Neujahrsempfang: OB Jann beschäftigten nicht nur Mosbacher Themen
Der Blick ging weit über Mosbach hinaus - Die Stadt muss weiter den Spagat üben

Mosbach. "Ich will nicht gehorsam, gezähmt und gezogen sein." Mit diesem Aufruf gegen Konformismus, wie er "Sissi" in die schönen Musical-Lippen gelegt wurde, startete der Neujahrsempfang der Stadt Mosbach gestern in der Alten Mälzerei. Große Emotionen verband Sängerin Tamara Kühner routiniert mit einer wandlungsfähigen Stimme, die auch zu Songs von Adele und Katy bestens passte.
Gleich mehrere "Missionen" hatte Oberbürgermeister Michael Jann zu erfüllen. Mit der Amtskette um den Hals und der Ehefrau an der Seite begrüßte er am Ende der Treppe alle eintreffenden Gäste persönlich - und überbrachte gute Wünsche zum neuen Jahr. "Meine rechte Hand könnte jetzt schon etwas Erholung brauchen", gestand Jann, nachdem er rund 400 Hände geschüttelt hatte. Doch nun galt es, die große Ansprache zu halten, deren Manuskript 22 Seiten stark war. Die "Großwetterlage", aber auch ganz konkrete Auswirkungen und Maßnahmen vor Ort kamen darin ausführlich zur Sprache. Stellvertretend für zahlreiche Ehrengäste seien hier nur die beiden Abgeordneten Dr. Dorothee Schlegel und Georg Nelius genannt.
"Die Flüchtlingsströme haben nicht in Lampedusa halt gemacht, sondern sind in Deutschland und auch im Neckar-Odenwals-Kreis angekommen", kam Jann auf seinen ersten Schwerpunkt zu sprechen. Da die Gemeinschaftsunterkunft Hardheim überbelegt sei, benötige man neue Standorte. Auch bei der "Anschlussunterbringung" der anerkannten Asylanten komme Mosbach als größter Kommune im Landkreis eine ganz besondere Verantwortung zu. Ein dickes Lob ging an die Ehrenamtlichen des "Arbeitskreis Asyl" um Pfarrer Richard Lallathin: "Sie haben Vorbildliches geleistet und dies aus uneigennützigen freien Stücken heraus."
Während gestern Vormittag in Paris eine Million Teilnehmer zum Trauerumzug erwartet wurden, hieß es auch in Mosbach: "Je suis Charlie". Im Gedenken an die Opfer des Anschlags auf die Charlie-Hebdo-Redaktion bat Jann um eine Trauerminute. Bereits am Donnerstag hatte er seinem Kollegen Jacques Krabal in der Partnerstadt Château-Thierry - ganz in der Nähe des Anschlagsorts gelegen - seine Solidarität bekundet. Frei nach dem Motto "Jeder ist ein Fremder - fast überall in der Welt" sei bereits vor geraumer Zeit ein ämterübergreifender Arbeitskreis in der Stadtverwaltung ins Leben gerufen worden.
Zurück zu Mosbach-Themen ging es mit der Mediathek. Bibliotheksleiter Raimar Wiegand informierte auch im Foyer über den aktuellen Stand der Umzugsplanungen. Auf 1000 qm Fläche werde Raum geschaffen für 40.000 Bücher und digitale Medien - inklusive Arbeitsplätzen, Internetzugängen sowie einem Lese-Café. Einen genauen Einweihungstermin konnte Jann allerdings nur für die Mieter "H&M, Rewe & Co" nennen. Ab Mitte April soll das "Quartier an der Bachmühle" zum Shoppen einladen. Dann werde - dank neuer Tiefgarage - auch die Parkplatzsituation entspannter.
Private und öffentliche Sanierungsmaßnahmen, Um- und Neubauten listete Jann auf, vergaß dabei auch nicht Neckarelz und Diedesheim sowie die "Satellitendörfer". Vom Palm'schen Haus ging es über das ehemalige Kaufhaus Jacob und das neue Seminar- und Laborgebäude der Dualen Hochschule zum Neubau der Diakonie-Klinik. Überhaupt nehme das Thema "Inklusion" dieses Jahr einen besonderen Stellenwert ein - nicht nur weil man sich an der Landeskampagne "Duichwir - Alle inklusive" beteilige.
In Janns Rückblick auf das "erfolgreiche Jahr 2014" kam es auch zu einem Wiedersehen mit dem wiederbelebten Lichterfest und den "Alltagsmenschen". Die hätten vielen Einheimischen und Gästen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Wenig zu lachen habe dagegen das Stadtsäckel. Die "immer noch guten Steuer- und Zuweisungseinnahmen" zehre die Kostenentwicklung bei den Umlagen, bei der Instandhaltung, bei der Kleinkindbetreuung und beim Personal vollständig auf. "Die unabdingbaren Investitionen in unserer Stadt werden uns zu Kreditaufnahmen zwingen", erklärte Jann. Einstimmig habe der Gemeinderat für den Doppelhaushalt 2015/16 gestimmt. "Ein schwieriger Spagat zwischen Sparsamkeit und notwendigen Impulsen für eine positive Stadtentwicklung" sei so gelungen.
Nicht nur ein Nahrungsmittel, sondern zugleich einen imposanten Glücksbringer überreichte Obermeister Friedbert Englert für die Bäcker-Innung an das Stadtoberhaupt. Die riesige Neujahrsbretzel war sogar mit einer Schleife verziert. "Manche kommen jedes Jahr wieder", wusste im 2. Stock Heidi Köhler vom Kommunalen Kindergarten. Wie bereits seit einigen Jahren üblich, betreuten drei Erzieherinnen die jüngsten Gäste - Langeweile kam also auch hier keine auf.