Eberbach

Wahrzeichen des Breitensteins von Lea gefällt

Der legendäre Spohr’scher Birnbaum war uralt. Erst ein Orkan im Jahr 1992 machte ihm den Garaus.

10.04.2022 UPDATE: 11.04.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden
Was der Orkan übrigließ: Der Torso des Spohrschen Birnbaums. Foto: Klemens Bernecker/privat

Von Elisabeth Murr-Brück

Eberbach. Wer immer diesen Baum gepflanzt hat, hat weit in die Zukunft gedacht. Die Informationen zur Schweizer Wasserbirne sind nicht ganz einheitlich. Mal heißt es, der Baum komme spät in den Fruchtertrag, mal "sehr spät"; jedenfalls hat man nicht so schnell was davon. Im Alter aber, da sind sich alle einig, sei der Ertrag hoch und regelmäßig. Nun lässt sich Alter in Zahlen und Jahren bemessen und bleibt doch relativ. Hundertjährige gelten bei Menschen wie bei Obstbäumen schon als überdurchschnittlich alt, für die Schweizer Wasserbirne ist das guter Durchschnitt, gemeinhin zugestanden werden ihr 150 Jahre, mehr ist durchaus möglich. Wie alt der Spohr’sche Birnbaum auf dem Breitenstein war, von dem hier die Rede ist, kann nur geschätzt werden.

Die Künstlerin Hanna Breidinger-Spohr hat das Ergebnis eines Erntetags ins Bild gesetzt. 

Schon vor den ersten Rodungen dort, die 1802 begonnen haben, soll das Gebiet um den Schollerbuckel bewirtschaftet worden sein; der Birnbaum könnte das belegen. Aus Not und Mangel an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Eberbach versuchte man alles urbar zu machen, was möglich erschien. Die Schweizer Wasserbirne stellte keine Ansprüche an den Boden und kommt auch mit rauem Klima zurecht. Frisch schmeckt die Birne süß mit leicht säuerlich-herber Note und eignet sich gut als Dörrobst, vor allem aber als Mostbirne - von großer Bedeutung in Zeiten, als Trinkwasser noch nicht kontrolliert wurde.

Das Eberbacher Geschichtsblatt aus dem Jahr 2000 hat Geschichte und Geschichten um diesen legendären Baum aufgearbeitet. Hanna Breidinger-Spohr, prominentestes Mitglied der alt eingesessenen Eberbacher Familie, in deren Besitz der Baum war und unter deren Namen er bekannt war, schildert ihre Erinnerungen. Das Ergebnis eines Erntetages hat sie in einer Zeichnung überliefert.

Die "Operation Most" war ein Unterfangen, das passgenau und umsichtig geplant werden musste. Die Fruchtqualität machte die Sache zugleich schwierig. Die richtige Reife hatten die Birnen, wenn sie eigentlich schon von selbst vom Baum fielen. Der war gewaltig hoch, geschätzt und rekonstruiert an die 22 Meter. Von den saftigen Birnen waren viele entsprechend "verplotzt", sie mussten möglichst schnell verarbeitet werden. Erntetermin richtete sich danach, wann "beim Hell" gemostet wurde; der Küfer im Pfarrhof hatte die nötige Ausstattung für die tausend Liter, die sich da ergeben konnten.

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Eine Ernte lieferte nicht selten bis zu 38 Zentnern Birnen, die fährt man nicht im Handwagen weg. Es braucht einen Fuhrmann, aber vorher müssen Säcke und Leitern kontrolliert, die Fässer geputzt, das Gras gemäht werden. "Natürlich ist nicht gemäht und die Brennnesseln stehen meterhoch", wenn die Familie nach langem Fußmarsch "mit Körben und Leitern, Säcken, Stangen, Stricken, Sense, Beil und Hacke" anrückt.

Wolfgang, der Bruder, steigt mit der Leiter auf, zieht eine weitere nach, um von ihr aus die einzelnen Äste mit der Stange zu erreichen oder mit den Händen zu schütteln, den ganzen Tag, ein Kraftakt, und alle sind froh, wenn er am Abend heil wieder unten ist.

In den Aufzeichnungen von 1960 schreibt sie, dass Urgroßvater vor damals 130 Jahren gemeint habe, der Baum sei wohl an die 150 Jahre alt. Kreis-Obstbaumeister Ernst Rittel schätzte ihn 1991 auf 250 Jahre und bescheinigte ihm noch immer "gute Vitalität". Das scheint realistisch. Eine andere Schweizer Wasserbirne zwischen Epfenbach und Spechbach hat amtlich dokumentierte 200 Jahre bei einem Stamm-Umfang von 3,23 Meter. Am Spohr’schen Birnbaum wurden 4,30 Meter gemessen. Der damit wohl älteste Birnbaum im Rhein-Neckar-Kreis wurde zum Wahrzeichen des Breitenstein. Den Jahrhundert-Stürmen Vivien und Wiebke hielt er stand, dem Orkan Lea in der Nacht vom 21. zum 22. Juli 1992 mit Böen von Windstärke 11 nicht mehr, seine Ernennung zum Naturdenkmal war da schon beschlossene Sache. Stellvertretend dafür bleibt die Erinnerungstafel. Hanna Breidinger-Spohr hat sich dafür bei Klaus Bernecker in einem persönlichen Schreiben bedankt. Der Tod des Baumes sei ihr sehr nahe gegangen, aber "auch alte Riesen müssen einmal sterben".

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