Neckar-Odenwald-Kreis

Fachkräftemangel an Schulen und Kitas schon spürbar

Derzeit ist keine Besserung der Situation ist in Sicht. Im Gegenteil drohen sich der Mangel und die Folgen daraus noch zu verstärken.

11.03.2023 UPDATE: 11.03.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 16 Sekunden
Unbeschwert spielen die Kinder im Kindergarten St. Marien in Walldürn. Ihnen ist nach wie vor die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Erzieherinnen sicher, obwohl diese aufgrund des Fachkräftemangels alle Hände voll zu tun haben. Foto: Hannah Störzer

Von Ann-Kathrin Frei und Maren Schmitt

Neckar-Odenwald-Kreis. Lehrer und Erzieher fehlen – und es ist keine Besserung in Sicht. Dieses Fazit gilt bundesweit und schlägt dementsprechend Wellen bis in den Neckar-Odenwald-Kreis. Auf dem Land sind zahlreiche Schulen und Kindergärten bereits betroffen. Der Tenor in der Region ist ebenso eindeutig wie in den Städten: Der Mangel an Fachkräften ist bereits zu spüren.

Zu wenige Schultern tragen die Last

Hintergrund

> Experten zum Fachkräftemangel: Bis in das Jahr 2030 geht die Kultusministerkonferenz von etwa 13.380 fehlenden Lehrkräften aus. Einige Bildungswissenschaftler sprechen sogar von einer Fachkräftelücke von 81.000. Ein noch größerer Mangel soll sich bei den Erziehern

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> Experten zum Fachkräftemangel: Bis in das Jahr 2030 geht die Kultusministerkonferenz von etwa 13.380 fehlenden Lehrkräften aus. Einige Bildungswissenschaftler sprechen sogar von einer Fachkräftelücke von 81.000. Ein noch größerer Mangel soll sich bei den Erziehern einstellen. Dies prognostiziert eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Sie geht von rund 230.000 fehlenden Fachkräften aus. Weder sei diese Lücke durch Aufstockung der Ausbildungskapazitäten zu schließen, noch seien bis 2030 genügend Quereinsteiger zu gewinnen.

> Trotz Rekordzahlen große Lücke: Mit knapp 120.000 Beschäftigten haben zum 1. März 2022 so viele Menschen wie noch nie in den Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg gearbeitet. Trotz der wachsenden Beschäftigtenzahl (seit 2012 um 70 Prozent gestiegen) warnt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor einem dramatischen Fachkräftemangel. Die Betreuungsangebote seien ausgebaut worden, was zum Anstieg der Kinderzahlen geführt hätte. Und die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein kritisiert: "Die Verantwortlichen in der Bundesregierung, beim Land und den Kita-Trägern haben in den vergangenen Jahren zwar mehr investiert, aber bei weitem nicht genug getan, um mehr junge Menschen für den Arbeitsplatz Kita zu gewinnen und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten längerfristig gesund arbeiten können." Sie rechnet in diesem Zug mit weiteren Einschränkungen von Kita-Öffnungszeiten. RNZ

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"Ich habe das Glück, dass wir durch eine Abordnung einer Lehrkraft von einer benachbarten Grundschule den Direktbereich abdecken können", berichtet das neueste Mitglied des Walldürner Gemeinderats und Rektorin Aniko Müller. Ihre Grundschule in Bödigheim sei auch im kommenden Schuljahr auf diese Abordnung angewiesen. Aber: "Probleme tauchen dann auf, wenn eine Lehrkraft ausfällt."

Weil es keine Möglichkeit auf eine Vertretungslehrkraft als Krankheitsreserve gebe, müssen Kollegen diese kurzfristigen Ausfälle auffangen, indem sie mehr arbeiten. Eine weitere Option der Grundschule ist es, Klassen zusammenzulegen. Müller verspricht: "Den Ausfall von Unterricht halten wir bei einem absoluten Minimum, und er kommt bei uns an der Schule nur äußerst selten vor." Denn in Unterrichtsausfällen sieht die Rektorin eine echte Gefahr, da so wichtige Lernzeit verloren gehe.

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Unterschiede sieht Aniko Müller weniger zwischen Stadt und Land als vielmehr im Personalschlüssel: "In einem größeren Kollegium verteilt sich die Mehrarbeit im Vertretungsfall auf mehr Schultern", sagt die Rektorin. Damit einher gehe dementsprechend eine höhere Belastung für Lehrkräfte kleinerer Kollegien.

Beim Blick auf die Prognosen für ihren Berufsstand schwant Müller nichts Gutes: "In der Zukunft wird sich das Problem des Lehrermangels vermutlich zunächst noch deutlich verschlimmern." Dies liegt ihr zufolge daran, dass der Beruf aufgrund von steigenden Aufgabenfeldern und mehr Kindern mit Problemen in unterschiedlichsten Bereichen immer unattraktiver werde. "Ich würde mir wünschen, dass das Ansehen des Lehrberufs in der Gesellschaft wieder steigen würde und ihm Respekt entgegengebracht wird."

