Wie aus Mosbachs Stadtbibliothek eine Mediathek wurde
Das Kulturleben hat sich gewandelt. Früher gab es kaum Veranstaltungen zum Thema Literatur.

Von Peter Lahr
Mosbach. Seit der Steinzeit unternehmen Menschen Dinge, die jenseits des Überlebensnotwendigen einzuordnen sind. Zu den ältesten und rätselhaftesten Belegen davon zählen weltweit faszinierende Höhlenmalereien. Doch spätestens bei den kommunalen Haushaltsberatungen der Gegenwart steht das Thema "Kultur" regelmäßig auf dem Prüfstand.
Längst etabliert als "weicher Standortfaktor", bleibt die finanzielle Förderung doch ständig eine freiwillige Leistung, die eben auch mal gekürzt werden kann. Nicht nur der Stillstand rund um die Pandemie sorgte für nachhaltige Veränderungen im regionalen Kulturleben.
Hat der alte Vorwurf von Mosbach als "Nix los Bach" Bestand, oder blüht hier an vielen Spielstätten eine reichhaltige, vielleicht mitunter etwas versteckte Kulturlandschaft?
Vor zehn Jahren zog die Stadtbibliothek Mosbach aus dem fachwerkidyllischen, aber räumlich begrenzten Hospitalhof in die Höhenlage des neu entstandenen Quartiers an der Bachmühle und mutierte auch gleich ganz offiziell zur Mediathek. 2019 feierten die "Mosbacher Buchwochen" noch ihr 25. Jubiläum, doch nach der Pandemie gelang der "Neustart" eher holprig und das Herbst-Format hatte keine Zukunft mehr.
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Warum das Ende aber keinen Nachteil für die Leseförderung in der Region darstellt, weiß Mediatheksleiter Raimar Wiegand ganz genau. Denn anders als 1994, als die städtische Kulturabteilung unter Federführung von Christine Funk die ersten "Mosbacher Literaturtage" ins Leben rief (und organisierte), bietet die Mediathek zwischenzeitlich das ganze Jahr über ein breit gefächertes und verlässliches Programm.
"Zu der Zeit gab es zum Thema Literatur keine Veranstaltungen in Mosbach", erinnert sich Christine Funk. Die ersten Buchwochen wurden noch an den "Mosbacher Sommer" angehängt. "Denn es war klar, dass wir es konzentrieren müssen."
Ein weiteres "Nebenprodukt" bildete 2001 die "Criminale", die über eine Eifel-Krimi-Lesung von Jacques Berndorf ins Nordbadische kam. Als Vor-Ort-Autor fugierte damals der noch nicht so bekannte Krimiautor Wolfgang Burger, der als Ingenieur am Karlsruher Institut für Technologie arbeitete. 2003 füllte Harry Rowohlt bei den "Buchwochen" mit seiner fulminanten One-Man-Pooh’s-Corner-Show sogar die Alte Mälzerei.
Im Jahr darauf bot die Mosbacher Volksbank als neuer Sponsor den Steiner-Saal für Frank Schätzings Multimedia-Spektakel "Der Schwarm". Während sich Christine Funk sehr gerne an die Musiklesung mit Schauspiel-Legende Conny Froboess und dem Ludwigshafener Multitalent Sigi Schwab an der Gitarre erinnert, verweist Raimar Wiegand auf Alex Capus: "Das war die beste Lesung, aber es haben nur wenige bemerkt. Da kamen vor 20 Jahren nur 20 Leute."
Heute dagegen erfülle die Mediathek sowohl personell als auch ausstattungstechnisch alle Standards. Im Fokus der Zusatzangebote stünden die Leseförderung und die Medienkompetenz. "Das erscheint mir die dringendste Aufgabe, denn es wird immer schwieriger, gute Information von schlechter Information zu trennen, richtige von falscher", unterstreicht Wiegand. Statt der dichten Akkumulation auf vier Bücher-Wochen habe man nun kontinuierlich mehr Möglichkeiten.
Wie gut die beiden Halbjahresprogramme ankommen, kann der Mediatheksleiter genau belegen. So kamen im Vorjahr mehr als 3000 Gäste zu den Veranstaltungen – zusätzlich zu den 116.000 Lesern/Besuchern.
Ausgebaut wurden die Kooperationen mit den Schulen. Als echter Magnet hat sich zudem der Sommerleseclub "Heiß auf Lesen!" etabliert, der seit 2021 in Mosbach ankert. "Letztes Jahr versorgten wir dabei über 100 Mädchen und Jungen mit neuem und exklusivem Lesestoff."
Überhaupt sind die Angebote an Kinder besonders gut nachgefragt, etwa die Theaternachmittage. Beim "Kino" hat sich ebenfalls ein fester Stummfilm-Fankreis entwickelt, woran auch der Neckarsulmer Pianist Andreas Benz keinen unbedeutenden Anteil hat – zuletzt etwa bei "Nosferatu".
Einen wichtigen Unterschied hat Raimar Wiegand auch bei den Angeboten für Erwachsene festgestellt: "Bei Belletristik müssen die Autoren sehr bekannt sein, während es bei den Sachbüchern vor allem die Themen sind, die für Besucher sorgen."
Auf der Suche nach neuen und ausgefallenen Formaten ist die Mediathek durchaus offen. Ob Weinverkostung in Kombination mit Lieblingsbüchern, Drei-Fragezeichen-Comiclesungen oder auch mal ein Manga-Zeichenworkshop: erlaubt ist, was gefällt. Also lesetechnisch ist die Region durchaus kein unbeschriebenes Blatt.