Obrigheimer Saboteur hatte einfach nur Hunger
Immer wieder sorgen Tiere für Stromausfälle in der Region. Ein Biber trat dabei aber erstmals in Erscheinung.

Von Caspar Oesterreich
Obrigheim. Weniger als 15 Minuten mussten die Menschen in Binau, Mörtelstein und Breitenbronn am Mittwochnachmittag ohne Strom ausharren. Dramatisch war der Ausfall keinesfalls, außergewöhnlich aber dennoch. Immerhin hatte ein hungriger Biber für den Zwischenfall gesorgt, bei dem ein Baum auf eine Mittelspannungsleitung gefallen war. Zwei Betonmasten brachen durch die Last des Holzes ab.

Mehrere Wochen müssen der Biber und seine Artgenossen am Stamm der großen Pappel im westlich von Obrigheim gelegenen Sumpfgebiet genagt haben, erklärt der Biberexperte Helmut Schnatterbeck im Gespräch mit der RNZ. "Es dauert, bis die Tiere so einen stattlichen Baum zum Umstürzen bringen."
Schnatterbeck ist einer von vier Biberberatern im Neckar-Odenwald-Kreis. Das Revier am Heiligenbach bei Obrigheim sei eines der ältesten in der Region. Vor allem in den Wintermonaten würden sich die Pflanzenfresser an Bäumen in der Nähe von Bächen und Flüssen sattfressen, da sie in der kalten Jahreszeit weniger Kräuter und Wasserpflanzen finden. Meist wird der Biberberater zurate gezogen, wenn die Tiere etwa in Schrebergärten vordringen und an den dortigen Obstbäumen naschen.
Als Störenfriede der örtlichen Energieversorgung seien die Nagetiere bisher aber noch nicht in Erscheinung getreten, sagt Schnatterbeck. "Es kam schon vor, dass sie sich in den Kanälen der Regenrückhaltebecken einquartiert und dort das Wasser aufgestaut haben", erzählt er. "Mit Strom hatten die Biber Gott sei Dank bisher aber nichts am Hut."
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Das bestätigt ebenso Jörg Busse, Pressesprecher bei Netze BW: "Biber sind mir neu." Trotz Schutzvorkehrungen komme es leider immer mal wieder vor, dass Vögel an Strommasten für einen Kurzschluss sorgen. Vor allem dann, wenn ihr Gefieder nass ist.
"In Trafostationen verirren sich manchmal Ratten, die dann – meist zu ihrem Nachteil – auch mal an einem Kabel knabbern." Ein Biber als Übeltäter ist Busse in den 20 Jahren, seit denen er für Netzte BW arbeitet, allerdings noch nicht untergekommen.
Auch bei den Stadtwerken Mosbach sind die zweitgrößten Nagetiere der Welt noch nicht negativ in Erscheinung getreten. 2017 hatte allerdings ein Steinmarder für einen großen Stromausfall in allen Stadtteilen gesorgt. In der Nacht war das Tier in die Umspannstation "Am Wolfgraben" gekrabbelt.
"Dabei entstand ein Lichtbogen zwischen zwei Phasen, und die Notabschaltung des 110/20-kV-Transformators war die Folge", erklärte Geschäftsführer Jürgen Jaksz damals gegenüber der RNZ. Der Marder habe praktisch mit seinem Körper von 110.000 auf 20.000 Volt "überbrückt".
Während die meisten Tiere dasselbe Schicksal ereilt wie ebenjenen Marder, wenn sie unserer Stromversorgung in die Quere kommen, fehlt von dem Biber jede Spur. Nach der Sabotage entkam er unerkannt im Unterholz. Der Strom für Binau, Mörtelstein und Breitenbronn wird aktuell über andere Kabel in die Orte geleitet.
Aufgrund der Schäden an den zwei Betonmasten sowie der Feststellung, dass auch noch andere Bäume im Sumpfgebiet nahe der Mittelspannungsleitung angenagt sind und umzustürzen drohen, überlegt man bei Netze BW, die beschädigte Freileitung durch ein Erdkabel zu ersetzen. Wann, wo und wie es vergraben werden kann und darf, werde momentan geprüft, so Jörg Busse. Eine neue Führung um das Biberrevier herum sei ebenso eine Option wie eine Spülbohrung quasi ohne offene Grabungsarbeiten.
Biberberater Helmut Schnatterbeck empfiehlt, die umgestürzte Pappel möglichst lange liegenzulassen. "Solange eine Nahrungsquelle erreichbar ist, wird der restliche Baumbestand durch die Biber nicht gefährdet sein", meint der Experte. Um die Nagetiere vom Abfressen der Rinde bzw. dem Fällen von Bäumen abzuhalten, seinen Drahthosen die günstigste Variante. "Man spannt den Draht um den Stamm, und schon können die Biber nicht mehr an ihm herumbeißen", erklärt Schnatterbeck. Eine Idee, die man bei der Netze BW nicht unbedacht lassen sollte.