Wer zuletzt kommt, muss alles mitnehmen
Produkte aus Solidarischer Landwirtschaft gibt es jetzt auch in Eberbach - Alle zwei Wochen wird die Ware bereitgestellt

Premiere für die Solidarische Landwirtschaft in Eberbach. Landwirt und Diplom-Biologe Michael Scheurig (im Türrahmen) bringt die ersten Erzeugnisse beim Depot im Holdergrund. Zunächst kommen die Lieferungen alle zwei Wochen, später wöchentlich. Foto: Peter Bayer
Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. Zunehmend mehr Menschen denken darüber nach, welche Auswirkungen eine industrielle Landwirtschaft hat, ökologisch wie gesellschaftspolitisch. Wir haben uns daran gewöhnt, dass an Nahrungsmitteln immer alles verfügbar ist. Wer weiß schon, dass Erdbeerplantagen in Spanien das Trinkwasserproblem dort immer weiter verschärfen, in Süditalien wird das Wasser für Melonen aus 25 Metern Tiefe geholt, vor zehn Jahren musste man grade mal zwei Meter tief bohren; die Böden werden ausgelaugt, kleinere Betriebe können nicht mehr überleben.
Elisabeth Rabl gehört zu den Menschen, die das nicht mehr wollen, sie gehört zum Kreis derer, die in Eberbach die Initiative Solidarische Landwirtschaft mittragen wollen. Die Grundidee: Verbraucher bezahlen einen Landwirt im Voraus, er liefert, was gerade erntereif ist. Es gibt, was es grade gibt, im Winter Lagergemüse und Feldsalat, im Sommer vielleicht massenhaft Zucchini. Zurück in die Zukunft. Bis vor wenigen Jahrzehnten war das ganz normal, ist es heute in weiten Teilen der Welt noch immer. Marion Dönhoff, die legendäre ZEIT-Herausgeberin, schreibt von ihrer Kindheit auf einem Gutshof in Ostpreußen auf, auf den auch Bismarck und das Kaiserpaar regelmäßig zu Besuch kamen, dass "wochenlang Spinat gegessen" wurde, "dann kamen die Erbsen dran und danach die Mohrrüben".
Aber nicht einmal da hält sich die Natur an Planwirtschaft, erklärt Katharina Klein: "Wenn der Sommer zu trocken ist, gibt es vielleicht keine Kürbisse und wenn viel Rettich da ist, dann gibt es eben viel Rettich". Darin besteht auch der Unterschied zur bekannten Bio-Kiste: in der Solidarischen Landwirtschaft wird nichts angeboten, was nicht auf dem Hof oder in angeschlossenen Betrieben wächst, der Handel entfällt vollständig.
Katharina Klein hat die Solidarische Landwirtschaft in Mosbach kennengelernt, durch ihre Initiative gibt es jetzt auch in Eberbach einen Stützpunkt. Über Handzettel und persönliche Gespräche suchte sie Interessenten, acht mussten es mindestens sein, mehr als doppelt so viele waren es beim ersten Treffen am Donnerstag. Sie bekommen knackfrischen Spinat, Kartoffeln, Lauch und Schnittlauch vom Hofgut Robern bei Oberdielbach. Der Diplom-Biologe Michael Scheurig hat den Hof vor einigen Jahren übernommen, vor fünf Jahren hat er sich der Solidarischen Landwirtschaft angeschlossen. Der Betrieb liegt inmitten von Streuobstwiesen, vom Hof kommen Kräuter und Salate und die meisten Gemüse, alles nach biologischen Richtlinien angebaut. Bald wird es die ersten Salate geben, Rote Bete und Zwiebeln, Broccoli und Blumenkohl wurden gerade gesät, die kälteempfindlichen Buschbohnen, Zucchini und Kürbis sind nach den Eisheiligen dran. Bei Sinsheim stehen Foliengewächshäuser für Tomaten, Gurken und Paprika; Kartoffeln kommen von einem Demeterhof in Angelbachtal, Scheurig arbeitet dort mit. Eier gibt es nur auf Vorbestellung, sie werden selbstverständlich von frei laufenden Hühnern gelegt. Scheurig zeigt Bilder von Hühnern im Gras, auf Wiesen mit ganz viel Auslauf; glücklicher können Hühner wohl kaum leben, zumindest kennt Scheurig keine, denen es besser geht
90 Haushalte werden derzeit mit Produkten vom Hofgut Robern versorgt, die Abnehmer sind in Heilbronn, Mosbach und Haßmersheim und jetzt eben auch in Eberbach.
Alle zwei Wochen wird die Ware im Lager bereitgestellt, später soll dann auf Wochenrhythmus umgestellt werden. Die Mitglieder erhalten einen Zahlencode für den Schlüssel und haken auf einer Liste ab, was sie entnommen haben; wer zuletzt kommt, muss den gesamten Restbestand mitnehmen, denn nichts soll verkommen, nichts weggeworfen werden.