Hettinger hofft mit Stammzellen-Spende Leben junger Frau zu retten
Jürgen Müller aus Hettingen hatte sich vor vier Jahren bei der DKMS typisieren lassen. Nun gab es eine Anfrage.

Von Rüdiger Busch
Hettingen. Wer Jürgen Müller kennt, der weiß, wie schwer es ihm fällt, Nein zu sagen. Ob bei der Feuerwehr oder bei der FG "Hettemer Fregger": Wenn er gebraucht wird, ist er da. Als sich im September die DKMS bei dem 49-Jährigen meldete und ihn fragte, ober er zu einer Stammzellenspende bereit sei, sagte er aber nicht aus Gewohnheit Ja, sondern aus voller Überzeugung. Inzwischen liegt die Spende einige Wochen hinter ihm, und obwohl er nicht weiß, wie es der Empfängerin heute geht, hat er die Gewissheit, genau das Richtige getan zu haben.

Die Geschichte von Jürgen Müllers Stammzellenspende beginnt am 20. Januar 2018: Damals fand in der Hettinger Sporthalle eine große Typisierungsaktion für die 17-jährige Schülerin Luisa Balint statt. Die Resonanz war überwältigend: 1812 Menschen ließen sich damals in der DKMS-Datenbank registrieren. So groß die Freude über die erfolgreiche Typisierungsaktion war, so groß war nur wenige Monate später die Trauer: Trotz aller Bemühungen verlor Luisa den Kampf gegen ihre heimtückische Krankheit.
Jürgen Müller ließ sich damals natürlich auch typisieren: "Ich wollte Luisa helfen!"Als Geschäftsführer der FG kannte er die Gardetänzerin gut. Seine ersten Gedanken galten daher auch dem jungen Mädchen und ihrer Familie, als er im Herbst eine E-Mail der DKMS erhielt. Die Botschaft: Sein Blut passt genau zu einer Patientin, die dringend auf eine Spende angewiesen ist.
An seiner Bereitschaft, anderen Menschen zu helfen und mit einer Stammzellenspende zum Lebensretter zu werden, hatte sich seither nichts geändert. Und so füllte er in den folgenden Tagen und Wochen seitenlange Fragebögen aus, gab detailliert Auskunft über seinen Gesundheitszustand und ließ sich Blut für weitere Untersuchungen abnehmen.
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Zunächst erhielt er Ende des Jahres die Botschaft, dass eine andere Lösung gefunden worden sei. Doch dann kam im Februar die erneute Anfrage: Ob er Mitte März Stammzellen spenden könne? Natürlich!
Es folgten eine Voruntersuchung in Frankfurt und – beginnend fünf Tage vor der eigentlichen Spende – eine Spritzenkur. Durch das verabreichte Medikament sollte die Stammzellenproduktion angeregt werden. Als Nebenwirkung bekam Jürgen Müller Kopf- und Gliederschmerzen, doch die erhoffte Wirkung wurde ebenfalls erzielt: Der Wert der Leukozyten in seinem Blut verfünffachte sich, was beste Voraussetzungen für das Gewinnen der Stammzellen bedeutete.
Als weitere Nebenwirkung kann sich die Milz vergrößern, so dass die Spender fünf Tage vor und bis sechs Tage nach der Spende auf Kraft- und Kontaktsportarten und schwere körperliche Arbeit verzichten sollten. Dafür hatte sein Vorgesetzter bei der Straßenmeisterei natürlich Verständnis, so dass Jürgen Müller hier kein Risiko eingehen musste.
Die Spende fand dann beim Blutspendedienst in Frankfurt statt. Bei der peripheren Stammzellentnahme werden die Stammzellen über ein spezielles Verfahren (Apherese) aus dem Blut gewonnen. Der Arzt legte dazu jeweils einen Zugang in beide Armvenen, so dass das Blut entnommen, die Stammzellen gewonnen und das Blut anschließend wieder in den Körper geleitet wird. Fünf Stunden dauerte das Verfahren bei ihm, um möglichst viele Stammzellen zu erhalten. Ein Teil davon wurde für eine eventuelle zweite Behandlung eingefroren.
Beschwerden hatte er bei der Abnahme und in der Folge keine: "Ich habe kaum etwas gemerkt", sagt Jürgen Müller.
"Ich wurde von dem Arzt und den Arzthelferinnen bei der Spende sehr zuvorkommend und freundlich behandelt", erzählt Jürgen Müller und stellt auch die außerordentliche gute Betreuung und Organisation durch das Team der DKMS heraus: "Sie haben sich gleich nach meinem Wohlbefinden erkundigt und fragen auch jetzt noch regelmäßig nach."
Wer die Stammzellen erhalten hat, weiß Jürgen Müller nicht: Das System baut auf Anonymität. Er weiß nur, dass es eine junge Frau aus den USA ist. Zwei Jahre lang ist sein Blut für diese Patientin "reserviert": Je nach Verlauf der Krankheit könnte es nämlich sein, dass sie eine weitere Spende benötigt. Schon vor dem Ablauf der zweijährige Anonymitätsfrist besteht die Möglichkeit, anonym – per Brief oder E-Mail – miteinander Kontakt aufzunehmen. Anschließend ist ein persönliches Kennenlernen möglich, wenn beide einverstanden sind.
Ob er dies anstreben wird, weiß Jürgen Müller nicht. Er hat nur einen Wunsch: Dass die Behandlung mit seinen Stammzellen die erhoffte Wirkung zeigt und die Frau ihre Krankheit besiegt. Würde er es wieder tun? "Auf jeden Fall. Wenn man die Chance hat, jemandem helfen zu können, dann muss man es tun."
Mit dieser Einstellung spricht er Luisas Familie aus dem Herzen: Bei aller Trauer darüber, dass ihr trotz aller Bemühungen nicht geholfen werden konnte, freut sich Peter Balint, dass aus der Aktion "Gemeinsam für Luisa" Gutes erwachsen ist. Zehn Menschen, die sich damals für Luisa haben registrieren lassen, hätten bereits Stammzellen gespendet und seien somit potenzielle Lebensretter für andere todkranke Menschen geworden. "Ohne Luisa hätten diese Menschen wohl keine Chancen gehabt", weiß Peter Balint: "Das ist ihr Vermächtnis!"