Gemeinde gleich: Am Ortseingang gibt es immer einen Übergabepunkt, der die Verbindung mit dem Backbone in Aglasterhausen bzw. Buchen schafft.

> Im sogenannten Multifunktionsgehäuse (MFG) werden die einzelnen Glasfaser-Stränge dann den jeweiligen Kunden in der Gemeinde zugeteilt.

> Vom MFG führen Hauptleitungen zu den einzelnen weißen Kabelverteiler-Kästen (KV), von wo aus die Stränge (jeder beinhaltet im Regelfall zwölf einzelne Glasfasern) in die Haushalte geführt werden. Über jeden KV können maximal 144 Haushalte angeschlossen werden.

> "Es darf nicht zu kalt sein, wenn die Glasfaser durch die Leerrohre eingeblasen wird", erklärt Anna-Maria Mack, Baukoordinatorin bei der BBV. "Denn Glasfaser ist sehr spröde."

> Deshalb müsse auch beim Spleißen im KV, also dem Verbinden der einzelnen Hausanschlüsse mit dem Hauptkabel, "sehr sorgfältig" gearbeitet werden.

> Beim Spleißen werden die Glasfasern in einem speziellen Gerät mithilfe extrem heißen Plasmas verbunden.

> "Wir kontrollieren auf einem Bildschirm unter starker Vergrößerung, dass die Fasern perfekt aufeinandertreffen. Mit dem bloßen Auge, den Händen würde das gar nicht funktionieren", sagt Anna-Maria Mack.

> Im Haus werden die Glasfasern in einen ONT (eine Art Buchse) geführt, von wo aus der Router (es empfiehlt sich ein Cat-6-Netzwerkkabel oder höher) angeschlossen werden kann.

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Seit mehr als 20 Jahren schon verlege er mit seiner Firma F-Tech Glasfaserkabel in halb Europa, in der vierten Saison arbeite er für die BBV, sagt Artur Bakowski. "Die Deutschen sind ziemlich spät dran mit dem Glasfaser-Ausbau. Da sind wir bei uns in Polen, in vielen Teilen Osteuropas schon lange deutlich weiter mit unserer digitalen Infrastruktur", berichtet er und kann sich ein kurzes schelmisches Grinsen nicht verkneifen. "Aber jetzt seid ihr ja auch dran."

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Wie Gustav Grabisch haben sich auch zahlreiche seiner Nachbarn in Schwarzach für einen Glasfaseranschluss entschieden, auch durch ihre Vorgärten werden gerade die Hausanschlüsse verlegt. 398 Verträge hat die BBV in der Gemeinde bereits während der Vorvermarktungsphase abgeschlossen, seitdem seien noch einmal 41 dazu gekommen. "Wenn die Leute sehen, dass wir mit dem Bagger bei ihren Nachbarn anrollen, entscheidet sich so mancher auch noch dafür, auf den Zug aufzuspringen", berichtet BBV-Sprecher Thomas Fuchs. Das zeige sich aktuell nicht nur in Schwarzach, sondern auch in Aglasterhausen und Obrigheim, wo die BBV ebenfalls mit dem Glasfaser-Ausbau bereits begonnen hat.

"Wir arbeiten an vielen Stellen parallel, schließen die Häuser in den Gemeinden an, ziehen die Hauptleitungen durch die Straßen, während gleichzeitig die dicken Kabel aus Frankfurt bis zu den sogenannten Backbones, also den zentralen Übergabestellen im Landkreis in Aglasterhausen und Buchen verlegt werden", so Fuchs. Im nächsten Schritt werde die Glasfaser über Buchen-Süd, Limbach und Fahrenbach nach Neckargerach geführt. "Dort entsteht ein wichtiger Knotenpunkt für das kreisweite Glasfasernetz. Dieser wird dann mit dem Backbone in Aglasterhausen verbunden, den wir ebenfalls bauen." Insgesamt hätten sich bisher über 24.000 Kreisbewohner für einen Glasfaseranschluss der BBV entschieden.

"Ich mache das nicht für mich, ich ziehe ja bald aus. Für mich würde auch die bisherige Geschwindigkeit reichen", erklärt Gustav Grabisch. "Aber meine Tochter bekommt das Haus, und mein Enkel wollte unbedingt das schnelle Internet haben. Aus meiner Sicht ist das eine Investition in die Zukunft."

Da kann Sebastian Stock, Immobilienexperte aus Mosbach und Regionaldirektor im Bundesverband für die Immobilienwirtschaft (BVFI), nur zustimmen. "Wie schnell die Internetverbindung am potenziellen neuen Wohnort ist, ist mittlerweile ein extrem wichtiges Thema geworden", sagt Stock. Zwischen 80 und 90 Prozent der Interessenten würden bei Besichtigungen danach fragen. "Ein Glasfaser-Anschluss ist definitiv ein gutes Verkaufsargument, ich schreibe das auch immer ins Exposé rein." Bei Gewerbeimmobilien spiele die verfügbare Bandbreite sogar eine noch wichtigere Rolle als bei Privathäusern und Eigentumswohnungen. Wichtig sei, dass die Anschlüsse ordentlich verlegt sind, am Fundament nichts beschädigt wird, sagt Stock: "Abdichtung ist das A und O, das muss gut gemacht werden. Da sollte man dabei sein und Fotos machen, dann ist man im Schadensfall auf der sicheren Seite."

"Ich empfehle meinen Kunden grundsätzlich immer einen Glasfaser-Anschluss, falls das möglich ist. Mindernd wird sich das auf den Wert ihrer Immobilie definitiv nicht auswirken", betont auch der Buchener Makler Christian Baumbusch. "In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung schon so viel verändert. Durch Homeoffice, das Thema Smart-Home und die damit steigenden Datenraten kommt man langfristig nicht um die Glasfaser herum, davon bin ich überzeugt."

Marko Winter dagegen sieht die aktuell verfügbare Internet-Bandbereite als "völlig ausreichend" an. Zwar steige die Nachfrage nach Glasfaser, "aber auf dem aktuellen Markt bekomme ich jede Immobilie auch ohne verkauft", relativiert der Mosbacher Makler.

Artur Bakowski ist die Wertentwicklung der Immobilien im Odenwald völlig egal. "Damit habe ich nix zu tun. Wir verlegen die Glasfaser durch alle Straßen, wer einen Anschluss will, kann ihn bekommen, auch später noch. Kostet dann bloß ein paar Tausend Euro", sagt er. Dann ruft er einem seiner Bautrupps etwas auf Polnisch zu und winkt den Lkw mit frischem Asphalt heran. Der Bürgersteig eine Straßenecke entfernt von Gustav Grabischs Haus wird auf einer Länge von etwa 200 Metern schon wieder verschlossen. "Die oberste Deckschicht lassen wir noch offen, falls was beim Einblasen der Glasfaser passiert, dann muss nicht wieder alles aufgerissen werden", erklärt der Bauleiter vor Ort.

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