Ebenso plädiert die Rektorin im Bereich der Grundschule für eine Angleichung des Gehalts an die der anderen Lehrämter. Des Weiteren könnte es ihr zufolge helfen, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren oder die Arbeitszeit anzupassen: "Die zusätzlichen Aufgabenfelder sollten nicht die Ressourcen rauben, die für Unterrichtsvor- und -nachbereitung nötig sind." Trotz dieser Kritik hadert Aniko Müller jedoch nicht mit ihrer Entscheidung für die Grundschule: "Es ist für mich der schönste Beruf, den man erlernen kann!"

"Alle Kitas sind betroffen"

Die betreuten Kinder in den Kitas haben ein anderes Alter, aber die Probleme sind die gleichen. "Es sind tatsächlich alle Kindertageseinrichtungen von einem akuten Fachkräftemangel betroffen", bestätigt der stellvertretende Leiter der katholischen Verrechnungsstelle in Walldürn, Christoph Helke, der RNZ.

Seit einigen Jahren schon stelle er fest, dass die Problematik in dem aktuell vorherrschenden Ausmaß mit Zeitverzug auf dem Land ankomme. Noch dazu schrumpfe der Kreis des Personals, das bei Ausfällen einsetzbar ist, stetig, weil weniger Mitarbeiter ihre Arbeitsleistung als Vertretungs- und Zusatzkraft flexibel und auf Abruf anbieten. Das war in der Vergangenheit noch gang und gäbe, heute streben die Erzieherinnen eher feste Arbeitsverhältnisse an.

Einen großen Vorteil sieht Helke in den Schulstandorten der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik sowie der Helene-Weber-Schule, die entsprechende Ausbildungsgänge zur pädagogischen Fachkraft anbieten.

Um den Personalmangel auszugleichen, setze die Verrechnungsstelle darauf, die Zusammenarbeit mit der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik zu intensivieren. Dadurch sollen Nachwuchskräfte gewonnen werden. Als erfolgreiche Maßnahmen würden sowohl die Implementierung der praxisintegrierten Ausbildung zum Erzieher im Jahr 2018 sowie die stetige Ausweitung von Praktikumsplätzen in Kitas für die klassische Ausbildung zählen.

"Aufgrund einer guten Kooperation mit den Städten und Gemeinden in unserem Einzugsbereich können wir aktuell insgesamt 39 Menschen einen Ausbildungs- bzw. Praktikumsplatz in katholischen Kitas bieten, die nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung dem gesamten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sofern sie an dem Beruf festhalten." Es sei jedoch vor allem wichtig, die Ausbildungskapazitäten weiter auszubauen. Für die Stellenschaffung sei die Verrechnungsstelle allerdings auf die Unterstützung der Kommunen zwingend angewiesen.

"Ich rechne mittelfristig nicht mit einer Besserung der Situation. Das vorherrschende Problem wird sich tendenziell weiter verstärken", befürchtet Christoph Helke. In Zukunft sei es besonders wichtig, die Attraktivität des Berufs als pädagogische Fachkraft zu steigern sowie Ausbildungskapazitäten zur Nachwuchsgewinnung auszubauen. "Denn jede ausgebildete pädagogische Fachkraft, die am Ende dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, ist ein unabdingbarer Beitrag, um dem Fachkräftemangel zu begegnen."

"Tatsache, dass Erzieher fehlen"

Ein etwas anderes Bild liefert Luise Rüße, die Kindergartenleitung des evangelischen Kindergartens in Walldürn. "Unsere Einrichtung ist noch nicht vom Personalmangel betroffen", erklärt die Leiterin im Gespräch mit der RNZ. Krankheitsbedingte Personalausfälle könne der Kindergarten kompensieren, indem ein Teil der Erzieherinnen gruppenübergreifend gegen Bezahlung oder Freizeitausgleich einspringt, um so für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.

Da es sich beim evangelischen Kindergarten in Walldürn um eine kleine Einrichtung handle, sei diese Herangehensweise für die meisten Kinder kein Problem: "Die Kinder kennen alle Erzieherinnen , und auch umgekehrt ist dies bei uns der Fall."

Dennoch kennt die Kindergartenleiterin Luise Rüße die zunehmende Problematik des Fachkräftemangel von Lehrern und Erziehern aus ihrem Netzwerk: "Es ist ja Tatsache, dass Erzieher fehlen. Deshalb glaube ich schon, dass sich das schwierig gestaltet, wenn man neues Personal benötigt."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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